WÜRZBURG
Zimmerer: Presseberichte von 1962 bis 1984 (2/52)
20. Oktober 1962, Main-Post:
Seit Monaten gehen in der Stadt Würzburg Gerüchte um, dass Mitgliedern des Stadtrats Vorteile zugewendet worden seien, die sich nach Meinung der Allgemeinheit nicht verantworten lassen. Durch den Ausgang der Oberbürgermeisterwahl (Zimmerer trat ohne Gegenkandidaten an, die Wahlbeteiligung lag bei 39,8 Prozent, knapp 2000 Würzburger gaben eine ungültige Stimme ab, auf Zimmerer entfielen 96,3 Prozent. D. Red.) und einen Leserbrief des Stadtrats Otto Stein haben diese Gerüchte weiter Auftrieb erhalten. Wir haben lange gezögert, zu diesen Behauptungen Stellung zu nehmen, weil wir den Betroffenen Gelegenheit geben wollten, sich zu erklären. Da dies bis zum heutigen Tage nicht geschehen ist, fühlen wir die Verpflichtung, die Dinge offen auszusprechen. Im Mittelpunkt des Gesprächs steht die Person des Stadtrats Karl Rücker, von Beruf Elektromeister und Inhaber eines Elektro- und Installationsgeschäfts in der Juliuspromenade 54. Rücker war im Jahre 1946 Mitglied der SPD, wechselte dann zur Bayernpartei über, als deren Vertreter er im Juni 1948 in den Stadtrat einzog und Sprecher der dreiköpfigen Fraktion wurde. Bei der Stadtratswahl im April 1952 kandidierte Rücker dann für die CSU. Er wurde gewählt, ist seit über zehn Jahren Stadtrat dieser Partei und übernahm vor einigen Jahren das Amt des Fraktionsführers. Außerdem ist Rücker seit 1958 Mitglied des Bezirkstags.
Die Bürgerschaft ist darüber befremdet, dass Rücker als einzelnem Bürger, Stadtratsmitglied und Fraktionsvorsitzendem in der Sitzung des Plenums am 13. April 1960 ein nahezu 11.000 Quadratmeter großes Baugelände aus bürgerspitälischem Grundbesitz in der südlichen Sanderau im Erbbaurecht zugesprochen worden ist. Im Erbbaurecht wird bekanntlich ein Grundstück auf 99 Jahre zur Bebauung überlassen, so dass es in seiner wirtschaftlichen Auswirkung weitgehend dem Eigentum gleichgeachtet wird. Nicht nur, dass es sich hier in Anbetracht der Größe dieses Grundstücks um einen einmaligen Vorgang handelt, ist es verblüffend, da ihm dabei ein so günstiger Erbbauzins auf der Grundlage eines Verkaufswertes von 22 DM pro Quadratmeter, also 96,8 Pfennig pro Quadratmeter und Jahr, eingeräumt worden ist. Bereits zur Zeit der Abtretung wurden in der südlichen Sanderau Quadratmeterpreise von 50 DM und mehr geboten.
Fachleute erklären, dass Rücker auf diesem erwähnten Grundstück mit nur ganz geringfügigem, weit unter der üblichen Höhe liegenden Eigenkapitaleinsatz Wohnblocks, und war vier Gruppen mit insgesamt 13 Häusern und 104 Wohnungen, gebaut hat, die zur Zeit einen Wert von rund 3,5 bis 4 Millionen DM darstellen. Sie sprechen davon, dass mit den für den sozialen Wohnungsbau bereitgestellten öffentlichen Geldern Missbrauch getrieben wird, wenn man es einem privaten Bauherren mit nur geringfügigem Eigenkapital ermöglicht, ein großes Vermögen auf Kosten der Steuerzahlen zu erwerben. Das sei bei Rücker in besonders krasser Weise geschehen, da man ihm ein solch großes Baugelände aus öffentlichem Eigentum zum Bau dieses bedeutenden Projekts überlassen habe. Rücker habe in hohem Maße mit unechtem Eigenkapital bauen können, das aus dem Kapitalwert des eingeräumten Erbbaugrundstücks (240.000 DM), Mieterdarlehen und dem fiktiven Unternehmergewinn für selbst übernommene Bauleistungen bestehe.
