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Giebelstadt/Unterebersbach
Mütter zwischen Beruf und Familie: 6 Frauen erzählen vom Spagat zwischen Kindern und Karriere
Berufstätige Mütter haben es nicht leicht. Viele wollen es perfekt machen - und fühlen sich zerrissen. Wie sechs Frauen aus Unterfranken Kindererziehung und Arbeit meistern.
Sechs berufstätige Mütter aus Unterfranken berichten: (oben v.l.) Sarah Hall, Nadine Tscherbner und Carmen Vokovich, (unten v.l.) Lara Lübbe, Nadine Hildenbrand und Norma Rudat.
Foto: Thomas Obermeier, Nargis Silva, Patty Varasano, Anand Anders | Sechs berufstätige Mütter aus Unterfranken berichten: (oben v.l.) Sarah Hall, Nadine Tscherbner und Carmen Vokovich, (unten v.l.) Lara Lübbe, Nadine Hildenbrand und Norma Rudat.
Autorenköpfe Volos       -  Nargis Silva
Nargis Silva
 |  aktualisiert: 11.03.2024 09:35 Uhr

Nach einem geschäftigen Arbeitstag zur Kita eilen, um das hungrige Kind abzuholen. Auf dem Weg nach Hause einfühlsam Trost spenden, denn das Kleine lässt bei Mama seinen Gefühlen freien Lauf. Schnell noch in den Supermarkt, was fürs Abendbrot kaufen. Und daheim warten nicht nur Kochtopf und Herd, sondern auch ein Korb voller Wäsche, unaufgeräumte Zimmer - und ein Dutzend dienstlicher E-Mails, für die im Büro keine Zeit mehr blieb. 

Viele Mütter fühlen sich hin- und hergerissen zwischen Familie und Beruf, immer bemüht, überall ihr Bestes zu geben. Und Freizeit und Liebesleben gibt es ja eigentlich auch noch. Hier erzählen sechs berufstätige Frauen aus Unterfranken von den Höhen und Tiefen, die sie als berufstätige Mütter erleben.

1. Musikpädagogin Lara Lübbe: "Mutter zu sein ist für mich die größte Bereicherung im Leben"

Lara Lübbe (37) ist Musikerin und Gesangslehrerin in Würzburg, hat zwei Kinder - und werkelt in ihrer Freizeit gerne im Garten.
Foto: Patty Varasano | Lara Lübbe (37) ist Musikerin und Gesangslehrerin in Würzburg, hat zwei Kinder - und werkelt in ihrer Freizeit gerne im Garten.

"Bevor ich Mutter wurde, dachte ich, dass mit Kindern alles genauso laufen würde wie vorher: erfolgreich im Beruf, Konzerte machen und dabei den Bedürfnissen der Kinder gerecht werden. Aufgrund der hohen Ansprüche kam ich bald an meine körperlichen und mentalen Grenzen. Den Glaubenssatz, alles gleich gut und gleichzeitig schaffen zu müssen, hat mir meine Mutter vorgelebt. Sie schrieb als zweifache Mama an ihrer Doktorarbeit.

Man kriegt als Kind dann nur diese starke Frau mit und nicht, dass sie eigentlich an dieser Last zerbricht. Als frisch gebackene Mutter habe ich mir auch viel Druck gemacht. Ich wollte den Haushalt perfekt schmeißen und bald wieder Vollzeit arbeiten gehen. Mir war nicht bewusst, wie viel ich bereits leistete. Heute verstehe ich, dass es auch eine Leistung ist, zwei Stunden präsent beim Kind zu sein.

Mutter zu sein, ist für mich die größte Bereicherung im Leben. Aber auch meine Arbeit als Gesangslehrerin empfinde ich als erfüllend. Außerdem habe ich das große Glück, dass mein Mann und ich nicht Vollzeit arbeiten und bei der Kindererziehung paritätisch sind. So bleibt mir auch Zeit für einen Ausgleich, etwa für Gartenarbeit. Dabei kann ich besonders gut abschalten."

