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Würzburg/Schweinfurt
Zu viel Kommerz? Wie Weihnachtsmärkte den Städten helfen
Um nicht vom Online-Handel abgehängt zu werden, müssen Städte zum "Erlebnisraum" werden, meinen Experten. Weihnachtsmärkte können dabei helfen. Stört das die Kirchen?
Weihnachtsmärkte sind ein bedeutender Wirtschaftsfaktor.
Foto: Boris Roessler, dpa | Weihnachtsmärkte sind ein bedeutender Wirtschaftsfaktor.
Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:13 Uhr

Alle Jahre wieder startet Ende November die Weihnachtsmarkt-Saison. Allein in Mainfranken können sich die Menschen in diesem Jahr auf über 100 Weihnachts- und Adventsmärkten in Festtagsstimmung bringen. Auch für den Würzburger Bischof Franz Jung gehören Weihnachtsmärkte "zur deutschen Tradition und zur Advents- und Weihnachtszeit". Erstmals will er in diesem Jahr den Würzburger Weihnachtsmarkt besuchen. Für ihn seien die Märkte "Orte der Freude und Begegnung". Ähnlich sieht es die evangelische Regionalbischöfin Gisela Bornowski. "Der adventliche Spaziergang mit der Familie geht auf den Weihnachtsmarkt", der sie auf Weihnachten einstimme und wo sie Freunde und Bekannte treffe. Doch längst sind Weihnachtsmärkte nicht nur Einstimmung aufs Fest, sondern ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor für die Kommunen.

Die evangelische Gisela Bornowski. 
Foto: Anand Anders | Die evangelische Gisela Bornowski. 

Das bestätigt Christian Seynstahl, Referent für Regionalentwicklung bei der IHK Würzburg-Schweinfurt. 20 Prozent des Jahresumsatzes würden im Einzelhandel in den Monaten November und Dezember gemacht, sagt er. Der Online-Handel komme im selben Zeitraum schon auf 25 Prozent. Im Kampf mit dem Internet um Kunden, helfen Weihnachtsmärkte den Innenstädten: Laut Seynstahl haben die Märkte "einen direkten Effekt auf den Einzelhandel, die Gastronomie und Dienstleister". Sie sorgten dafür, dass Städte zum "Erlebnisraum" werden und dadurch Kunden anlockten.

Bis zu 800.000 besuchen den Würzburger Weihnachtsmarkt

Zahlen aus Würzburg scheinen das zu bestätigen: Die Stadt geht davon aus, dass ihr Weihnachtsmarkt eine "Ausstrahlungskraft in das Umland von über 50 Kilometern" hat, jährlich kämen je nach Witterung und Dauer 600.000 bis 800.000 Besucher – rund die Hälfte von auswärts.

Kleinere Weihnachtsmärkte spielten indes oft eine wichtige Rolle als Einnahmequelle für die Veranstalter – etwa Vereine oder Kindergärten. Diese Veranstaltungen, beobachtet Seynstahl, würden sich immer häufiger ein bestimmtes Konzept oder Aktionen ausdenken, "um sich von der breiten Masse abzuheben". Als Beispiele nennt er die Aufstellung des Bocksbeutelchristbaums in Nordheim (Lkr. Kitzingen) oder den "Multikulturellen Weihnachtsmarkt" in Rottendorf (Lkr. Würzburg).

"Dass es auch um Kommerz geht, gehört zum Format eines Marktes."
Bischof Franz Jung

Wie viel die Weihnachtsmärkte in der Region umsetzen, dazu führt die IHK keine Statistik. Die Städte erheben ebenfalls keine Umsatzzahlen ihrer großen Märkte, heißt es aus Würzburg, Schweinfurt, Haßfurt und Aschaffenburg auf Nachfrage. Und auch Werner Baumeister, Sprecher der Marktkaufleute auf dem Würzburger Weihnachtsmarkt, weiß nicht, wie viel umgesetzt wird. Er betont aber: Sowohl für Marktkaufleute als auch für Schausteller sei die Vorweihnachtszeit die stärkste Zeit im Jahr. Ohne die Weihnachtsmärkte wäre deren Geschäft nicht rentabel.

