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WÜRZBURG
Zimmerer: Presseberichte von 1962 bis 1984 (4/52)
14. November 1962, Main-Post: Vom Oberbürgermeister abhängig
Foto: Main-Post-Archiv | 14. November 1962, Main-Post: Vom Oberbürgermeister abhängig
Redaktion
 |  aktualisiert: 07.04.2020 10:40 Uhr
14. November 1962, Main-Post:
 

Vom Oberbürgermeister abhängig

 

Sieben Mitglieder dieses Stadtrates stehen deshalb in einem beständigen Gewissenskonflikt, weil sie auf der einen Seite die Interessen der Wähler zu vertreten haben, auf der anderen Seite ist der Oberbürgermeister, also Herr Dr. Zimmerer, ihr Dienstvorgesetzter. Arbeitsgebiet, Dienststellung, Beförderung usw., eben das ganze berufliche Schicksal im Kleinen wie im Großen wird in erster Linie vom Oberbürgermeister bestimmt. Dessen Anweisungen sind zuweilen sehr hart und nicht immer verständlich, was man aus seiner jüngsten Verfügung über das Amt "Öffentlichkeitsarbeit" entnehmen kann. Also sieben Stadtratsmitglieder, das ist ein Sechstel des ganzen Stadtrats, sind dienstlich vom Oberbürgermeister abhängig.
 
Neun weiter müssen deshalb in einem Gewissenskonflikt geraten, weil sie größere oder kleinere Grundstücke von der Stadt oder aus Stiftungsvermögen zu Eigentum, in Erbpacht oder zur Pacht erhielten. Das war in keiner Ära vor Herrn Zimmerer der Fall! (Dem Stadtrat gehörten damals 42 Ratsmitglieder an, d. Red.)
 
Wir wollen nicht behaupten, dass es bei dem einen oder anderen nicht aus öffentlichem Interesse vertretbar wäre. Aber im Allgemeinen fühlt sich jeder, der etwas erhält, woran ein offensichtlicher Mangel besteht, irgendwie verpflichtet. Es wäre sogar denkbar, dass darüber hinaus ach bei den Stadträten, die zwar schon längere Zeit in einer Baugenossenschaft waren, die aber über diese Baugenossenschaft auch zu einem Grundstück aus Gemeineigentum gekommen sind, eine gewisse Befangenheit besteht. Wenn nun diese verständlicherweise Beeinflussten in vier Rathausfraktionen sitzen, wie es tatsächlich der Fall ist, besteht dann nicht die Gefahr, dass sie sich gegenseitig zum Schweigen verpflichtet fühlen? Oberbürgermeister und Referenten haben ja auch, was öffentliche Grundstücke anlangt, ihren Teil abbekommen.
 
Wir möchten, was die Abstimmungen im Stadtrat anlangt, keinem zu nahe treten. Aber wenn schon einer so bedacht wurde, kann er dann in dem mammutfall Rücker noch so ganz unbefangen, pflichtgemäß und verantwortungsvoll abstimmen, wie es jeder recht und billig Denkende erwartet? Wir fragen es ganz unvoreingenommen. Wenn er es getan hätte, wie könnte dann der Fall Rücker den Stadtrat passiert haben, selbst wenn wir vielen Stadträten zu Gute halten, dass sie nicht merkten, um was es ging?
 
Man weist uns ausdrücklich darauf hin: Der Stadtrat hat das Vermögen der Stadt und insbesondere das Stiftungsvermögen als Treuhänder der Bürger zu verwalten. Die Treuhand ist eine der wesentlichen Fundamente des deutschen Rechtslebens. Ein Treuhänder, wie es der Name sagt, muss das ihm Anvertraute mit "treuer Hand" verwalten und das bedeutet, dass er nichts tun darf, was dieser Hand die Treue nimmt. Er darf sich nie und nimmer mit dieser Hand am anvertrauten Gut vergreifen. Tat er das früher, so wurde ihm die ungetreue Hnd abgeschlagen. Und deswegen darf ein Stadtrat, Her Oberbürgermeister Dr. Zimmerer, ein Grundstück aus Stiftungs- oder städtischem Besitz nur dann erhalten, wenn es im Interesse der Treugeber liegt, und das sind wir, die Bürger der Stadt. Und er darf es nicht bekommen, wenn es nur im Interesse des Treuhänders, also des einzelnen Stadtratsmitgliedes gelegen ist, denn dann hat er gegen seine Treupflicht verstoßen.
 
In der jetzt gültigen Stiftungssatzung für das Bürgerspital zum Hl. Geist, die unter Oberbürgermeister Dr. Stadelmayer erlassen wurde, ist im Schlusssatz, als habe man das Kommende vorausgeahnt, bestimmt: "Die Stiftung, die seit 1319 besteht, soll für alle Zeiten erhalten und im Sinne der Stifter tätig bleiben. Entsprechende Grundstückspolitik, nicht Anhäufung von Geldkapital, soll den Bestand sichern."

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