
Sechs Wochen habe ich Tagebuch über unser Zusammenleben mit zwei ukrainischen Frauen geführt. Mutter und Tochter, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Sechs Wochen, die uns vieles gezeigt und vieles gelehrt haben. Und dabei geht die eigentliche Geschichte der beiden nun, nachdem sie eine eigene Wohnung haben, erst richtig los.
Masha ist an ihrem letzten Wochenende bei uns nach Paris gefahren
Masha ist an ihrem letzten Wochenende bei uns nach Paris gefahren, um Geld für die Ukraine zu ertanzen. Mein Mann, Valentya und ich ziehen einen ganzen VW Klamotten, Hausrat und Gedöns um – erstaunlich, was sich alles gesammelt hat. Ich bin nach wie vor sauer auf sie, denn das „macht man“ einfach nicht: Die Mutter mit einem Umzug alleine lassen, die sich ohne die Tochter nur schwer verständigen kann. Ich habe ihr das auch nochmal in aller Deutlichkeit gesagt.
Ist jetzt aber auch egal, denn die richtigen Probleme ploppen jetzt auf: Die wechselnde Zuständigkeit von Stadt Würzburg auf den Landkreis Würzburg ist kompliziert und nervenaufreibend. Und raubt mir Zeit, die ich nicht habe. ALLE Anträge sind nochmals zu stellen. Natürlich mit Wartezeit. Der Antrag auf Aufenthaltserlaubnis, den sie vor Wochen gestellt haben: Keiner weiß, wo er gelandet ist, geschweige denn, wie der Status ist. Und jetzt ist auch nicht mehr die Stadt, sondern der Landkreis zuständig.
Willkommen im Ehrenamt. Es ist eine bürokratische Katastrophe.
Das Jobcenter schreibt, wir müssen umgehend eine Fiktionsbescheinigung oder Aufenthaltserlaubnis vorlegen, sonst gibt es ab Juni kein Geld mehr. Ja, würde ich ja gerne, aber wo soll ich sie herzaubern? Ich rufe bei unzähligen Nummern bei Ausländerbehörde, Landratsamt an. Vergeblich. Ich gebe auf und sage Masha, sie soll sich an die Migrationsberatung wenden. Ich habe dafür keine Nerven mehr. Willkommen im Ehrenamt. Es ist eine bürokratische Katastrophe.
Eine intensive Zeit liegt hinter uns, die nicht nur viel Nerven und Zeit gekostet hat, sondern vor allem eine große Bereicherung war. Wir haben einen Einblick in eine Kultur und eine Mentalität bekommen, den wir sonst nie erfahren hätten. Wir sind völlig frustriert, wie kompliziert die Zusammenarbeit mit Ämtern für Ehrenamtliche ist. Wir sind zu Selenskyi-Skeptikern geworden. Wir haben viel Hilfe erfahren, wünschen uns aber, dass auch alle anderen Bedürftigen genauso viel Liebe und Verständnis bekämen. Wie toll wäre es, wenn es kostenlose ÖPNV-Tickets für diejenigen gäbe, die sich das Geld dafür vom Mund absparen müssen? Wie schön wäre es, wenn Kinder aus armen Familien selbstverständlich kostenlos ins Schwimmbad dürften? Vieles erscheint ungerecht. Ich träume weiter.
Wir sind froh, die beiden nun gut untergebracht zu haben
Wir sind froh, die beiden nun gut untergebracht zu haben. Unser gemeinsamer Weg geht weiter, aber sie müssen sich nun selber um die wichtigen Dinge kümmern. Auch dafür gibt es Hilfe. Helfen, das können wir und das müssen wir. Da gibt es keine Alternative. Niemand verlässt freiwillig ein schönes Leben. Das sollten wir uns immer in Gedanken behalten.
Wochen-Tagebuch: Claudia Görde, ihr Mann Matthias mit Tochter Fanny und Hund Ava haben derzeit Valentyna und Masha Stepanenko aus Charkiw zu Gast. Die beiden sind vor dem Krieg in ihrem Heimatland Ukraine geflohen und haben eine vorübergehende Heimat bei den Gördes gefunden. Sie kannten sich vorher nicht. Claudia Görde, Autorin der Kinderbücher "Fritzi und Lulu", berichtet unseren Leserinnen und Lesern immer samstags, wie es der Familie und ihren Gästen in der Woche ergangen ist.