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Würzburg
Würzburger Verdächtiger war ein beliebter Therapeut und Trainer
Der Logopäde, der wegen des Verdachts der Kinderpornografie in U-Haft sitzt, hatte nicht nur in seiner Praxis, sondern auch als Übungsleiter ständig Kontakt zu Kindern.
Beide Praxen des beschuldigten Logopäden sind derzeit geschlossen.
Foto: Lucas Kesselhut | Beide Praxen des beschuldigten Logopäden sind derzeit geschlossen.
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 27.04.2023 08:02 Uhr

An der Tür hängt ein Schild “Praxis vorübergehend geschlossen“. In dem Würzburger Mietshaus, in dem sich eine Praxis des Logopäden befindet, der nun wegen des Verdachts des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern im Gefängnis sitzt, gibt es kein anderes Thema mehr, seit am Mittwochabend die Polizei in die Praxisräume eindrang und auch dort Beweismaterial sicherte.

"Gefühlschaos zwischen Wut und Trauer"

Von der Durchsuchung in der Nacht habe nur eine Frau etwas bemerkt. "Wir wunderten uns erst am nächsten Tag über die Polizeibeamten im Treppenhaus und die Journalisten vor dem Haus", sagt ein Bewohner. Im Haus selbst herrsche Fassungslosigkeit und Entsetzen. Niemand habe dem Chef der Praxis auch nur annähernd zugetraut, was jetzt im Raum stehe. Lange habe man geglaubt, es handele sich womöglich nur um ein Missverständnis.

Viele der jungen Familien in dem Haus haben selbst Kinder, umso tiefer sitzt der Schock. Es sei ein Gefühlschaos zwischen Wut und Trauer, so ein Bewohner. Ihm sei nur aufgefallen, dass der 37-Jährige oft spät am Abend noch einmal in die Praxis kam. Erst kürzlich habe er Räume im Hinterhof dazugemietet, deren Fenster verspiegelt wurden. Dies könne aber auch zum Schutz der dort behandelten Patienten vor neugierigen Blicken gemacht worden sein, so eine Mutter, die mit ihrem Sohn hierher zur Therapie kam. 

Bange Fragen der Eltern

Fassungslosigkeit und großes Entsetzen herrscht auch unter den Eltern, die mit ihren Kindern bei dem Verdächtigen in Behandlung waren. „Das kann nicht wahr sein“, sagt eine Mutter, „ich hoffe immer noch, dass das nur ein böser Traum ist, aus dem ich bald erwache.“ Sie habe ihren behinderten Sohn auch mal allein mit dem Logopäden gelassen, um die Therapiestunde für Besorgungen zu nutzen. "Als Mutter eines chronisch kranken und behinderten Kindes muss ich doch den Pflegekräften und Therapeuten absolut vertrauen können", sagt sie. Da ihr Sohn bis zuletzt immer freudestrahlend zur Therapie gegangen sei, die beiden immer viel gelacht hätten, gehe sie aber davon aus, dass in der Praxis nichts passiert sei. Schließlich arbeiteten dort mehrere Therapeuten, die auch mal kurz in das Behandlungszimmer gekommen seien, etwas zu holen oder abzusprechen.  So sei der Chef selten unbeobachtet gewesen. Eine junge Mutter, die ihre Tochter zur Logopädie anmelden wollte, sagt, sie sei dennoch heilfroh, es nicht getan zu haben.

Der beschuldigte Logopäde hat zwei Praxen in Würzburger Stadtteilen. Zudem war er als Berater für verschiedene Kindertageseinrichtungen tätig. Es sei sehr schwer gewesen, bei dem engagierten Therapeuten noch Termine zu bekommen, heißt es. 

Turnstunden bei der DJK Würzburg

In seiner Freizeit gab der Mann Kindern bei der DJK Würzburg Turnstunden. Die Vereinsverantwortlichen sind entsetzt. "Dieser Verdacht macht uns sprachlos. Wir stehen unter Schock," sagt Sonja Buchberger. Der Vorsitzenden des Sportbunds DJK Würzburg, hängt die Nachricht, dass ein bei Kindern und Eltern gleichermaßen beliebter Übungsleiter in Untersuchungshaft sitzt, weil er kleine Buben für die Produktion von Kinderpornografie missbraucht haben soll, auch am Tag danach noch spürbar in den Knochen.

Am Donnerstag hatten Staatsanwaltschaft und Polizei auch die Geschäftsstelle des 1800 Mitglieder starken Vereins im Stadtteil Zellerau durchsucht und dabei Geschäftsführerin Jutta Bouschen und ihre  Mitarbeiter mit dem schrecklichen Verdacht konfrontiert. "Wir arbeiten intensiv mit der Polizei zusammen, um die Ermittlungen mit allem, was wir dazu beitragen können, zu unterstützen", sagt Buchberger. Details dürfen die DJK-Verantwortlichen "aus ermittlungstaktischen Gründen" nicht sagen. Sie betonen lediglich, es stehe aktuell überhaupt nicht fest, ob Kinder, die an den Turnstunden des Vereins teilnahmen, von den Vorwürfen betroffen sind. Alle Eltern wurden in einem ersten Schritt per Mail informiert, nächste Woche soll es weitere Informationen geben. 

