Am zweiten Jahrestags des Kriegsbeginns in der Ukraine versammelten sich am Samstag in Würzburg rund 800 Menschen. Die Ukrainische Initiative Würzburg und der Ukraine-Hilfsverein "Mrija" hatte eine Demonstration in der Innenstadt organisiert. Nach Bayern sind derzeit rund 160.000 Menschen aus der Ukraine geflohen. Rund 2000 davon leben in Würzburg. Sechs Ukrainerinnen und Ukrainer sprachen am Rande der Demo über ihr Leben in Unterfranken, ihre Ängste und Hoffnungen.
1. Denys Kharlashyn (18), Schüler in Würzburg: "Mir geht es viel besser als vor zwei Jahren"
"Als wir am 24. Februar 2022 erfahren haben, dass Russland uns angreift, wussten wir, dass unser bisheriges Leben vorbei ist. Mariupol wurde bombardiert und ich habe ich schreckliche Dinge gesehen. Kämpfe, Tote, auch Frauen und Kinder, deren Gesichter ich bis heute nicht vergessen habe. Wir hatten kein Wasser, keinen Strom, kein Internet. Am 15. März schafften es meine Eltern und ich, die Stadt zu verlassen. Am 30. April kamen wir im Ankerzentrum Geldersheim an. Und dann in Würzburg.
Seitdem habe ich Deutschkurse an der Franz-Oberthür-Schule und die Brückenklasse der Jakob-Stoll-Schule besucht. Mir geht es heute viel besser als vor zwei Jahren. Ich studiere jetzt online an einer ukrainischen Universität, habe Hoffnung und eine Vorstellung von der Zukunft. Ich will zurück in die Ukraine und helfen, das Land aufzubauen. Aber ich werde nie vergessen, was Deutschland für uns getan hat."
2. Anton Hladum (24), Kriegsveteran: "Ich möchte mir ein eigenes Leben aufbauen"
"Ich bin als 19-Jähriger 2019 zur Armee gegangen. Im Krieg wurde ich an der Front schwer verwundet und bin zur Behandlung nach Deutschland gebracht worden. In Würzburg habe ich Prothesen bekommen und werde hier noch medizinisch betreut. Wenn die Behandlung zu Ende ist, möchte ich in die Ukraine zurück und mir ein eigenes Leben aufbauen."
3. Larisa Fedorovych (71) bringt in Würzburg Ukrainern Deutsch bei: "Wir sind sehr dankbar, dass uns Deutschland aufnimmt und unterstützt"
"Die Ukraine haben wir im Juni 2023 verlassen, nachdem der Kachowka-Staudamm bei Cherson zerstört wurde und die Fluten unser Haus überspült haben. Ich weiß nicht, ob es komplett zerstört wurde oder ob inzwischen alles verschimmelt ist oder ob es ausgeräumt wurde. Als wir es verlassen haben, war alles noch überschwemmt.
Jetzt wohne ich mit meinem Mann, der Bildhauer und Maler ist, in einer Wohnung in Heidingsfeld. Wir sind sehr dankbar, dass uns Deutschland aufnimmt und unterstützt. Ich mache Sport, wir gehen spazieren, ich helfe im Verein Mrija und gebe dreimal die Woche Seniorinnen und Senioren aus der Ukraine Deutschunterricht. Denn ich habe schon vor 50 Jahren deutsch gelernt, weil mir die Sprache so gut gefallen hat. Als ehemalige stellvertretende Direktorin einer großen Schule kann ich auch unterrichten."
4. Sophia Zinchenko (18), Schülerin in Würzburg: "Ich will schnell gut Deutsch können, studieren und arbeiten"
"Ich lebe mit meiner Mutter und meiner Großmutter in einer Wohnung im Frauenland. Kontakt zu anderen Menschen habe ich wenig. Was ich jeden Tag mache, ist Deutsch lernen. So bald ich die nötigen Prüfungen bestanden habe, studiere ich hier an der Universität Informatik. Ich will schnell gut Deutsch können, studieren und dann als Informatikerin arbeiten.
Nachts erinnere ich mich an mein Leben in der Ukraine und an meine Freundinnen, die ich damals hatte. Eine lebt jetzt in Dänemark und eine in der Türkei. Manchmal telefonieren wir miteinander."
5. Ivan Haiovyi (50) lebt in Schwarzach am Main und gibt Sprachkurse: "Mein behinderter Sohn braucht Hilfe"
"Ich habe Kiew mit meiner Frau und meinen beiden Kindern vor elf Monaten verlassen. Ich bin Berufschullehrer für Gastronomie und Hotelfach und hatte keine Arbeit mehr. Außerdem hatten beide Kinder nach einem Jahr Krieg sehr unter der Bombardierung gelitten.
Der wichtigste Grund für unsere Flucht war unser Sohn Bogdan. Er ist neun Jahre und sitzt im Rollstuhl. Er braucht medizinische Hilfe. Wir sind sehr froh, dass ihm hier geholfen wird.
Schwer auszuhalten ist für mich, dass wir jetzt hier in Sicherheit sind, aber in der Ukraine jeden Tag Menschen sterben."
Oksana Dementieva (54), gibt Kreativkurse in Würzburg: "Die Kinder sind unsere Zukunft"
"Ich habe die Ukraine am 3. März 2022 verlassen und bin zufällig nach Würzburg gekommen, weil ich hier jemanden gekannt habe. Bei ihnen wollte ich mit meinem Sohn eigentlich nur ein paar Nächte schlafen und bin dann acht Monate geblieben. Die Hilfsbereitschaft der Menschen hier war unglaublich. Alle unterstützen uns.
Schwer ist, dass meine Familie auseinander gerissen ist. Mein Mann und meine Eltern sind in der Ukraine geblieben. Ich habe sie seit zwei Jahren nicht gesehen. Aber wir versuchen jeden Tag zu telefonieren. Meine große Tochter lebt mit meinem Enkelkind in Frankreich, sie habe ich besuchen und in den Arm nehmen können.
Der Grund, dass ich hier bin, ist mein Sohn. Er geht auf das Deutschhaus-Gymnasium, spricht gut deutsch, fühlt sich wohl und hat Freunde. Mein Enkelkind kann französisch. Die Kinder sind unsere Zukunft."