
Der Raum sieht futuristisch aus. Schilder an den Wänden ermahnen, an die Schutzkleidung zu denken: Handschuhe, Schürze, Gesichtsschutz. Ohne darf man die große silberne Box auf keinen Fall öffnen. Ein Mann legt einen Hebel um, es knackt. "Achtung", warnt er. Schnell wird klar warum, der dicke Deckel erhebt sich und eine breite Dampfwolke tritt aus der großen Box heraus. Was zuerst wunderschön erscheint, kann ohne Schutzkleidung gefährlich werden. Denn der Dampf kommt aus dem -160 Grad kalten sogenannten Kryolager. Hier werden Biomaterialien gelagert. Die interdisziplinäre Biomaterial- und Datenbank (ibdw) der Uniklinik Würzburg gilt als der kälteste Ort der Stadt.

Doch auch wenn der Name anderes verraten lässt, hat eine Biobank nichts mit Geld zu tun. "Wir wurden aber tatsächlich schon einmal gefragt, ob wir biologisches Geld hier anlegen", sagt Dr. Michael Neumann und lacht. Er ist der Mann, der die Box geöffnet hat und der stellvertretende Leiter der ibdw. Gemeinsam mit Prof. Roland Jahns, dem leitenden Direktor, führt er durch das Gebäude. Seit 2014 werden dort viel wertvollere Dinge gesammelt als Geld, nämlich Biomaterialien, also Proben vom menschlichen Körper. Das sind zum Beispiel Blut, Urin, Gehirnflüssigkeit oder Zellen. In der ibdw werden sie langfristig für die medizinische Forschung aufbewahrt. Alles vollautomatisiert.
Proben werden bereits bei Abnahme mit Barcode versehen
Von außen ist das Gebäude auf dem Gelände der Uniklinik in Grombühl ein schlichter Kubus, im Inneren finden sich jedoch die modernsten Technologien. "Wir waren schon immer bestrebt, einen sehr hohen Automatisierungsgrad zu implementieren", sagt Neumann. Zum Teil arbeiten sie mit einer eigenen Software, zum Teil mit einer kommerziellen. Das Biomaterial wird in kleine Probenröhrchen, den sogenannten Aliquots, portioniert. Die Menge eines solcher Aliquots reicht üblicherweise aus, um mindestens eine Analyse durchzuführen. Der Vorteil: "Nicht die gesamte Probe muss aufgetaut, analysiert und wieder eingefroren werden", so Neumann. Dies sorge für eine gleichbleibend hohe Qualität des Materials.
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Der vollautomatische Pipettierroboter kann bis zu acht Proben gleichzeitig portionieren. Proben werden bereits bei der Entnahme mit einem Barcode versehen und ab da annähernd vollautomatisch weiterverarbeitet. Diese Automatisierung ist wichtig, da im Zentrallabor der Uniklinik alle Blut- und Gewebeproben aus allen Klinikbereichen zusammenkommen.
2011 begann der Bau der ibdw, die aktuell 15 Mitarbeiter zählt. Nach mehreren Jahren Testbetrieb wurde dann 2014 begonnen Bioproben zu lagern. Rund zwölf Millionen Euro haben der Bau und die Geräte der Würzburger Biomaterialbank gekostet, 7,5 Millionen davon stammen vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. "Jede Fakultät, die etwas von sich hält, stampft eine Biobank aus dem Boden", meint Jahns.

