Durch gute Dämmung thermische Energie einsparen: Vor 22 Jahren gründete der aus dem Odenwald stammende Wahl-Würzburger Joachim Kuhn gemeinsam mit einem ehemaligen Kommilitonen die Firma va-Q-tec aus der wissenschaftlichen Forschung heraus. Der Anfang war steinig, dann kam der Aufstieg für den promovierten Physiker, 2016 sogar der Gang an die Börse. Der international große Durchbruch kam durch Corona, seitdem sind die Kühlboxen von va-Q-tec weltweit unterwegs und transportieren zum Beispiel temperaturempfindliche Impfstoffe. Vor Kurzem dann die überraschende Übergabe eines Großteils der Firma an den schwedischen Investor EQT. Wie die Transformation vonstatten geht, was es mit va-Q-tec 2.0 auf sich hat, was der Food-Markt für Möglichkeiten bietet und warum Kultur und Industrie nebeneinander so gut funktionieren.
Joachim Kuhn: Beides beginnt mit Wi (...lächelt). Ich würde sagen, dass ich mich sowohl mit der Wissenschaft als auch mit der Wirtschaft gut identifizieren kann. Durch meine Tätigkeit bin ich aktuell zu 90 Prozent im wirtschaftlichen Bereich unterwegs. Wenn die wissenschaftliche Komponente dazukommt, ist das mein persönliches Highlight. Zudem bin ich noch im Beirat von zwei Forschungsinstituten, eines in München und eines in Würzburg, bei denen es um die Weiterentwicklung von sauberer Energienutzung geht. Ich schaue genau hin, wo unsere energetische Reise hingeht.
Kuhn: Wenn man eine Firma gründet, denkt man erstmal nicht in diesen Dimensionen. Nach der Gründung 2001 - das war noch zu DM-Zeiten - war für uns ein Ziel von 10 Millionen DM schon wahnsinnig viel. Man wächst hinein in die Prozesse, lernt viel auf dem Weg. Beispielsweise gibt es keinen Studiengang "Wie gehe ich an die Börse?" - das ist learning by doing.
Kuhn: Nach der Firmengründung 2001 stellten wir fest, dass wir es mit unseren Superdämmpaneelen allein nicht schaffen würden, den Markt zu erreichen. Das Bewusstsein für Energieeffizienz war noch nicht ausreichend da. Ein neues Thema musste her: Das waren die Thermoboxen, die wir 2003/2004 bauten und auf den Markt brachten. Zuerst fragte man uns: "Wer braucht denn sowas? Das gibt's doch schon." Nein, das gab es eben nicht. Denn unsere Boxen konnten im Gegensatz zu allen anderen Transportboxen, die auf dem Markt waren, ihre Temperatur bis zu sechs/sieben Tage lang halten. Damit haben wir die Art, wie man Pharma-Transporte durchführt, revolutioniert.
Kuhn: Unternehmertum braucht Glück, ja. Und das hatten wir. Denn just zu der Zeit hatte die Biotechnologie ihren Aufschwung. Die Pharmazie wandelte sich von der rein chemischen in die biotechnologische Pharmazie, plötzlich hatten die Medikamente viel höhere Temperaturansprüche als zuvor. Da saßen die Pharmahersteller, hatten ihre Medikamente produziert und wussten nun nicht, wie sie sie stabil beispielsweise nach Amerika verschicken sollten.
Kuhn: Wir waren sehr willkommen auf dem Markt. Ich würde sagen, ja, wir haben Milliarden von Produktwerten gerettet. Darauf bin ich besonders stolz. Vor uns sind die Pharma-Transporte ganz anders abgelaufen, nämlich viel schlechter. Heute haben wir natürlich Mitbewerber mit guten Lösungen, da müssen wir uns auch immer wieder neu aufstellen. Das ist aber auch Motivation.
Kuhn: Wir waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Wir hatten die Technologie, die dringend gebraucht wurde. Wir haben zeitweise 50 Prozent aller internationalen Corona-Impfdosen versendet und waren auf dem Höhepunkt der Bekanntheit. Zuvor hatte sich keiner Gedanken gemacht über temperaturkontrollierte Logistik, plötzlich war unser Minus 70 Grad-Container wohl der meist fotografierteste weltweit. Unsere Container mit den Impfstoffen wurden in manchen Ländern empfangen wie eine Fußballmannschaft, die die Weltmeisterschaft gewonnen hat.
