WÜRZBURG
Zimmerer: Presseberichte von 1962 bis 1984 (7/52)
18. Januar 1963, Nürnberger Nachrichten:
"Wahnsinnsform der Demokratie - die politische Form des rassischen Niedergangs"
Der Würzburger Nervenarzt Elmar Herterich, der die NS-Vergangenheit hochrangiger Würzburger Juristen aufdeckte, spielt den „Nürnberger Nachrichten“ (NN) Zimmerers Doktorarbeit "Rasse, Staatsangehörigkeit, Reichsbürgerschaft – ein Beitrag zum völkischen Staatsbegriff" zu.
Am 18. Januar 1963 veröffentlichen die NN eine umfangreiche Auseinandersetzung mit Zimmerers Arbeit, mit der er am 25. Juni 1936 von der juristischen Fakultät der Universität Erlangen zum Dr. jur. promoviert wurde. Die Dissertation sei ein "Machwerk" und keiner Beschäftigung wert, hätte sie nicht "eine heute sehr hochgestellte Persönlichkeit" verfasst.
Die NN berichten, etwa 500 Verfahren mit mehreren tausend Beschuldigten seien "gegen Judenmörder und ihre Helfershelfer in Vorbereitung". Deren "intellektuellen Urheber" aber hätten keine Verfahren zu erwarten, 2denn es gibt dafür keine rechtliche Handhabe".
Das Blatt lässt keinen Zweifel daran, dass es Zimmerer zu diesen Urhebern zählt, "die durch sogenannte wissenschaftliche Thesen, die sich freilich durchgehend als ein gräulicher Mischmasch unvergorener Plattheiten erwiesen, den Boden vorbereiten halfen" für die Verbrechen des NS-Regimes.
Die NN greifen eine Frage auf, die die Würzburger und ihren Oberbürgermeister bald beschäftigen wird: Kann oder darf Zimmerer den Doktortitel behalten? Sie erinnern daran, wie schnell die Universitäten "ausgebürgerten Deutschen, Dichtern, Schriftstellern, Wissenschaftlern und Personen, die im Zusammenhang mit Widerstandshandlungen rechtskräftig verurteilt worden waren", die Doktorwürde absprachen, "obgleich sie sich deren Arbeiten nicht zu schämen gehabt hätten".
Leider sei "bisher niemand auf den naheliegenden Gedanken gekommen, den Titel bei solchen Arbeiten zu widerrufen, die für die Universitäten (…) eine Schande sind und obendrein jedes wissenschaftlichen Charakters entbehren."
Einen "gewissen hintergründigen Reiz" entdecken die NN im Umstand, dass die Universitäten Zimmerers Arbeit "im Gegensatz zum Üblichen der öffentlichen Einsichtnahme entzogen" haben. "Wieso und warum? könnte man fragen. Aber allzu viel fragen ist bekanntlich ungesund."
Die NN fragen trotzdem: "Was tut ein tüchtiger nationalsozialistischer Akademiker, wenn er sich seiner Fakultät in ganzer Größe präsentieren will?" Und antworten: "Er lässt gleich von vornherein keinen Zweifel, welch Geistes Kind er ist."
Dann zitiert das Blatt 36 Passagen aus Zimmerers Dissertation, kommentiert sie bissig (siehe Zimmerer-Dokumentation: Auszüge aus der Dissertation), und schließt mit der Überlegung, dass Zimmerer "sicherlich nur einer von vielen" sei. "Sie in Bausch und Bogen zu verwerfen wäre verkehrt. Nicht wenige haben inzwischen ihr Damaskus erlebt. Die späte, aber nie zu späte Einsicht in eigenes humanitäres Versagen hat sie vor der Versuchung einer öffentlichen Karriere bewahrt. Sie haben sich selbst damit viel Ärger und ihrem Lande eine Blamage erspart. Herrn Zimmerer ist diese Einsicht leider nicht zuteil geworden. Er hat seine Vergangenheit auf seine Weise bewältigt. Nicht ihm, aber der schönen und traditionsreichen Stadt Würzburg müssen wir darüber unser Bedauern aussprechen."
