Es ist eine neuartige Therapie, die todkranken Krebspatienten Hoffnung gibt. Und Forscher der Würzburger Uniklinik zählen dabei zur Weltelite: Erstmals in Deutschland wurde hier ein Patient mit einem Multiplen Myelom (Knochenmarkkrebs) erfolgreich mit der so genannten "CAR-T-Zell-Therapie" behandelt. Hierbei wird das eigene Immunsystem als Waffe gegen den Krebs genutzt.
70-jähriger Patient als "Versuchskaninchen"
Peter Jacob – 70 Jahre alt, aus dem Raum Schweinfurt – sitzt zufrieden in der Pressekonferenz und sagt: "Ich fühle mich gesund." Dabei galt er als austherapiert. Nach der Krebsdiagnose Ende 2015 unterzog er sich mehreren "Chemos", dann einer dreimaligen Therapie mit Eigenstammzellen. "Leider kehrten die Myelomzellen danach immer schneller zurück", sagt Onkologe Prof. Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klink II.
Letzte Hoffnung: Die CAR-T-Zell-Therapie und eine an der Uniklinik laufende Studie eines US-amerikanischen Pharma-Unternehmens. Peter Jacob wird Blut abgenommen. Daraus werden T-Zellen in den USA speziell für seine Krebsart genetisch verändert und vermehrt – und dem Patienten Anfang Dezember 2018 wieder verabreicht. Sie erkennen nun die Tumorzellen und greifen sie an, ihre Zahl verringert sich bei dem Myelom-Patienten drastisch. Bis auf Fieberschübe kommt es kaum zu Nebenwirkungen.
Vom Ergebnis ist selbst Krebsexperte Einsele überrascht: "Dass die Therapie so erfolgreich anschlägt, hatten wir nicht erwartet." Mitte Januar wurde Krebspatient Jacob aus der Klinik entlassen. Er hat keine Schmerzen, kann bis zu einer Stunde spazierengehen und leichte körperliche Arbeiten verrichten. "Für mich war die Studie ein Sechser im Lotto", sagt der 70-Jährige. So wie Peter Jacob sollen in Zukunft möglichst viele Krebspatienten von dem Verfahren profitieren.
Bei Lymphknotenkrebs und der akuten lymphatischen Leukämie wird die Therapie laut Einsele bereits angewandt. Gut 20 Patienten wurden an der Uniklinik bisher behandelt. "Bei einem Großteil konnten wir eine Remission erreichen", sagt Dr. Michael Hudecek, der das Programm aufgebaut hat. "Das heißt, dass die Tumore nach einer einmaligen CAR-T-Zell-Gabe so weit zurückgehen, dass man dauerhaft keine Krebszellen mehr nachweisen kann."
Eine Garantie für eine Heilung sind die CAR-T-Zellen indes nicht – allein schon, weil aktuell nur Patienten im fortgeschrittenen Krebsstadium damit behandelt werden. Bei einem zweiten Myelom-Patienten an der Uniklinik lief die Therapie weniger positiv. Dennoch machen die Erfolge den Forschern Mut, die aufgerüsteten Immunzellen bald auch bei Tumoren wie Brust-, Lungen- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs einzusetzen.
Einsele klingt fast euphorisch: "Das könnte die Krebstherapie revolutionieren." Was auch andere wissen, deshalb liefern sich Forscher einen weltweiten Wettlauf. China hat bereits die USA überholt. Deutschland dürfe den Anschluss nicht verpassen, mahnt Prof. Georg Ertl, Ärztlicher Direktor des Uniklinikums. Er ist – wie auch Uni-Präsident Alfred Forchel – stolz auf das wissenschaftliche Knowhow in Würzburg und: "Dass wir es in die klinische Anwendung und zum Patienten zu bringen." In der Krebsforschung brauche man den globalen Vergleich nicht zu scheuen.
Aufbau des Programms von Verein und Stiftung gefördert
Für das CAR-T-Zellen-Programm der Uniklinik wechselte Leiter Hudecek vor sieben Jahren aus Seattle (USA) nach Mainfranken. Gerade in der Anfangszeit wurde sein Projekt unterstützt vom Verein "Hilfe im Kampf gegen Krebs" und seit 2017 durch die Stiftung "Forschung hilft" von Gabriele Nelkenstock. Vor der Presse meinte die Spendensammlerin am Donnerstag: "Es geht nicht nur um das nötige Geld. Wichtig ist, dass wir der Krankheit Krebs den Schrecken nehmen und begreifen, dass das Thema uns alle angeht."
Experte Hudecek ist zuversichtlich, dass die Zellen bald weniger aufwändig und schneller ("über Nacht") hergestellt werden können. Das wäre Voraussetzung, um die vielversprechende Therapie in der Breite bei Krebspatienten anzuwenden. Mit seinem Programm wirbt er Gelder der Deutschen Krebshilfe, dem Forschungsministerium und der EU ein. Rund 20 wissenschaftliche Mitarbeiter und Angestellte zählen zu der Arbeitsgruppe – eines der größten vorklinischen Programme zu CAR-T-Zellen in Europa.