2. Kinderpflegerin Nadine Tscherbner: "Es muss nicht immer alles perfekt sein"

 Nadine Tscherbner (41) kommt aus Giebelstadt (Lkr. Würzburg), ist Mutter von drei Töchtern - und Tagesmutter. Hier beim Spaziergang mit einem ihrer Tageskinder.
Foto: Thomas Obermeier |  Nadine Tscherbner (41) kommt aus Giebelstadt (Lkr. Würzburg), ist Mutter von drei Töchtern - und Tagesmutter. Hier beim Spaziergang mit einem ihrer Tageskinder.

"Als meine jüngste Tochter ein Jahr alt wurde, war mir schnell klar, dass sie nicht so bald fremdbetreut wird. Deshalb beschloss ich, mich beim Jugendamt als Tagesmutter anzumelden und nicht mehr im Kindergarten zu arbeiten. So konnte ich sie lange zu Hause lassen. Ich fand den Gedanken abwegig, sie irgendwo abzugeben, um in der Zeit fremde Kinder zu betreuen. Bis heute habe ich meist fünf Kinder in der Tagespflege, auch wenn meine Tochter schon in die Schule geht. 

"Der Haushalt ist bei meinem Mann und mir ein Dauerthema."
Nadine Tscherbner, Tagesmutter aus Giebelstadt

Dadurch, dass bei mir Privatleben und Arbeit zu Hause stattfinden, verbringe ich den Urlaub gerne im Ausland, weit weg von den häuslichen Pflichten, die ich größtenteils alleine trage. Der Haushalt ist bei meinem Mann und mir ein Dauerthema. Um ihm vor Augen zu führen, wie ungerecht es zugeht, haben wir vor zwei Jahren eine Tabelle zur Ermittlung der Aufgabenverteilung ausgefüllt. Es fiel ihm dann schon auf, dass ich fast alles mache: den Haushalt, die Kinderbetreuung, Verabredungen und Einkäufe. 

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Nach wie vor trage ich den Bärenanteil der Sorgearbeit. Aber ich habe inzwischen gelernt, meine Ansprüche runter zu schrauben. Es muss nicht immer alles perfekt sein. Ich kann auch mal etwas liegen lassen, um die gewonnene Zeit mit meinem Kind zu verbringen. Dennoch ist es für mich manchmal noch schwer, nicht dem Perfektionismus zu verfallen."

3. Erzieherin Sarah Hall: "Es war oft eine Überwindung für mich, zur Arbeit gehen"

Sarah Hall (31) ist Erzieherin aus Giebelstadt (Lkr. Würzburg) und Mutter eines Jungen. So oft sie kann, geht sie mit ihm in die Natur.
Foto: Thomas Obermeier | Sarah Hall (31) ist Erzieherin aus Giebelstadt (Lkr. Würzburg) und Mutter eines Jungen. So oft sie kann, geht sie mit ihm in die Natur.

"Mein Sohn war sechs Monate alt, als ich mit acht Stunden in der Woche wieder als Erzieherin im Kindergarten eingestiegen bin. Obwohl ich wusste, dass er bei den Großeltern in guten Händen ist, war es oft eine Überwindung für mich, zur Arbeit zu gehen. Die Stunden ohne ihn fühlten sich wie verlorene Zeit für mich an. Heute fällt mir der Abschied viel leichter. Das liegt auch daran, dass ich mich mit dem, was ich tue, wieder mehr identifizieren kann. 

Der Wiedereinstieg ins Arbeitsleben war hart für mich. Ich war schlichtweg überfordert. Inzwischen habe ich eine gute Balance gefunden. Vieles, was ich mir früher aufgeladen habe, gerade mit Blick darauf, für meinen Mann mitzudenken, habe ich wieder an ihn abgegeben. Als Mama muss man gut auf sich achten, damit es auch anderen in der Umgebung gut geht. 