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19. Januar 1963, Fränkisches Volksblatt: Die Antwort Dr. Zimmerers
Inhaltsverzeichnis
"Wahnsinnsform der Demokratie - die politische Form des rassischen Niedergangs"
Die bewältigte Vergangenheit
Der Würzburger Nervenarzt Elmar Herterich, der die NS-Vergangenheit hochrangiger Würzburger Juristen aufdeckte, spielt den „Nürnberger Nachrichten“ (NN) Zimmerers Doktorarbeit "Rasse, Staatsangehörigkeit, Reichsbürgerschaft – ein Beitrag zum völkischen Staatsbegriff" zu.
Am 18. Januar 1963 veröffentlichen die NN eine umfangreiche Auseinandersetzung mit Zimmerers Arbeit, mit der er am 25. Juni 1936 von der juristischen Fakultät der Universität Erlangen zum Dr. jur. promoviert wurde. Die Dissertation sei ein "Machwerk" und keiner Beschäftigung wert, hätte sie nicht "eine heute sehr hochgestellte Persönlichkeit" verfasst.
- Die Skandale des Dr. Zimmerer
- Kommentar: Keine Straße für Helmuth Zimmerer
- Dokumentation: Zimmerers Doktorarbeit
Die NN berichten, etwa 500 Verfahren mit mehreren tausend Beschuldigten seien "gegen Judenmörder und ihre Helfershelfer in Vorbereitung". Deren "intellektuellen Urheber" aber hätten keine Verfahren zu erwarten, 2denn es gibt dafür keine rechtliche Handhabe".
Das Blatt lässt keinen Zweifel daran, dass es Zimmerer zu diesen Urhebern zählt, "die durch sogenannte wissenschaftliche Thesen, die sich freilich durchgehend als ein gräulicher Mischmasch unvergorener Plattheiten erwiesen, den Boden vorbereiten halfen" für die Verbrechen des NS-Regimes.
Die NN greifen eine Frage auf, die die Würzburger und ihren Oberbürgermeister bald beschäftigen wird: Kann oder darf Zimmerer den Doktortitel behalten? Sie erinnern daran, wie schnell die Universitäten "ausgebürgerten Deutschen, Dichtern, Schriftstellern, Wissenschaftlern und Personen, die im Zusammenhang mit Widerstandshandlungen rechtskräftig verurteilt worden waren", die Doktorwürde absprachen, "obgleich sie sich deren Arbeiten nicht zu schämen gehabt hätten".
Leider sei "bisher niemand auf den naheliegenden Gedanken gekommen, den Titel bei solchen Arbeiten zu widerrufen, die für die Universitäten (…) eine Schande sind und obendrein jedes wissenschaftlichen Charakters entbehren."
Einen "gewissen hintergründigen Reiz" entdecken die NN im Umstand, dass die Universitäten Zimmerers Arbeit "im Gegensatz zum Üblichen der öffentlichen Einsichtnahme entzogen" haben. "Wieso und warum? könnte man fragen. Aber allzu viel fragen ist bekanntlich ungesund."
Die NN fragen trotzdem: "Was tut ein tüchtiger nationalsozialistischer Akademiker, wenn er sich seiner Fakultät in ganzer Größe präsentieren will?" Und antworten: "Er lässt gleich von vornherein keinen Zweifel, welch Geistes Kind er ist."
Dann zitiert das Blatt 36 Passagen aus Zimmerers Dissertation, kommentiert sie bissig (siehe Zimmerer-Dokumentation: Auszüge aus der Dissertation), und schließt mit der Überlegung, dass Zimmerer "sicherlich nur einer von vielen" sei. "Sie in Bausch und Bogen zu verwerfen wäre verkehrt. Nicht wenige haben inzwischen ihr Damaskus erlebt. Die späte, aber nie zu späte Einsicht in eigenes humanitäres Versagen hat sie vor der Versuchung einer öffentlichen Karriere bewahrt. Sie haben sich selbst damit viel Ärger und ihrem Lande eine Blamage erspart. Herrn Zimmerer ist diese Einsicht leider nicht zuteil geworden. Er hat seine Vergangenheit auf seine Weise bewältigt. Nicht ihm, aber der schönen und traditionsreichen Stadt Würzburg müssen wir darüber unser Bedauern aussprechen."
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19. Januar 1963, Fränkisches Volksblatt: Die Antwort Dr. Zimmerers
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