Fast eine halbe Millionen Bioproben von mehr als 7500 Patienten und über 20 000 Studienteilnehmern des Uni-Klinikumsstehen in der ibdw zur Forschung zur Verfügung: Krankheits-und Operationsverläufe, Blut- und Gewebeproben. Somit helfen sie anderen Menschen mit ähnlichen Krankheitsbildern. Patienten und Probanden der Uniklinik können im Rahmen einer Routine-Blutabnahme oder einer geplanten Operation Biomaterialien für die idbw spenden. "Wir sind auf die Freiwilligkeit angewiesen", macht Jahns klar. "Wenn sich keiner dazu bereit erklärt zu spenden, kann man die Biobank schließen."Alle Materialien werden unter einem Pseudonym, also verschlüsselt, registriert. "So verschleiern wir die Identität des Spenders", erzählt der Kardiologe. "Für uns ist es nicht interessant, ob es Lieschen Müller oder Hans Meier war. Uns interessiert nur das Geschlecht, das Alter, natürlich die Erkrankung und die Therapien", fügt Neumann an. Die Einwilligung kann ein Spender jederzeit widerrufen. Die Proben werden dann entsorgt, die zugehörigen Daten gelöscht.
stellten bislang ihre Daten der Biobank und somit der Forschung zur Verfügung: Krankheits-und Operationsverläufe, Blut- und Gewebeproben. Somit helfen sie anderen Menschen mit ähnlichen Krankheitsbildern. Patienten und Probanden der Uniklinik können im Rahmen einer Routine-Blutabnahme oder einer geplanten Operation Biomaterialien für die idbw spenden. "Wir sind auf die Freiwilligkeit angewiesen", macht Jahns klar. "Wenn sich keiner dazu bereit erklärt zu spenden, kann man die Biobank schließen."Alle Materialien werden unter einem Pseudonym, also verschlüsselt, registriert. "So verschleiern wir die Identität des Spenders", erzählt der Kardiologe. "Für uns ist es nicht interessant, ob es Lieschen Müller oder Hans Meier war. Uns interessiert nur das Geschlecht, das Alter, natürlich die Erkrankung und die Therapien", fügt Neumann an. Die Einwilligung kann ein Spender jederzeit widerrufen. Die Proben werden dann entsorgt, die zugehörigen Daten gelöscht.
Die Einwilligung kann ein Spender jederzeit widerrufen
Doch: "Der Sinn und Zweck der Biobank ist ja nicht nur das lagern, sondern gerade das herausgeben." Momentan stimme das Verhältnis noch nicht ganz. "Wir haben deutlich mehr Zufluss als Abfluss." Abfluss bedeutet die Herausgabe an Forscher und Projekte. Die Biomaterialien und zugehörigen Verlaufsdaten helfen der medizinischen Forschung dabei, Krankheiten schneller zu erkennen und zum Beispiel neue Therapiestrategien zu entwickeln. Dazu zählen bekannte Erkrankungen wie Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch seltene oder bislang unbekannte Krankheiten.

Neumann führt in einen weiteren Raum, das sogenannte Herz der Anlage. Es ist laut. Vier große Kühlschränke findet man darin, sie brummen. Auf einem gegenüberliegenden Computerbildschirm kann man in das Innere der Schränke blicken: Techniklandschaften mit Platz für zigtausende Röhrchen. Die Kosten: 1,5 Millionen Euro pro Container. Die Konstruktion dieser Gefriermodule mit dem Namen "Kiwi Tube Store" basiert auf dem Prinzip einer Gefriertruhe. Die Kühltemperatur liegt stabil bei -80 Grad. Empfindliche Teile befinden sich in einer speziellen Klimakammer, die auf nur -20 Grad heruntergekühlt ist.
"Die Bezeichnung 'Kiwi Tube Store' leitet sich von der Arbeitsweise des Roboters beim Umgang mit den Probenröhrchen ab", erzählt Neumann. Ähnlich dem in Neuseeland lebenden Laufvogel, der mit seinem langen Schnabel seine Beute pickt, kann auch der Robotergreifarm gezielt einzelne Probenröhrchen in das Lager einstellen und wieder herausholen. "Das Lager ist im Prinzip wie eine Bibliothek aufgebaut", erzählt Jahns. 196 fahrbare Hängeregale mit jeweils 28 Böden befinden sich in einem Gefriermodul. In jedem dieser Böden kann ein Träger für 96 Probenröhrchen gelagert werden. Das bedeutet: In einem Schrank findet sich Platz für über 500 000 Proben. "Der erste Schrank läuft gerade voll", berichtet Neumann.
Es gelten die höchsten Sicherheitsstandards
Jedes Modul besitzt aus Sicherheitsgründen zwei unabhängige Kühlaggregate. Falls das Hauptaggregat ausfällt, übernimmt automatisch das Reserveaggregat. Sollten beide gleichzeitig ausfallen, wird automatisch eine Notkühlung mit flüssigem Stickstoff aktiviert. "So können die Proben bis zu 1000 Jahre lang gelagert werden", sagt Jahns.
Und was kann in diesen 1000 Jahren genau mit den Proben passieren? "Das können wir dem Spender noch nicht genau sagen", sagt Neumann, "weil wir es selbst noch gar nicht wissen." Denn auch die Mediziner haben noch keinen Überblick, welche wissenschaftlichen Fragen einmal auf sie zukommen werden. "Es bleibt spannend."