Von fachmännischer Seite wird weiter angeführt, dass sich bei einem so großen Bauprojekt auch ein gewisser sofortiger Reinüberschuss für Rücker durch die im Finanzierungsplan eingesetzten und teilweise eingesparten Verwaltungs- Betriebs- und Instandsetzungskosten errechnet. Diese zusätzliche Rendite könne auf jährlich 20.000 bis 24.000 DM geschätzt werden. Außerdem habe Rücker noch steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten nach Paragraf 7b des Einkommensteuergesetzes für die nächsten zehn Jahre von insgesamt 47 Prozent des Bauwertes, was zumindest bedeutet, dass er für diese Zeit einkommens- und kirchensteuerfrei wird; nicht einmal Vermögenssteuer hat er zu bezahlen.
Man spricht davon, dass die Stadtverwaltung den Fraktionsvorsitzenden der CSU in jeder Weise begünstigt habe. Ende 1960 und im Frühjahr 1961 hätten sich sowohl private Bauwillige als auch kapitalkräftige Wohnungsbaugenossenschaften um städtischen Baugrund in der südlichen Sanderau bemüht. Ihre Angebote hätten sich zwischen 50 und 80 DM für den Quadratmeter bewegt. Ihre Ansuchen seien sowohl von Oberbürgermeister Dr. Helmuth Zimmerer als auch von Oberbaurat Heinrich Otte mit der Begründung abgewiesen worden, dass kein Bauland vorhanden und überdies der Bebauungsplan für dieses Gebiet noch nicht erstellt sei. Bekanntlich ist dieser Bebauungsplan erst vor wenigen Wochen im Plenum erörtert worden. Stadtrat Rücker hab auch ohne Bebauungsplan bauen können.
Wir haben versucht, die Hintergründe des Stadtratsbeschlusses vom 13. April 1960, durch den Rücker das erwähnte Erbbaugrundstück erhielt, zu beleuchten. Von uns befragte Stadträte äußerten zu seiner Vorgeschichte, dass die Vergabe dieses Grundstückes an Rücker im Ältestenrat und im Stiftungsausschuss vorberaten worden sein. Sie betonen, dass die im Ältestenrat vertretenen Fraktionsvorsitzenden ihre Mitglieder nicht oder zumindest nicht ausführlich von dieser beabsichtigten Vergabe unterrichtet hätten. Sie haben weiter zu erkennen gegeben, dass der umstrittene Verkauf von Vertretern der Verwaltung sowohl im Stiftungsausschuss als auch in der nichtöffentlichen Plenarsitzung nicht mit der gebotenen Klarheit vorgetragen worden sei. Sie stellen fest, dass es hinsichtlich der Quadratmeterzahl und des Quadratmeterpreises an präzisen Angaben gefehlt habe und sind der Meinung, damals regelrecht ,überfahren‘ worden zu sein.
Der Stiftungsreferent, Stadtrechtsrat Gottfried Schindler, bestreitet dies. Er erklärte uns auf Anfrage, dass zumindest im Stiftungsausschuss alle Einzelheiten vorgetragen und erläutert worden seien. Allerdings musste er einräumen, es sei durchaus möglich, dass er bei seinem Vortrag vor dem Plenum die Quadratmeterzahl des an Stadtrat Rücker zu vergebenden Grundstücks nicht genannt habe. Er wisse es heute nicht mehr genau. Die Erörterung von Einzelheiten aus dieser nichtöffentlichen Sitzung lehnte er mit dem Hinweis ab, als juristischer Beamter der Stadt zur Geheimhaltung verpflichtet zu sein.
Der Stiftungsreferent erklärte uns ausdrücklich, dass er auf dem Standpunkt stehe, Stiftungsgrundstücke müssten preislich wie private Grundstücke behandelt werden. Danach ist es verwunderlich, dass er sich nicht zur Wehr setzte, als man beim Rückerschen Grundstück anfänglich von einem Quadratmeterpreis von 18 DM ausging. Der Preisvorschlag soll von Dr. Zimmerer gekommen sein. Diesen geringen Preis hat die Regierung beanstandet. Nun ging man von einem Quadratmeterpreis von 22 DM aus und der Stiftungsreferent war offenbar damit zufrieden.