Aktuell bin ich sehr ausgelastet, weil mein Mann die nächsten zwei Monate je vier Tage die Woche auf Montage ist. Ich habe zwar Unterstützung durch Großeltern und Tagespflege. Aber es fehlt mir sehr, mal eine Pause zu haben am Abend. Es macht mir arg zu schaffen, wenn ich nicht regelmäßig Pflichten und Verantwortung komplett abgeben kann."

4. Yogalehrerin Norma Rudat: "Das Mama-Sein hat mich inspiriert, beruflich meinen eigenen Weg zu gehen"

Norma Rudat (33) ist zweifache Mutter, wohnt in Winterhausen (Lkr. Würzburg) und arbeitet als selbstständige Yogalehrerin und als Angestellte. 
Foto: Thomas Obermeier | Norma Rudat (33) ist zweifache Mutter, wohnt in Winterhausen (Lkr. Würzburg) und arbeitet als selbstständige Yogalehrerin und als Angestellte. 

"Mein Mann hat Long-Covid und ist seit über anderthalb Jahren arbeitsunfähig. Das ist finanziell herausfordernd für uns. Ich arbeite zum einen, weil ich finanziell etwas zur Familie beitragen will und muss. Zum anderen, weil es mir gut tut, eine Rolle außerhalb der Mutterschaft zu haben. Das Mama-Sein hat mich dazu inspiriert, beruflich meinen eigenen, authentischen Weg zu gehen. Aktuell mache ich mich neben dem Angestelltenverhältnis selbstständig als Yogalehrerin und biete Naturkurse an.

"Es ist keine richtige Entlastung, wenn man für den anderen mitdenken muss."
Norma Rudat, Mutter von zwei Töchtern und Yoga-Lehrerin

Als mein Mann noch gesund war, ist er 32 Stunden an vier Tagen in der Woche arbeiten gegangen. Auch jetzt im Krankheitsstand ist er so lange außer Haus. Er nutzt die Zeit, um wieder gesund zu werden. Vom Verantwortungsgefühl her sind wir als Eltern beide gleichermaßen für die Kinder da. Zeitlich gesehen mache ich aber deutlich mehr mit den Kindern und im Haushalt. Mein Mann ist präsent, wenn er da ist, und weiß auch, was alles zu tun ist. Das war nicht immer so. Dabei ist das wesentlich. Denn es ist keine richtige Entlastung, wenn man immer für den anderen mitdenken muss.

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Dass von Männern immer noch selbstverständlich erwartet wird, dass sie nach einer kurzen Elternzeit wieder voll arbeiten gehen, finde ich problematisch. Es war bei uns auch von vornherein klar war, dass ich zuhause bleibe und danach weniger arbeite. Mich stört es, dass Sorgearbeit kaum gesellschaftliche Wertschätzung bekommt. Dabei legt bedürfnisorientiertes Begleiten von Kindern den Grundstein für ihre emotionale Reife – die unsere Welt so sehr braucht."

5. Bürokauffrau Carmen Vokovich: "Es ist nicht einfach, sich Zeit für sich zu nehmen"

Carmen Vokovich (44) hat drei Kinder, lebt im Landkreis Würzburg und arbeitet derzeit als Hilfskraft in der Metzgerei.  
Foto: Nargis Silva | Carmen Vokovich (44) hat drei Kinder, lebt im Landkreis Würzburg und arbeitet derzeit als Hilfskraft in der Metzgerei.  

"Seit vier Jahren arbeite ich als Hilfskraft in der Metzgerei, weil die Arbeitszeiten mit den Betreuungszeiten der Kinder kompatibel sind. In meinem Beruf als Bürokauffrau habe ich nichts Passendes gefunden. Meine Eltern wohnen zwar in der Nähe. Aber wegen eines Krankheitsfalls wäre es für meine Mama zu viel, wenn noch die Kinder dazu kämen. 

