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WÜRZBURG
Zentrale Gedenkstätte für deportierte Juden
Joachim Fildhaut
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:27 Uhr

Ein dezentrales Denkmal entsteht. Ein neues, unterfrankenweites Erinnern an die Deportation der hiesigen Juden durch Nationalsozialisten nimmt derzeit in Würzburg feste äußere Form an. Am Dienstagmittag übergab ein Zug von 300 Menschen die neuen Stationen am „Weg der Erinnerung“ der Öffentlichkeit.

Der Weg zum Güterbahnhof

Der Weg führt vom Friedrich-Ebert-Ring im Würzburger Stadtteil Unteres Frauenland am Ringpark entlang über die Schweinfurter Straße zu einer gepflasterten Sackgasse gleich hinter der Eisenbahnbrücke. Am Beginn der Strecke, das heißt damals im Gasthof Platzscher Garten, sammelten die Holocaust-Verwalter 1941 und 1942 Juden zur „Umsiedlung“ und trieben sie dann zum damaligen Güterbahnhof in der Aumühle.

Von der Verladestation existiert heute noch die Zugangsrampe, eben das erwähnte Stückchen Pflasterstraße ziemlich abgelegen über dem Real-Markt-Parkplatz. Hier soll in den nächsten Jahren ein ungewöhnliches Denkmal Gestalt annehmen.

109 Gemeinden in Franken

Und nicht nur hier. Die Gedenkstätte soll sich in alle 109 unterfränkische Gemeinden ausbreiten, in denen zu Beginn der NSDAP-Herrschaft noch Juden lebten.

So ist streng genommen von drei Denkmalteilen die Rede: von der Deportationsstrecke; diese erhielt am Dienstag offiziell ihre vier Gedenkstellen mit Infotafeln. Zweitens von der großen künftigen Skulptur an der Rampe des früheren Güterbahnhofs: Deren Plan wurde am Dienstag der Öffentlichkeit vorgestellt. Und drittens von deren Auslegern in die beteiligten nordbayerischen Gemeinden hinein: Hier wird es noch spannend.

Gepäckstücke aus den Kommunen als Erinnerungsstücke

Bevor sie den „Weg der Erinnerung“ mit abschritten, waren die mainfränkischen Bürgermeister in das jüdische Gemeindezentrum Shalom Europa eingeladen, wo ihnen Stadträtin Benita Stolz von der Stolperstein-Initiative das Gesamtprojekt vorstellte.


Die „Grundidee“, so Stolz, entwickelte der Architekt Matthias Braun. Möglichst jede der 109 Kommunen soll ein „Gepäckstück“ zu dem „DenkOrt Aumühle“ beitragen, und zwar ein Gepäckstück der Art, wie die Deportierten es bei ihrer Fahrt in den Tod bei sich hatten: Koffer, Rucksack oder Deckenbündel. Eine gleiche Gepäck-Skulptur soll in der Heimatgemeinde öffentlich aufgestellt werden, so dass sich das gesamte Denkmal wie ein Netz über den Regierungsbezirk ausbreitet. Die Gepäckstücke sollen wetterfest und in ähnlichen Maßen von Künstlern, Schulklassen oder anderen Engagierten gefertigt werden. Ein Schild weist auf die Herkunftsgemeinde hin, ein QR-Code führt zu vertiefenden Informationen.

Großes Interesse

Mit rund 100 Teilnehmern – wenn auch nicht ausschließlich Bürgermeistern – war die Informationsveranstaltung sehr gut besucht. Benita Stolz war sicher: „Ihr Interesse gibt uns Zuversicht für die Verwirklichung.“

Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt erinnerte daran, dass Unterfranken die Region mit der dichtesten Konzentration jüdischer Gemeinden in Deutschland gewesen war: „Die haben diese Region geprägt.“ Allerdings gehe es bei dem „DenkOrt Aumühle“ nicht um die Vergangenheit, „sondern um die Ausstrahlung in die Gesellschaft hinein“.

Das darf nicht mehr passieren

Das war auch für den Würzburger Arzt Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, „nie so klar wie am Tag zwei nach dieser Bundestagswahl“. Denkmale dieser Art sollten „sicherstellen, dass so etwas nie wieder passieren kann“.

„Jüdisches Leben ist Teil unserer unterfränkischen Geschichte und Kultur“, knüpfte Thomas Habermann, Sprecher der unterfränkischen Landräte an Schuchardt an. In Gedanken an die Koffer-Ausstellung des Konzentrationslagers Auschwitz sagte Habermann über die Denkmalspläne: „Man muss diesen Weg zu Ende gehen bis in die Vernichtungslager.“

Schüler machten sich auf den Weg der Erinnerung

Schüler aus Aschaffenburg, Karlstadt und Würzburg machten sich am Dienstag auf den „Weg der Erinnerung“ zur Aumühle. Den markieren jetzt Pulte aus Cortenstahl – große Fotos von der Deportation und kurze schriftliche Erklärungen dazu. Ihr Gestalter, der Benediktinerpater Meinrad Dufner, erklärte seine Formgebung – als „verlorene Steine“ in Erinnerung an die Steine, die Juden auf die Gräber ihrer Toten legen.

Der Würzburger Helmut Försch, wesentlicher Initiator der Stolpersteine und des Erinnerungswegs, will „daran erinnern, wozu Menschen fähig sind und wie leicht es Demagogen haben“. Auch dies am Tag zwei nach der Bundestagswahl.

DenkOrt Aumühle

Der Platz des künftigen Denkmals für die Deportation der unterfränkischen Juden ist städtischer Würzburger Grund. Die kleine Sackgasse führt direkt hinter der Bahnbrücke stadtauswärts von der Schweinfurter Straße ab. Außer dem Boden stellte die Kommune 50 000 Euro zur Verfügung und trägt künftig den Unterhalt der Skulptur. Ebenfalls aufgrund einer einstimmigen Entscheidung des Würzburger Stadtrats bezuschusst die Stadt drei Jahre lang eine Stelle zur Projektleitung. Träger sind des Weiteren die Initiative „Wir wollen uns erinnern“, die aus dem Engagement für Stolpersteine hervorging, die Israelitische Kultusgemeinde, die Regierung von Unterfranken, mehrere Heimatpfleger, das Bündnis für Zivilcourage und die Jugendbildungsstätte Unterfranken.
Der Würzburger Helmut Försch, wesentlicher Initiator der Stolpersteine und des Erinnerungswegs, will „daran erinnern, wozu Menschen fähig sind und wie leicht es Demagogen haben“.
Foto: Johannes Kiefer | Der Würzburger Helmut Försch, wesentlicher Initiator der Stolpersteine und des Erinnerungswegs, will „daran erinnern, wozu Menschen fähig sind und wie leicht es Demagogen haben“.
 
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