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WÜRZBURG
Zimmerer: Presseberichte von 1962 bis 1984 (34/52)
Redaktion
 |  aktualisiert: 07.04.2020 10:40 Uhr
Ohne Datum:


Offener Brief

von Sprechern des Sozialdemokratischen Hochschulbundes (SHB), des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) und der Evangelischen Studentengemeinde (ESG)


Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Zimmerer!
 
Die Vorgänge am 6. Juni 1968 anlässlich der Demonstration zum Protest gegen jede Form von Gewalt sowie die irreführenden Darstellungen in Presse und Rundfunk veranlassen uns zu einem offenen Brief an Sie, dem wir einen kurzen Bericht der tatsächlichen Vorkommnisse voranstellen müssen:
 
Auf der Kundgebung zu Beginn des Zuges wurde von den Rednern festgestellt, dass sich die Teilnehmer der Demonstration aus den verschiedensten politischen Lagern zusammensetzten. Darunter fiel gewiss auch jene Teilnehmergruppe, die zwei rote Fahnen mit sich führte.
 
Vom Veranstalter des Schweigemarsches, Herrn Rebhan, wurde auf Befragen das Mitführen dieser Fahnen gestattet; nicht als kommunistisches Symbol, sondern als Zeichen des Widerstandes gegen die Unterdrückung von Minderheiten. Über diese Billigung unterrichtet Rebhan die Polizei, als diese sich am Theater der Fahnen bemächtigen wollte.
 
Der in völliger Ruhe und Ordnung marschierende Zug wurde am Dominikanerplatz plötzlich durch ein erneutes gewaltsames Eingreifen eines polizeilichen Rollkommandos überrascht: Die Polizei versuchte, sich in brutaler Weise der Fahnen zu bemächtigen. Dabei kam es zu Tätlichkeiten, in deren Verlauf vier Demonstranten, darunter ein Mädchen, verletzt und vier Studenten festgenommen wurden. In diesem Moment waren die Demonstranten gegen die Gewalt selbst von Gewalt betroffen.
 
Gemäß dem Prinzip der Gewaltlosigkeit forderten die Demonstranten anschließend vor dem Polizeipräsidium eine Begründung für den Gewaltakt der Polizei. Sie wurde von Herrn Salzborn, dem Einsatzleiter der Polizei, gegeben:
 
"Es muss Ihnen genügen, dass ich diesen Einsatz geleitet habe. Hätten Sie den Anweisungen der Polizei Folge geleistet, wäre nichts passiert. Im Übrigen rate ich Ihnen, sich mit mir gut zu stellen, da ich sicher auch den nächsten Einsatz gegen Sie leiten werde."
 
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister!
 
Eine solch zynische Äußerung wäre sicher nicht gefallen, wenn Sie nicht einer im besten Sinne demokratischen Auseinandersetzung ausgewichen wären!
 
1. Warum fliehen Sie die Diskussion?
 
2. Wie rechtfertigen Sie Ihren Einsatzbefehl für die Polizei, wenn

a.) die Teilnahme der Studentengruppen vor Beginn der Veranstaltung vereinbart war?
b.) sich die Demonstranten vor und nach dem ersten Polizeieinsatz diszipliniert verhielten?
c.) der Demonstrationsleiter der Polizei gegenüber beim ersten Einsatz offen erklärt, er billige das Mitführen von Plakaten und roten Fahnen?
d.) sich Studenten der verschiedensten politischen Richtungen und Passanten spontan gegen den Einsatz der Polizei wandten?
 
Wir erwarten Ihre Antwort!
 
Thomas Neiss (SHB)
Dieter Apitzsch
Friedrich Roller
Wolfgang Jahn (SDS)
R. S. Elkar (Delegierter ESG)
 
 
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