Der Würzburger Bischof Franz Jung
Foto: Sabine Weinbeer | Der Würzburger Bischof Franz Jung

Eine Kommerzialisierung der Weihnachtsmärkte wird vor allem aus Kirchenkreisen immer wieder kritisiert. "Dass es auch um Kommerz geht, gehört zum Format eines Marktes", findet allerdings Bischof Franz Jung. "Besinnliches zur Adventszeit bieten die Kirchen im Umfeld der Märkte", betont er. Oft auch in Zusammenarbeit mit den Veranstaltern. Regionalbischöfin Gisela Bornowski ist selbst Kundin auf Weihnachtsmärkten. Sie findet dort "das eine oder andere Weihnachtsgeschenk" oder "Zubehör für meine Weihnachtskrippe". Vor allem sind für sie die Märkte aber Orte der Begegnung: "Als Kirche müssen wir zu den Menschen gehen, sie dort aufsuchen, wo sie sind." Weihnachtsmärkte ermöglichten "niederschwellige Angebote und Kontakte", erklärt sie. "Schön, dass sich viele Kirchengemeinden und Pfarrer und Pfarrerinnen darauf einlassen: mit Andachten, die Posaunenchöre spielen Weihnachtslieder und Choräle, die Kirchenchöre treten auf."

Fotoserie

Schutz vor Anschlägen bleibt Thema

Unterdessen stellt sich auch in diesem Jahr die Sicherheitsfrage. Nach dem Lkw-Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt vor zwei Jahren wurde dort massiv mit baulichen Sicherheitsmaßnahmen nachgerüstet. Auch in der Region sollen unter anderem Betonquader oder Poller Anschläge mit Fahrzeugen verhindern. So etwa – wie schon im Vorjahr – in Schweinfurt und Aschaffenburg. In Schweinfurt werde zudem weiter "die Installation von festen und versenkbaren Polleranlagen geprüft", so Stadtsprecherin Kristina Dietz. Sollte sich der Stadtrat dafür entscheiden, würden diese aber frühestens zum Weihnachtsmarkt 2020 installiert sein.

Die Tricks der Taschendiebe
Zwar gibt es laut dem Polizeipräsidium Unterfranken erfahrungsgemäß in der Vorweihnachtszeit nicht mehr Taschendiebstähle als sonst über das Jahr verteilt. "Dennoch bieten gerade Weihnachtsmärkte nahezu perfekte Bedingungen für Langfinger", so Polizeisprecher Björn Schmitt. Daher warnen die Ermittler vor den Tricks der Taschendiebe:
  • Der „Rempel-Trick“: Das Opfer wird im Gedränge angerempelt oder „in die Zange“ genommen. Der Vordermann stolpert, bückt sich oder bleibt plötzlich stehen. Während das Opfer aufläuft und abgelenkt ist, greift ein Komplize in die Tasche.
  • Der „Drängel-Trick“: In vollen Bussen und Bahnen oder im Gedränge vor den Verkaufsständen rückt ein Dieb unangenehm dicht an das Opfer heran, das ihm den Rücken zuwendet und so die Tasche „griffbereit“ anbietet.Der „Stadtplan-Trick“: Fremde fragen das Opfer nach dem Weg und halten ihm einen Stadtplan oder ein Smartphone vor. Während sich das Opfer orientiert und abgelenkt ist, plündern andere Täter die Hand- oder Umhängetasche.
  • Der „Geldwechsel-Trick“: Fremde bitten das Opfer, eine Münze zu wechseln. Während des Wechselvorgangs wird das Opfer abgelenkt und es kommt unbemerkt zum Diebstahl von Banknoten.
  • Der „Beschmutzer-Trick“: Der Weihnachtsmarkt-Besucher wird „versehentlich“ mit Ketchup oder einer anderen Flüssigkeit bekleckert. Beim wortreichen Reinigungsversuch verschwindet unbemerkt das Geld bzw. das Portemonnaie aus der Tasche.
 
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  • p-koch-dettelbach@t-online.de
    Weihnachtsmärkte waren schon immer blanker Kommerz. Dafür, für nichts anderes, wurden sie im Mittelalter erfunden. Erst mit Gründung von Kaufhäusern Ende des 19. Jahrhunderts erfolgte eine romantische Umorientierung. Eine Marketing Aktion.
    Blanker Kommerz wurde übertüncht, aber von was sonst sollten die Marktbudenbetreiber leben.
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  • chrihand
    Ja, es ist Kommerz. Aber leider halt NUR Kommerz. Ich gehe nicht mehr auf Weihnachtsmärkte, denn der eigentliche Gedanke ist völlig in den Hintergrund getreten. Schaut euch doch mal um z.B. in Würzburg. Fressen, Saufen, Modenschau. Von vorweihnachtlicher Stimmung ist da nicht mehr viel zu spüren. Übelstes Gedrängel, billige Waren und Speisen völlig überteuert angeboten. Macht mir keinen Spaß mehr...
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  • hessdoerferth
    Wenn einer Menschenmassen, Trubel und nen Glühweinfuselrausch braucht in der stillen Adventszeit, dann soll er das tun. Ich brauch das nicht.
    Wenn die Kirchen allerdings darin "einen Ort der Freude und Begegnung" sehen, dann stimmt mich das sehr bedenklich...!
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