Sachkundige Bürger der Stadt fragen, ob es jetzt nicht Aufgabe des Stiftungsreferenten sein müsse, nach der Wertsicherungsklausel bei Erbbaurechtsverträgen einzuschreiten. Sie besagt, dass der Erbbauzins neu festgesetzt werden kann, wenn Erbbaugrundstücke in ihrem Verkehrswert um mehr als zehn Prozent steigen oder sinken. Das sei zumindest bei dem an Stadtrat Rücker abgetretenen Grundstück der Fall. Schließlich sei es ja die vornehmste Aufgabe des Stiftungsreferenten, den Wert des Stiftungsvermögens nicht nur zu erhalten, sondern auch anzuheben.
Bemerkenswert ist, dass in der besagten Sitzung des Stiftungsausschusses, die im Bürgerspital war, Oberbürgermeister Dr. Zimmerer entgegen aller sonstigen Gepflogenheiten im "Punkt Rücker" den Vorsitz geführt und danach die Sitzung verlassen hat. Dadurch ist der Eindruck erweckt worden, als habe er dies getan, um sich persönlich für die Vergabe an Rücker einzusetzen. Die nachträgliche Behauptung, dass er sich bei der Behandlung dieser Angelegenheit nur deshalb eingeschaltet habe, um auf die notwendigen Erschließungsmaßnahmen in diesem Baugebiet zu verweisen, ist wenig glaubwürdig.
In der Bevölkerung sagt man offen, wie erstaunt man über die gute Zusammenarbeit zwischen Dr. Zimmerer und Rücker sei. Bei der Oberbürgermeisterwahl 1956 standen Dr. Zimmerer und der jetzige bayerische Innenminister Alfons Goppel, als der Kandidat der CSU, zur Wahl. Wie sich aus Unterlagen ergibt, sei Rücker der schärfste Gegner Dr. Zimmerers gewesen. Rücker habe damals die CSU-Stadträtin Elisabeth Brückner "in die Wüste geschickt", weil sie offen für Dr. Zimmerer eingetreten sei. Wie sehr sich das Stadtoberhaupt jetzt schützend vor Rücker stelle, mache die Angelegenheit so suspekt. Es liege der Schluss nahe, dass sich Dr. Zimmerer durch sein Eintreten für Rücker seine Nominierung durch die CSU für seine zweite Oberbürgermeisterwahl gesichert habe.
Rücker führt zu seiner Verteidigung unter anderem an, dass sich Dr. Zimmerer in seiner Eigenschaft als damaliger Finanz- und Grundstücksreferent ebenso sein Grundstück gesichert habe, wie mancher Referent.“ Erbbaugrundstücke für private Zwecke hätten auch der Landtagsabgeordnete Reinhold Vöth (CSU) und die Stadträte Karl Hatzold (CSU) und Philipp Schleyer (SPD) und Oswald Nippert (Hospitant bei der CSU) erhalten.
Unsere Nachforschungen haben in der Tat zu diesem Ergebnis geführt. Als das Bürgerspital zum Heiligen Geist bei der Stadt Grundsteuerschulden hatte, verkaufte es ein über 10.000 Quadratmeter großes Baugrundstück im Hubland für etwa 3,50 DM pro Quadratmeter an die Stadt. Aus diesem nunmehr städtischen Bauland wurden in den Jahren 1954/55 Grundstücke zum Quadratmeterpreis von 5 DM, in den Jahren 1956/57 zum Quadratmeterpreis von 6,50 DM und später zu höheren Quadratmeterpreisen abgegeben. Auch Zimmerer und Schindler haben dort Grundstücke zum Preise von 5 DM erhalten.
Auf die Frage, nach welchen Gesichtspunkten man damals die Bewerber ausgesucht habe, erklärte man uns, die Liste der Bauwilligen sei den Stadtratsfraktionen vorgelegt worden, die sich vordringlich für die ihnen genehmen Bauwilligen ausgesprochen hätten.