Als Vollblutmama habe ich mir bei jedem Kind drei Jahre Zeit genommen. Auch wenn sie heute älter sind, bleibt es anspruchsvoll. Meine drei Kinder sticheln viel und streiten oft. Das kostet mich am meisten Kraft. Leider neige ich sehr dazu, mich hinten anzustellen. Das versuche ich aktuell zu ändern. Doch es ist nicht einfach, sich Zeit für sich zu nehmen. Sobald ich etwa alleine spazieren gehen möchte, rufen die Kinder nach mir und möchten mit.

Die größte Herausforderung sind für uns die 14 Wochen Schulferien im Jahr. Denn wir haben höchstens 30 Tage Urlaub. Um alle Ferien zu überbrücken, können wir zusammen kaum freinehmen. Daher würde ich mir von den Unternehmen mehr Urlaub für Eltern oder eine Ferienbetreuung wünschen. So wie es aktuell geregelt ist, macht es Familien, die keine Großeltern als Stütze haben, sehr zu schaffen."

6. Diätassistentin und Studentin Nadine Hildenbrand: "Ich habe immer gearbeitet, weil mir sonst die Decke auf den Kopf fällt"

Nadine Hildenbrand (39) hat zwei Kinder, studiert derzeit und lebt in Unterebersbach im Landkreis Rhön-Grabfeld.
Foto: Anand Anders | Nadine Hildenbrand (39) hat zwei Kinder, studiert derzeit und lebt in Unterebersbach im Landkreis Rhön-Grabfeld.

"Vor einigen Jahren habe ich nebenberuflich das Fachabi nachgeholt und schreibe derzeit meine Bachelorarbeit für Wirtschaftspsychologie. Als Hausfrau habe ich mich nie gesehen und nebenbei immer gearbeitet, weil mir sonst die Decke auf den Kopf fällt. Auf der anderen Seite spüre ich als Mutter den gesellschaftlichen Druck, überall erfolgreich sein zu müssen. Ich sehe es nicht so eng, aber bin dennoch hin- und hergerissen zwischen der Kindererziehung und meinen beruflichen Ansprüchen. 

Da mein Mann in Vollzeit als Führungskraft arbeitet, ist er prinzipiell auch nach Dienstschluss erreichbar. Daher trage ich deutlich mehr Verantwortung in der Erziehung. Das ist herausfordernd, denn man kann nicht alles gleichzeitig machen. Und oft ich bin diejenige, die zurückstecken muss. Ich freue mich sehr darauf, bald wieder mehr zu arbeiten, auch wegen der sozialen Kontakte. An meinem Mann sehe ich, wie sehr seine soziale Kompetenz im Unterschied zu meiner gewachsen ist. 

Für mich wäre es eine wahnsinnige Erleichterung, wenn die Schulen mehr auf die Kinder eingehen könnten. Es ist heftig, wie viel Zeit Eltern außerhalb der Schule für Hausaufgabenbetreuung aufwenden müssen, was eigentlich nicht geht, weil ja beide arbeiten sollen. Was uns hilft, ist eine Mischung aus Homeoffice und Büro. Auch eine dreiviertel Stelle für Eltern von Unternehmen wäre wünschenswert, dann würde nicht alles an einer Person hängen bleiben."

Die Autorin über die Recherche

Nargis Silva ist Redaktionsvolontärin bei der Main-Post. 
Foto: Daniel Peter | Nargis Silva ist Redaktionsvolontärin bei der Main-Post. 
Als berufstätige Mutter von zwei kleinen Kindern kenne ich das Gefühl der Zerrissenheit, zwischen den eigenen beruflichen Ansprüchen und dem Wunsch, für den Nachwuchs da zu sein, gut. Mich hat es daher interessiert, wie es anderen Müttern in der Region geht. Wie schaffen sie den Spagat? Was fordert sie heraus? Welcher Aspekt der Mutterschaft erfüllt sie besonders? Und was könnte seitens der Politik besser laufen, damit berufstätige Mütter entlastet werden? Bei den Gesprächen waren die Frauen mir gegenüber sehr offen. Und auch dankbar - dafür, dass ihnen zugehört wird und das Thema öffentlich Raum bekommt. 
nasi
 
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