Tatverdächtiger hatte Kontakt zu mehreren Hundert Kindern

Unterdessen nahm die DJK die Übungsstunden, die der Mann jeden Donnerstag und Freitag angeboten hatte, umgehend aus dem Programm. Es handelt sich dabei um zwei Kurse "integratives Kinderturnen" für Mädchen und Jungen im Alter von drei bis fünf Jahren sowie um vier "Kurse für Präventive Psychomotorik" für Kinder von drei bis sieben. Insgesamt besuchten zuletzt über 80 Mädchen und Jungen die Übungsstunden des Verdächtigen. Der 37-Jährige bot die Kurse seit Herbst 2008 an, er hatte also über die Jahre hinweg Kontakt zu mehreren Hundert Kindern im Verein.

Die Turnstunden des Mannes waren sehr beliebt. Die DJK bestätigt, dass es lange  Wartelisten gab. Vor allem das inklusive Konzept lockte viele Eltern. An den Übungen nahmen auch Kinder mit körperlicher Beeinträchtigung, geistiger Behinderung und Verhaltensauffälligkeiten teil. Der 37-Jährige wurde für dieses Engagement mehrfach ausgezeichnet, auch bei der Aktion "Zeichen setzen", mit der die Main-Post einmal im Jahr ehrenamtliches Engagement in der Region auszeichnet, wurde er mit einem Preis für sein "integratives Kinderturnen" geehrt.

"Erweitertes Führungszeugnis" hatte keinen Eintrag 

Der Verdächtige hatte bei der DJK ein "erweitertes Führungszeugnis" vorgelegt, das seine  Unbescholtenheit belegen sollte. Einen Eintrag gab es dort nicht. Der Bayerische Landessportverband (BLSV) empfiehlt Sportvereinen, sich von Personen, die Kinder und Jugendliche trainieren und betreuen, so ein Zeugnis zeigen zu lassen. 

Erweitertes Führungszeugnis
Zusätzlich zum "polizeiliches Führungszeugnis" enthält ein "erweitertes Führungszeugnis" auch "geringfügige Verurteilungen, Verurteilungen, die wegen Fristablauf nicht mehr im ,normalen' Führungszeugnis aufgeführt sind, und verurteilte Sexualstraftaten". Gesetzlich verpflichtet zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnis sind lediglich hauptamtliche Übungsleiter. Im Umgang mit Ehrenamtlichen sind sie freiwillig.
Ein Papier reiche sicherlich nicht aus, "um einen sicheren Schutz vor sexuellen Übergriffen durch Erwachsene zu gewährleisten", heißt es in einer "Handlungsempfehlung" des BLSV für Sportvereine. Das "erweiterte Führungszeugnis" schärfe aber das Bewusstsein bei Trainern und anderen Vereinsvertretern, "dass sie eine äußerst verantwortungsvolle Aufgabe in Bezug auf den Schutz und die Sicherheit der ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen haben".
Kurze Stichproben bei Sportvereinen in der Region ergeben kein einheitliches Bild. In manchen Vereinen ist das Einholen des Führungszeugnisses längst Routine. In vielen Clubs aber scheuen die Verantwortlichen die Konfrontation ihrer Übungsleiter mit der Forderung nach dem Zeugnis. Bei der DJK Würzburg ist das anders. Laut Geschäftsführerin Bouschen müssen alle Übungsleiter, die im Kinder- und Jugendbereich arbeiten, ein solches Dokument beibringen. "Läge ein Eintrag vor, würden wir diese Leute nicht einsetzen." (micz)
 
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Kommentare
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  • Barbara
    dieser Mensch ist sowas von pervers, man liest jetzt sehr viel wo er alles "gewirkt" hat, wie beliebt er war....hoffentlich schreibt man auch mal was er für eine Strafe für diese Taten bekommt....solche Menschen gehören vor Kindern komplett weg gesperrt
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  • rid.cully
    Ist mir zu einfach. Als Vater 3 Kinder hatte ich klar erstmal den gleichen Reflex. Aber eben auch als Vater: der Mann war in seinem Job offensichtlich sehr gut und hat wohl sehr vielen Kindern auch geholfen. Hm. Wenn ich genau das bräuchte, würde ich den Mann trotzdem einsetzen, wenn auch mit Argusaugen und entsprechendem Setting. Die Kenntnislage ist ja auch noch recht dünn, und ich kann mir bei den ganzen Aktivitäten nicht vorstellen, dass da nichts durchgesickert wäre, wenn er da öfter schändlich agiert hätte. Im Gegensatz zu Odenwaldschule etc. war das ja ein eher offener "Raum". Wir gewähren Mördern, Totschlägern und übelsten Verbrechern immer auch den Schutz des Rechts und hinterfragen zu ihren Gunsten die Gründe ihres Tuns - und so sehr es mir gerade bei solchen Fällen widerstrebt, auch das Handeln und die Schwäche dieser Menschen hat Ursachen. Enttäuschend ist das Schweigen der LTBG-Gemeinschaft - die Regenbogenfahne auf halbmast wäre ein Zeichen des Respekts für die Opfer.
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