Für Sauberkeit in der Stadtverwaltung Würzburg
Seit Monaten gehen in der Stadt Würzburg Gerüchte um, dass Mitgliedern des Stadtrats Vorteile zugewendet worden seien, die sich nach Meinung der Allgemeinheit nicht verantworten lassen. Durch den Ausgang der Oberbürgermeisterwahl (Zimmerer trat ohne Gegenkandidaten an, die Wahlbeteiligung lag bei 39,8 Prozent, knapp 2000 Würzburger gaben eine ungültige Stimme ab, auf Zimmerer entfielen 96,3 Prozent. D. Red.) und einen Leserbrief des Stadtrats Otto Stein haben diese Gerüchte weiter Auftrieb erhalten. Wir haben lange gezögert, zu diesen Behauptungen Stellung zu nehmen, weil wir den Betroffenen Gelegenheit geben wollten, sich zu erklären. Da dies bis zum heutigen Tage nicht geschehen ist, fühlen wir die Verpflichtung, die Dinge offen auszusprechen. Im Mittelpunkt des Gesprächs steht die Person des Stadtrats Karl Rücker, von Beruf Elektromeister und Inhaber eines Elektro- und Installationsgeschäfts in der Juliuspromenade 54. Rücker war im Jahre 1946 Mitglied der SPD, wechselte dann zur Bayernpartei über, als deren Vertreter er im Juni 1948 in den Stadtrat einzog und Sprecher der dreiköpfigen Fraktion wurde. Bei der Stadtratswahl im April 1952 kandidierte Rücker dann für die CSU. Er wurde gewählt, ist seit über zehn Jahren Stadtrat dieser Partei und übernahm vor einigen Jahren das Amt des Fraktionsführers. Außerdem ist Rücker seit 1958 Mitglied des Bezirkstags.
Die Bürgerschaft ist darüber befremdet, dass Rücker als einzelnem Bürger, Stadtratsmitglied und Fraktionsvorsitzendem in der Sitzung des Plenums am 13. April 1960 ein nahezu 11.000 Quadratmeter großes Baugelände aus bürgerspitälischem Grundbesitz in der südlichen Sanderau im Erbbaurecht zugesprochen worden ist. Im Erbbaurecht wird bekanntlich ein Grundstück auf 99 Jahre zur Bebauung überlassen, so dass es in seiner wirtschaftlichen Auswirkung weitgehend dem Eigentum gleichgeachtet wird. Nicht nur, dass es sich hier in Anbetracht der Größe dieses Grundstücks um einen einmaligen Vorgang handelt, ist es verblüffend, da ihm dabei ein so günstiger Erbbauzins auf der Grundlage eines Verkaufswertes von 22 DM pro Quadratmeter, also 96,8 Pfennig pro Quadratmeter und Jahr, eingeräumt worden ist. Bereits zur Zeit der Abtretung wurden in der südlichen Sanderau Quadratmeterpreise von 50 DM und mehr geboten.
- Die Skandale des Dr. Zimmerer
- Kommentar: Keine Straße für Helmuth Zimmerer
- Dokumentation: Zimmerers Doktorarbeit
Fachleute erklären, dass Rücker auf diesem erwähnten Grundstück mit nur ganz geringfügigem, weit unter der üblichen Höhe liegenden Eigenkapitaleinsatz Wohnblocks, und war vier Gruppen mit insgesamt 13 Häusern und 104 Wohnungen, gebaut hat, die zur Zeit einen Wert von rund 3,5 bis 4 Millionen DM darstellen. Sie sprechen davon, dass mit den für den sozialen Wohnungsbau bereitgestellten öffentlichen Geldern Missbrauch getrieben wird, wenn man es einem privaten Bauherren mit nur geringfügigem Eigenkapital ermöglicht, ein großes Vermögen auf Kosten der Steuerzahlen zu erwerben. Das sei bei Rücker in besonders krasser Weise geschehen, da man ihm ein solch großes Baugelände aus öffentlichem Eigentum zum Bau dieses bedeutenden Projekts überlassen habe. Rücker habe in hohem Maße mit unechtem Eigenkapital bauen können, das aus dem Kapitalwert des eingeräumten Erbbaugrundstücks (240.000 DM), Mieterdarlehen und dem fiktiven Unternehmergewinn für selbst übernommene Bauleistungen bestehe.
