Es war nicht gerade die beste Werbung für das Schiedsrichterwesen. Beim Relegationsspiel der SG Lendershausen/Ostheim gegen den TSV Westheim Ende Mai hatten sich Moritz Meisel und seine Schiedsrichterkollegen vor dem Eingang des Stadions des FC Haßfurt positioniert, um mit Flyern für den im Juni anstehenden Schiedsrichter-Neulingslehrgang der Gruppe Haßberge aufmerksam zu machen. 120 Minuten später gewährten Haßfurter Ordner dem Unparteiischen Maximilian Tischer Geleitschutz in die Kabine, weil ein paar wenige SG-Fans nach einem Elfmeterpfiff in der 120. Minute die Nerven verloren hatten, eine Mülltonne aufs Feld schmissen und auf Tischer loswollten.
Wie Lehrwart Meisel solche Situationen sieht, was die Erhöhung der Spesenordnung gebracht hat und wie die Lage bei den 162 Schiedsrichtern und vier Schiedsrichterinnen der Gruppe Haßberge überhaupt ist, erzählt der 26-jährige Schiedsrichter des SV Rügheim im Interview.
Moritz Meisel: In der Summe sind wir sehr zufrieden, was die Schiedsrichterei im Kreis angeht. Wir haben in den letzten Jahren zwar nicht die große Masse an neuen Schiedsrichtern dazugewonnen, dafür aber sehr gute. Und weil in unserem Kreis leider die Zahl an Teams drastisch gesunken ist, hatten wir in diesem Jahr an einigen Spieltagen erstmals mehr Schiedsrichter als Ansetzungen. Wir konnten manche Schiedsrichter manchmal gar nicht einsetzen.
Meisel: Das ist eine ganz neue Situation, aus der sich ganz neue Herausforderungen ergeben. Unsere Schiedsrichter waren es gewohnt, am Wochenende immer ihr Spiel zu pfeifen. In Ausnahmefällen manchmal sogar zwei an einem Tag. Dann kommen Fragen auf, wieso man denn kein Spiel bekomme. Ob man etwas falsch gemacht habe. Aber das ist, wie gesagt, einfach der Zahl der Ansetzungen geschuldet. Da müssen wir rotieren, wie es auch ein Trainer mit seinem Kader macht.
Meisel: Nein, richtig Knatsch hat es nicht gegeben. Aber gerade unsere älteren Schiedsrichter sind sehr, sehr motiviert und extrem ehrgeizig. Dementsprechend führen das viele im ersten Moment auf eigenes Fehlverhalten zurück. Das muss man mit einer vernünftigen Kommunikation lösen. Mit Transparenz räumt man solche Dinge schnell wieder vom Tisch. Es ist extrem wichtig, den Frieden zu wahren. Wir brauchen Zusammenhalt unter den Schiedsrichtern.
Meisel: Manch einer glaubt, wir Schiedsrichter pfeifen wegen des Geldes. Das stimmt nicht. Aber die Erhöhung der Pauschale war richtig und wichtig. Gerade für die jungen Schiedsrichter, die noch nicht im Beruf sind. Bei einem D-Jugend-Spiel reden wir von 30 Euro, bei einem Kreisklassen-Spiel der Herren 45 Euro. Das ist ein sehr gutes Taschengeld – mehr aber auch nicht. In Anbetracht des Aufwands ist das absolut gerechtfertigt.
Meisel: Sicher, ich kenne es ja von meinem Heimatverein. Wenn du mehr Spesen als Eintrittsgelder hast, ist das für jeden Verein eine Herausforderung. Es war etwas unglücklich, dass die Erhöhung der Pauschale auf einen Schlag kam. Hätte man das über Jahre hinweg immer wieder mal angepasst, wäre der Aufschrei lange nicht so groß gewesen. Inzwischen ist das aus unserer Sicht aber zum Glück kaum noch Thema.
Meisel: Ich kann ehrlich gesagt keinen großen Unterschied feststellen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es hier im Haßbergkreis eher ruhiger zugeht. Auf Funktionärstagungen bekommst du schon mit, dass es gerade in größeren Städten ganz anders zugeht. Bei uns ist es friedlich. Klar gibt es Fälle wie beim Relegationsspiel beim FC Haßfurt, wo mal eine Mülltonne aufs Feld fliegt. Das sind unschöne Szenen, bei uns aber ganz klar die Ausnahme.
Meisel: Sicherlich. Ich persönlich kann Beleidigungen ganz gut ab. Wenn daraus aber körperliche Gewalt werden würde, würde ich stark ins Zweifeln kommen, ob ich weitermache. Demgegenüber steht die Frage: Soll ich mir wegen eines Einzelnen den Spaß an meinem Hobby kaputt machen lassen? Das ist eine Frage, die jeder Schiedsrichter mit sich selbst ausmachen muss.
Meisel: Ich bin dem Fußball in Rügheim seit jeher verbunden und habe als Bub schon immer kleine Aufgaben übernommen: Trinkflaschen auffüllen, Spielberichtsbogen ausfüllen, sowas. 2011 hat Kai Steinmetzer, Bayernliga-Schiedsrichter und ehemaliger Großbardorfer Torwart, ein Spiel bei uns gepfiffen. Nach dem Duschen kam er zu mir und hat mir fünf Euro in die Hand gedrückt. Weil es ihm gefallen hat, dass ich geholfen habe. Das hat mir schwer imponiert. Nicht des Geldes wegen, es war einfach eine tolle Geste. Daraufhin bin ich zu Hans Gegner, unserem Schiedsrichter in Rügheim, und habe ihm gesagt, dass ich das Pfeifen ausprobieren will. Und heute bin ich noch immer dabei.
Die Schiedsrichter-Gruppe Haßberge bietet am Wochenende vom 21. Juni bis 23. Juni einen Neulingslehrgang beim TSV Knetzgau an. Interessierte wenden sich per E-Mail an Lehrwart Moritz Meisel (moritz.meisel98@web.de).