
Es ist keineswegs so, dass die Welt früher besser war. Der Kitzinger Rathauskeller war auch schon vor fast zwei Jahrzehnten für die ganz besonders schlimmen Bilder reserviert. Bilder von Mord, Totschlag und Katastrophen, die man einen Stock höher in der Rathaushalle nicht allen zumuten wollte. Entsprechend begleitete den Gang ins Untergeschoss zur Ausstellung von World Press Photo früher eine Warnung.
Nach einer Neuausrichtung der Wettbewerbs-Kategorien fallen nun auch noch Farbtupfer wie Natur oder Sport weg. Die Probleme dominieren endgültig, die Ausstellung ist noch ein wenig finsterer geworden. Die ausgezeichneten Pressebilder bewegen sich zwischen Krieg, Klimawandel und Migration. Aber die Trostlosigkeit hat sich aus dem Keller nach oben gearbeitet - sie ist jetzt unten und in der Rathaushalle zu sehen.
Die Probleme der Welt zeigt World Press Photo in Kitzingen bis Ende März: das Leben einer krebskranken Frau in China, die Geschichte von Demenzkranken in Afrika, der trostlosen Alltag von Jugendlichen in Tunesien, die Zerstörung der Umwelt in der Ukraine.
Die Ausstellung wird weltweit in mehr als 100 Städten gezeigt und hat Jahr für Jahr rund vier Millionen Menschen. In Kitzingen, dem einzigen Ausstellungsort in Bayern, werden im Rathaus wieder über 20.000 Besucher erwartet.
Zu sehen sind 145 Bilder und ein prämiertes Video aus dem Jahr 2023. Die Ausstellung geht bis einschließlich Sonntag, 30. März. Geöffnet ist täglich von 10 bis 18 Uhr, donnerstags und sonntags bis 20 Uhr. Und, klar: Aufnahmen, die besonders unter die Haut gehen, sind wieder im Rathauskeller ausgestellt.
Der Stadtmarketingverein organisiert zudem eine Schaufenstergalerie in der Innenstadt. 70 Bilder aus einem begleitenden Fotowettbewerb der Stadt werden in den Schaufenstern der Einzelhändler ausgestellt.
Ein Blick auf einige besondere Fotografien:

Adriana Loureiro Fernandez porträtiert die Auswirkungen der Ölkrise auf ihr Heimatland Venezuela. Das Land, das einst durch sein reiches Ölvorkommen wirtschaftlich erblühte, versinkt seit Jahren in Armut.

Im Südchinesischen Meer bekräftigt China seine Gebietsansprüche durch Marinepatrouillen. Philippinische Fischer haben es zunehmend schwer, zu ihren angestammten Fanggründen zu gelangen. Die Fotoserie zeigt, wie der Kampf um die Souveränität immer härter geführt wird. Das Fischerboot trifft auf schwimmende Barrieren, die von der chinesischen Küstenwache in der Nähe des Scarborough-Riffs ausgelegt wurden.

Nachdem die chilenische Polizei Camilo Catrillanca ermordet hatte, gab es eine Zeremonie, an der fast 5000 Menschen teilnahmen. Dieser Trauerzug wurde zum historischen Ereignis, das die Spitzen der chilenischen Politik erschütterte. Ein Jahr später sollte dieser soziale Aufschrei dann die Straßen der Hauptstadt Santiago erreichen.

Die ersten Klimaflüchtlinge der USA: Das Haus der Familie Falgout in Pointe-aux-Chênes wurde von dem Hurrikan Ida schwer beschädigt. Ihre Heimat gehört zum ersten Klimawandel-Umsiedlungsprogramm in Amerika.

Geprägt von den Erfahrungen seiner eigenen Auswanderung von Venezuela nach Mexiko im Jahr 2017, startete der Fotograf Alejandro Cegarra 2018 ein Projekt, um auf die Notlage der Migranten hinzuweisen. Die Jury hob hervor, dass Cegarras eigene Erfahrungen als Migrant eine einfühlsame Perspektive ermöglicht.

Hier geht es um den Verlust von Lebensgrundlagen - im "Niemandsland": Im Rheinland wurden seit den 1970er Jahren Wälder gerodet und Dörfer abgerissen, um Platz für die Tagebaue Hambach und Garzweiler zu schaffen. Aktivistinnen und Aktivisten besetzten ab 2012 den Hambacher Forst, später auch das Dorf Lützerath. 2023 gelang es ihnen, einen Rest des Waldes und fünf zum Abriss bestimmte Dörfer zu retten. Den Abriss Immeraths konnten sie nicht verhindern. Die preisgekrönten Bilder dazu zeigt die Fotostrecke "Europa, Langzeitprojekt".

Nach der tunesischen Revolution 2011, die den Arabischen Frühling auslöste, war die Hoffnung im Land groß – doch sie zerschlug sich schnell. Heute kommt der Alltag vieler Jugendlicher in Tunesien eher trostlos daher. Nach einer guten Zukunft halten die jungen Tunesier meist vergeblich Ausschau.

In Madagaskar mangelt es am Bewusstsein für Demenz. Fara Rafaraniriana – hier mit ihrer Tochter Odliatemix – kümmert sich um ihren 91-jährigen kranken Vater, mit dem sie sich ein Bett teilen müssen.

In Kanada, den USA und Mexiko schließen sich Menschen zusammen, um den Monarchfalter zu retten. Die Fotoserie ist ein Symbol menschlicher Solidarität. Das Bild zeigt Sabino Marín Reyes, der die Gräber von Verwandten zur Feier des Tages der Toten schmückt. Für die indigene Mazahua-Bevölkerung symbolisieren die Monarchfalter die Seelen der Verstorbenen.

Das Foto des Jahres zeigt eine Palästinenserin, die im Oktober 2023 den Leichnam ihrer fünfjährigen Nichte Saly umarmt. Zu Beginn des Kriegs zwischen Israel und der Hamas wies Israel die Bevölkerung des Gazastreifens an, zu ihrer eigenen Sicherheit in den Süden zu ziehen. Ab Mitte Oktober wurde der südliche Gazastreifen bombardiert. Für den Fotografen ist dieses Foto ein "eindringlicher und trauriger Moment, der sinnbildlich zeigt, was im Gazastreifen geschieht".

Die etwa 500 Bewohner der Insel Kioa sind Nachfahren von Menschen, die in den 1940er Jahren wegen des ansteigenden Meeresspiegels von der nördlich gelegenen Insel Tuvalu hierher geflohen waren. Heute ist ihre Lebensgrundlage, die Fischerei und Landwirtschaft, erneut bedroht, denn erodierende Küsten könnten sie und mehr als 600 weitere Gemeinschaften rund um Fidschi in den kommenden Jahren erneut zur Umsiedlung zwingen. Das Bild zeigt Lotomau Fiafia, einen Gemeindeältesten, mit seinem Enkel John an der Stelle, an der seiner Erinnerung nach die Küstenlinie verlief, als er selbst ein kleiner Junge war.