Von fachmännischer Seite wird weiter angeführt, dass sich bei einem so großen Bauprojekt auch ein gewisser sofortiger Reinüberschuss für Rücker durch die im Finanzierungsplan eingesetzten und teilweise eingesparten Verwaltungs- Betriebs- und Instandsetzungskosten errechnet. Diese zusätzliche Rendite könne auf jährlich 20.000 bis 24.000 DM geschätzt werden. Außerdem habe Rücker noch steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten nach Paragraf 7b des Einkommensteuergesetzes für die nächsten zehn Jahre von insgesamt 47 Prozent des Bauwertes, was zumindest bedeutet, dass er für diese Zeit einkommens- und kirchensteuerfrei wird; nicht einmal Vermögenssteuer hat er zu bezahlen.
Man spricht davon, dass die Stadtverwaltung den Fraktionsvorsitzenden der CSU in jeder Weise begünstigt habe. Ende 1960 und im Frühjahr 1961 hätten sich sowohl private Bauwillige als auch kapitalkräftige Wohnungsbaugenossenschaften um städtischen Baugrund in der südlichen Sanderau bemüht. Ihre Angebote hätten sich zwischen 50 und 80 DM für den Quadratmeter bewegt. Ihre Ansuchen seien sowohl von Oberbürgermeister Dr. Helmuth Zimmerer als auch von Oberbaurat Heinrich Otte mit der Begründung abgewiesen worden, dass kein Bauland vorhanden und überdies der Bebauungsplan für dieses Gebiet noch nicht erstellt sei. Bekanntlich ist dieser Bebauungsplan erst vor wenigen Wochen im Plenum erörtert worden. Stadtrat Rücker hab auch ohne Bebauungsplan bauen können.
Wir haben versucht, die Hintergründe des Stadtratsbeschlusses vom 13. April 1960, durch den Rücker das erwähnte Erbbaugrundstück erhielt, zu beleuchten. Von uns befragte Stadträte äußerten zu seiner Vorgeschichte, dass die Vergabe dieses Grundstückes an Rücker im Ältestenrat und im Stiftungsausschuss vorberaten worden sein. Sie betonen, dass die im Ältestenrat vertretenen Fraktionsvorsitzenden ihre Mitglieder nicht oder zumindest nicht ausführlich von dieser beabsichtigten Vergabe unterrichtet hätten. Sie haben weiter zu erkennen gegeben, dass der umstrittene Verkauf von Vertretern der Verwaltung sowohl im Stiftungsausschuss als auch in der nichtöffentlichen Plenarsitzung nicht mit der gebotenen Klarheit vorgetragen worden sei. Sie stellen fest, dass es hinsichtlich der Quadratmeterzahl und des Quadratmeterpreises an präzisen Angaben gefehlt habe und sind der Meinung, damals regelrecht ,überfahren‘ worden zu sein.
Der Stiftungsreferent, Stadtrechtsrat Gottfried Schindler, bestreitet dies. Er erklärte uns auf Anfrage, dass zumindest im Stiftungsausschuss alle Einzelheiten vorgetragen und erläutert worden seien. Allerdings musste er einräumen, es sei durchaus möglich, dass er bei seinem Vortrag vor dem Plenum die Quadratmeterzahl des an Stadtrat Rücker zu vergebenden Grundstücks nicht genannt habe. Er wisse es heute nicht mehr genau. Die Erörterung von Einzelheiten aus dieser nichtöffentlichen Sitzung lehnte er mit dem Hinweis ab, als juristischer Beamter der Stadt zur Geheimhaltung verpflichtet zu sein.
Der Stiftungsreferent erklärte uns ausdrücklich, dass er auf dem Standpunkt stehe, Stiftungsgrundstücke müssten preislich wie private Grundstücke behandelt werden. Danach ist es verwunderlich, dass er sich nicht zur Wehr setzte, als man beim Rückerschen Grundstück anfänglich von einem Quadratmeterpreis von 18 DM ausging. Der Preisvorschlag soll von Dr. Zimmerer gekommen sein. Diesen geringen Preis hat die Regierung beanstandet. Nun ging man von einem Quadratmeterpreis von 22 DM aus und der Stiftungsreferent war offenbar damit zufrieden.
