Unsere zweite Woche als ukrainisch-deutsche Familie ist ganz schön bunt: Von Tanzparty über Schlange Stehen für Bargeld auf dem Sozialamt, Sightseeing mit Familienanschluss in Veitshöchheim und Schwimmen gehen bis zur Bankkontoeröffnung. Wir lassen nix aus. Nebenbei beschmieren noch irgendwelche Vollpfosten unsere Gethsemane Kirche mit Kriegssymbolen. Auch unser OB sagt: "Wie blöd man eigentlich sein muss", um so was zu tun.
Nun aber zu unserem Alltag. Der pendelt sich ein. Masha und Oma Vale genießen ihre Freiheit immer ins Adami Bad gehen zu können, wann sie wollen. Am Dienstag fällt mir zum ersten Mal auf, dass ihre Gesichtszüge entspannter und die Haut erholter aussehen, als bei ihrer Ankunft. Vor allem Vale bekommt das Schwimmen. Ihre Rückenschmerzen sind verschwunden und ihr Stress Husten, der sie nun so lange geplagt hatte, ist auch weg. Masha und ich sind Samstagabend ausgegangen (auch für mich das erste Mal seit Ewigkeiten) und wir haben bis zur Zeitumstellung getanzt und gelacht. Es war herrlich und Masha fand es echt super.
Mein Mann und ich bekommen Anfang der Woche einen riesen Topf Borschscht gekocht
Mein Mann und ich bekommen Anfang der Woche einen riesen Topf Borschscht gekocht. Obwohl wir beide riesige Fans von ausländischer Küche sind und immer alles probieren, sind wir dieses Mal echt raus. Die immensen Mengen an roter Bete und Weißkohl und undefinierbarer Wurst war dann doch etwas zuviel für unsere westeuropäischen Geschmäcker. Verzweifelt suchen wir eine Möglichkeit die große Menge an Suppe verschwinden zu lassen, ohne dass unsere Gäste es merken. Der Gatte findet eine Lösung - spät nachts per Sieb und Ausguß. Wir haben uns einfach nicht getraut zu sagen, dass wir es nicht mögen.
Dienstag stehen sie fünf Stunden in der Schlange vor dem Sozialamt, um an Bargeld zu kommen. Das ist ab Freitag einfacher, denn von nun an haben beide Bankkonto und können sich den Gang zum Amt sparen.
Viele fragen mich, wie sie helfen können. Ich antworte: "Schenkt ihnen Zeit und zeigt unsere Heimat." Meine Freundin Juliane hat das heute gemacht: Sie holt die zwei ab und fährt mit ihnen nach Veitshöchheim, wo sie nicht nur den Rokokogarten bestaunen und 1000 Fotos machen, sondern sie bekommen auch noch "best food" (laut Masha) von Julianes Mutter kredenzt. Alle sind total beseelt von den Erlebnissen. Unsere deutsche Gastfreundschaft überwältigt unsere "Mädels" zutiefst.
Am Abend sitzen wir zusammen und reden noch ein wenig über ihr Zuhause in Charkiw
Am Abend sitzen wir zusammen und reden noch ein wenig über ihr Zuhause. Sie folgen einem zehn-Minuten-Live-Ticker aus Charkiw, wo berichtet wird, was wo und wann zerstört wird. Masha hat Freunde, die sich ehrenamtlich für alte Menschen dort engagieren, sie mit Essen und Medizin versorgen. Denen möchte sie Geld schicken. Von dem wenigen, was sie selber hat, gibt sie diesem Verein noch etwas ab. Bald will sie zu einer Freundin nach Berlin. Streetdance zugunsten der Ukraine machen. Geld sammeln, weil ihr es hier so gut geht. Darauf stoßen wir erstmal sprachlos an.
Wochen-Tagebuch: Claudia Görde, ihr Mann Matthias mit Tochter Fanny und Hund Ava haben derzeit Valentyna und Masha Stepanenko aus Charkiw zu Gast. Die beiden sind vor dem Krieg in ihrem Heimatland Ukraine geflohen und haben eine vorübergehende Heimat bei den Gördes gefunden. Sie kannten sich vorher nicht. Claudia Görde, Autorin der Kinderbücher "Fritzi und Lulu", wird unseren Leserinnen und Lesern immer samstags berichten, wie es der Familie und ihren Gästen in der Woche ergangen ist.
Das ist wahrlich ein Grund für Neid.
Also Sie möchten, dass Ihr Mann, Vater, Bruder gegen die Russen kämpfen muss und evt getötet wird
Sie möchten gerne flüchten, weil ihre Wohnung, Haus etc zerstört wurde, oder evt noch wird
Sie beklagen dass Sie nichts bekommen - aber geniessen die Freiheit in einem demokratischen Land
?????????????
dürfen Ukrainer * gratis in Schwimmbäder? Ich konnte das nicht rauslesen.
Bus/Bahn ist gratis das weiß ich schon. Gibt es sonst noch Tipps für gratis Aktivitäten? Sie hat bisher - nach fast 4 Wochen - noch kein Geld bekommen! Vom Bargeld beim Sozialamt abholen wußte ich und sie auch nichts.