
Ein bisschen Normalität haben. Das ist der größte Wunsch der Familie Spiegel. Momentan genießen die Eltern und ihre zwei Söhne Leo und Toni einen einwöchigen Urlaub in Italien am Meer. "Es tut so gut, dass uns keiner kennt und niemand von der Krankheit weiß. Einfach mal abschalten", beschreibt Mama Nadine Spiegel ihr Gefühl des Loslassens.
Vor allem freue sie es, wie sehr ihre Söhne aufblühten. Der Siebenjährige habe hier ganz schnell das Schwimmen gelernt und der kleinere, Leo, genieße die Zeit im Wasser und am Meer. "Und das, obwohl er nach seiner Stammzellentransplantation große Angst vor Wasser und Baden entwickelt hatte", so Spiegel.
Schon seit vergangenem September begleitet die Redaktion das Schicksal des kleinen Leo aus Untereisenheim. Leo ist an Leukämie erkrankt und bekam im Dezember 2023 in der Kinderklinik des Universitätsklinikums Würzburg eine Stammzellentransplantation. Was sich zuerst gut anhörte und große Hoffnung nährte, ist leider fehlgeschlagen, erklärt seine Mama nun wenige Monate nachdem klar ist, dass Leos Körper die Stammzellen abgestoßen hat. "Woran es genau liegt, lässt sich nicht hundertprozentig sagen, aber seine eigenen Zellen vermehren sich weiter", so die zweifache Mutter aus dem Landkreis traurig.
Würzburger Ärztin: Abstoßung der Stammzellen nichts Ungewöhnliches
Wie die in der Kinderklinik behandelnde Oberärztin Prof Dr. med. Verena Wiegering beschreibt, sei eine Abstoßung bei einer Stammzellenspende leider nichts Ungewöhnliches, beispielsweise kleinste Virus-Infektionen könnten den Körper bereits beeinflussen. "Im Fall von Leo sah es es zunächst so aus, als würde der Körper die fremden Zellen annehmen, aber im März war dann klar, dass es nicht funktioniert hat."

Momentan, erklärt die Oberärztin, sei das Verhältnis eigener Zellen zu fremder Zellen ungefähr bei 60:40. "Die fremden Zellen werden von den körpereigenen nun mehr und mehr verdrängt." Waren Leos Blutuntersuchungen zunächst noch gut, zeigten sich seit wenigen Wochen erneut Zellveränderungen, so Wiegering. Es sei zu befürchten, dass die Leukämie zurückkehre.
Es ist ein trauriger Rückschlag für die Familie, die seit 2020 weiß, dass ihr Kind schwer krank ist. Nach vielen Therapien, Krankenhausaufenthalten und verschiedenen Medikamenten in den vergangenen Jahren war im Oktober 2023 endlich ein passender Spender gefunden. Die Freude und die Hoffnung bei Leos Eltern, dass sich alles zum Guten wenden sollte, war groß. Anfang Dezember folgte die Transplantation. Über den sogenannten "Hickman-Katheter" bekam der damals noch Vierjährige via einer Infusion in die Vene die Blutstammzellen transferiert, beschreibt die Mutter.
Die Hoffnung war bis zuletzt, dass Werte des kleinen Leo gut bleiben
Wieder musste Leo einen längeren Aufenthalt im Krankenhaus über sich ergehen lassen, zum Teil auf einer isolierten Station. Denn in Vorbereitung auf die Transplantation, hatte der nun Fünfjährige eine hoch dosierte Chemotherapie verabreicht bekommen, um sein gesamtes Knochenmark und die erkrankten Zellen zu zerstören.
"Meine Hoffnung war bis zuletzt, dass seine Werte auch nach der Abstoßung gut bleiben", so Nadine Spiegel, die für ihr Kind immer wieder Löwenkräfte mobilisiert und über sich hinauswächst. Nun befürchtet sie, dass es wieder von vorne losgehen wird: "Als wir vor zwei Wochen von der Klinik angerufen wurden, dass Leo zur Knochenmarkspunktion kommen soll, war das schon ein Schock."
Doch die 45-Jährige will sich nicht unterkriegen lassen. "Die Ärztin habe ich gebeten, uns im Urlaub nur zu kontaktieren, wenn es wirklich nötig ist. Wir brauchen den Abstand, um Kraft zu tanken." Ein Notköfferchen für einen eventuellen Krankenhausaufenthalt sei immer gepackt, "das Urlaubsziel so gewählt, dass der Weg in ein deutsches Krankenhaus nicht zu weit ist".
Der Krebs schläft gerade - so erklärt die Mama dem Kleinen seine Krankheit
Bei all dem, stellt sich die Frage, ob der kleine Leo spürt, dass die Krankheit wieder auf dem Vormarsch ist? "Im Moment ist er einfach ein ganz normales Kind und glücklich, am Meer spielen zu können." Sie habe ihm aber zuvor erklärt, dass der Krebs gerade schlafe und "es irgendwann sein könne, dass er wieder aufwacht". Sie sei stolz auf ihr Kind, "mit wieviel Kraft und Mut er das Ganze meistert". Vor der Transplantation habe er oft gesagt, dass Pokémon den Krebs besiegen wird.
Dies sei auch weiter das Bestreben, "weiterzukämpfen und die Krankheit zu besiegen", sagt Oberärztin Wiegering. Deshalb plane man in der Klinik bereits, welches Medikament als nächstes eingesetzt wird. Eines mit weniger Nebenwirkungen als zuvor, so der Wunsch. Wenn die Leukämie sich nicht medikamentös in den Griff bekommen lasse, könnte auch eine zweite Stammzellenspende notwendig werden. "Unser Ziel ist es, dass Leo geheilt wird. Auch wenn der Weg dahin nicht der direkte sein soll", so Wiegering.