Sachkundige Bürger der Stadt fragen, ob es jetzt nicht Aufgabe des Stiftungsreferenten sein müsse, nach der Wertsicherungsklausel bei Erbbaurechtsverträgen einzuschreiten. Sie besagt, dass der Erbbauzins neu festgesetzt werden kann, wenn Erbbaugrundstücke in ihrem Verkehrswert um mehr als zehn Prozent steigen oder sinken. Das sei zumindest bei dem an Stadtrat Rücker abgetretenen Grundstück der Fall. Schließlich sei es ja die vornehmste Aufgabe des Stiftungsreferenten, den Wert des Stiftungsvermögens nicht nur zu erhalten, sondern auch anzuheben.
Bemerkenswert ist, dass in der besagten Sitzung des Stiftungsausschusses, die im Bürgerspital war, Oberbürgermeister Dr. Zimmerer entgegen aller sonstigen Gepflogenheiten im "Punkt Rücker" den Vorsitz geführt und danach die Sitzung verlassen hat. Dadurch ist der Eindruck erweckt worden, als habe er dies getan, um sich persönlich für die Vergabe an Rücker einzusetzen. Die nachträgliche Behauptung, dass er sich bei der Behandlung dieser Angelegenheit nur deshalb eingeschaltet habe, um auf die notwendigen Erschließungsmaßnahmen in diesem Baugebiet zu verweisen, ist wenig glaubwürdig.
In der Bevölkerung sagt man offen, wie erstaunt man über die gute Zusammenarbeit zwischen Dr. Zimmerer und Rücker sei. Bei der Oberbürgermeisterwahl 1956 standen Dr. Zimmerer und der jetzige bayerische Innenminister Alfons Goppel, als der Kandidat der CSU, zur Wahl. Wie sich aus Unterlagen ergibt, sei Rücker der schärfste Gegner Dr. Zimmerers gewesen. Rücker habe damals die CSU-Stadträtin Elisabeth Brückner "in die Wüste geschickt", weil sie offen für Dr. Zimmerer eingetreten sei. Wie sehr sich das Stadtoberhaupt jetzt schützend vor Rücker stelle, mache die Angelegenheit so suspekt. Es liege der Schluss nahe, dass sich Dr. Zimmerer durch sein Eintreten für Rücker seine Nominierung durch die CSU für seine zweite Oberbürgermeisterwahl gesichert habe.
Rücker führt zu seiner Verteidigung unter anderem an, dass sich Dr. Zimmerer in seiner Eigenschaft als damaliger Finanz- und Grundstücksreferent ebenso sein Grundstück gesichert habe, wie mancher Referent.“ Erbbaugrundstücke für private Zwecke hätten auch der Landtagsabgeordnete Reinhold Vöth (CSU) und die Stadträte Karl Hatzold (CSU) und Philipp Schleyer (SPD) und Oswald Nippert (Hospitant bei der CSU) erhalten.
Unsere Nachforschungen haben in der Tat zu diesem Ergebnis geführt. Als das Bürgerspital zum Heiligen Geist bei der Stadt Grundsteuerschulden hatte, verkaufte es ein über 10.000 Quadratmeter großes Baugrundstück im Hubland für etwa 3,50 DM pro Quadratmeter an die Stadt. Aus diesem nunmehr städtischen Bauland wurden in den Jahren 1954/55 Grundstücke zum Quadratmeterpreis von 5 DM, in den Jahren 1956/57 zum Quadratmeterpreis von 6,50 DM und später zu höheren Quadratmeterpreisen abgegeben. Auch Zimmerer und Schindler haben dort Grundstücke zum Preise von 5 DM erhalten.
Auf die Frage, nach welchen Gesichtspunkten man damals die Bewerber ausgesucht habe, erklärte man uns, die Liste der Bauwilligen sei den Stadtratsfraktionen vorgelegt worden, die sich vordringlich für die ihnen genehmen Bauwilligen ausgesprochen hätten.
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