Kuhn: Ja, das war am 30. April 2016. Den Tag werde ich nicht vergessen. Wir haben es hingekriegt, wir waren auf dem Parkett und haben mit der Glocke geläutet. Für uns war es damals ein weiterer Schritt hin auf den internationalen Markt. Wir wuchsen stetig, brauchten immer wieder Kapital und wollten dem Unternehmen mehr internationale Aufmerksamkeit schenken. Der Börsengang war für uns ein voller Erfolg. Ich würde es wieder so tun.
Kuhn: Die Börse war gut. Es hat sich nur nach einer bestimmten Zeitspanne herausgestellt, dass wir unser Unternehmen transformieren müssen und wollen. Das ist im öffentlichen Rampenlicht der Börse eher schwierig. Nach fast 23 Jahren haben wir uns einen starken Partner - den schwedischen Investor EQT - mit an Bord geholt, der nun Mehrheitseigner ist. Wir sind derzeit mittendrin im Prozess der Transformation, passen Geschäftsbereiche an und schauen, wie wir uns perfekt aufstellen können.
Kuhn: Wir (die Gründer) hielten zu Börsenzeiten etwa 26 Prozent der Firma, durch die neue Mehrheit hat sich an der Minderheitsgesellschaft der Gründeraktionäre nicht viel geändert. Nach dem neuen Modell werden wir die Firma aufteilen, die Vermarktung des Pharmabereichs wird der von der Gesellschaft EQT bereits kontrollierte schwedische Anbieter Envirotainer übernehmen, damit wollen wir diese neue Kombination zum größten "International Player" für Transporte im Pharmabereich ausbauen. Der andere Teil der Firma wird unter va-Q-tec 2.0 weiterlaufen. Hier werde ich Geschäftsführer bleiben.
Kuhn: Wir haben den Pharmamarkt revolutioniert mit unseren Boxen, jetzt sind wir gestartet, um den Food-Markt zu erobern. Da gibt es unglaublich viele Anwendungen, die genau unsere Technologie brauchen. Die Ausgangssituation ist ähnlich wie damals im Pharmabereich. Klar gibt es Transportboxen für Nahrungsmittel, aber bei heißen Temperaturen zum Beispiel gehen darin Gemüse und Obst oder Gefrorenes schnell kaputt. In unseren Boxen hingegen nicht. 2030 sehe ich unser Unternehmen größer mit der va-Q-tec 2.0 als heute mit va-Q-tec. Zudem: Das Thema Energieeffizienz ist in vielen Bereichen ein wichtiges, zum Beispiel bei der Elektromobilität, beim Warmwasser, im Bereich Nahwärmenetze und Bau. Auch da sind wir dran.
Kuhn: (stockt) Ich rede lieber über die erste Million verkaufte Paneele nach vier Jahren oder die erste Million an verkauften Transportboxen nach etwa sieben Jahren. Das sind für mich die wichtigeren Werte. Ich freue mich jetzt schon auf die erste Million an Food-Boxen, die ich verkaufe. Man freut sich über verdientes Geld, aber das steht für mich überhaupt nicht im Vordergrund. Mir geht es darum, die Dinge umzusetzen, für die mein Herz schlägt.
Kuhn: Ich freue mich, wenn es der Region gut geht und eine gute Lebensqualität da ist. Schließlich bin ich ja seit 40 Jahren Wahl-Würzburger. Ich versuche etwas zurückzugeben, indem ich mich im öffentlichen Leben engagiere, so im Vereinsleben oder im kulturellen Leben. Gerne unterstütze ich mal eine Ausstellung oder vergebe ein Stipendium. Auch ist die va-Q-tec quasi ein Unterstützer des Mainfranken Theaters.
Kuhn: Ja, wir sind stolz, das Theater hier zu haben, es klappt reibungslos, man könnte fast sagen, "wir haben uns aneinander gewöhnt". Vor einigen Monaten erst haben wir mit dem Mainfrankentheater den Vertrag für die Blaue Halle verlängert bis 2026. Unsere Halle versprüht Tür an Tür zur Produktion einen ganz speziellen Charme, das hat mich auch bei der Aufführung von Electra wieder begeistert. Vielleicht ist es ja durch den Gewöhnungseffekt sogar möglich, die Blaue Halle mit der ein oder anderen Sache zu bespielen, auch wenn das Theater fertig saniert ist. Ich wäre bestimmt nicht abgeneigt. Kunst und Industrie unter einem Dach fühlt sich für mich stimmig an.