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Würzburg
Würzburger Raser-Prozess: Angeklagter zu Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt
Die Staatsanwaltschaft ist im Prozess um einen schweren Autounfall von ihrem Vorwurf des Mordversuchs abgerückt. Warum die Verteidiger des 22-Jährigen dennoch unzufrieden sind.
Die Staatsanwaltschaft rückte im Würzburger Raser-Prozess von der Anklage des Mordversuchs ab. Am Ende verurteilte das Landgericht den Angeklagten (mit Verteidiger Peter Möckesch, links) zu eineinhalb Jahren Haft auf Bewährung.
Foto: Frank Rumpenhorst, dpa | Die Staatsanwaltschaft rückte im Würzburger Raser-Prozess von der Anklage des Mordversuchs ab. Am Ende verurteilte das Landgericht den Angeklagten (mit Verteidiger Peter Möckesch, links) zu eineinhalb Jahren Haft auf ...
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:16 Uhr

Im Prozess um einen Autounfall mit einer gehörlosen Frau hat das Landgericht Würzburg den 22 Jahre alten Angeklagten wegen vorsätzlicher gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Haftstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. 

Der damals 20-Jährige war am 1. Dezember 2019 mit einem PS-starken Leihwagen durch Würzburg gerast und hatte eine gehörlose Fußgängerin erfasst, die mit ihrem Hund bei Grün an einer Ampel im Stadtteil Heidingsfeld die Straße überquerte. Frau und Tier wurden leicht verletzt. 

Das Gericht sah nach einer umfangreichen Beweisaufnahme zumindest ein Alleinrennen des jungen Fahrers als erwiesen an. Der 22-Jährige soll mit bis zu 150 Stundenkilometern innerorts unterwegs gewesen sein. 

Annahme eines Wettrennens wurde überraschend für falsch erklärt

In seinem letzten Wort hatte sich der lange schweigsame Angeklagte am Prozessende zu seiner Verantwortung bekannt: "Ich bin froh, dass der Frau nichts Schlimmeres passiert ist." Er sei erleichtert, wenn er das alles hinter sich habe und ein neues Leben beginnen könne. Er werde im Februar erstmals Vater, hatte er zuvor bestätigt.

Der renommierte Berliner Unfallexperte Michael Weyde hatte dem Verfahren zuvor eine entscheidende Wende gegeben. Er wertete Daten aus der Induktionsschleife der Ampel am Unfallort aus, die ungenutzt vorlagen. Die Daten zeigten eindeutig, dass zur Unfallzeit nur der Wagen des Angeklagten schnell die Ampel passierte - aber kein zweites Fahrzeug, das einige Zeugen bei einem Wettrennen gesehen haben wollten und das wochenlang mit hohem Aufwand gesucht wurde.

Gericht lobte Expertise des Gutachters

Außerdem belegte Weyde, dass der junge Fahrer mit enormer Geschwindigkeit auf die Fußgängerin zugefahren war. Der Angeklagte habe aber sehr wohl vor der Ampel zu bremsen versucht - in Anbetracht des Tempos jedoch zu einem zu späten Zeitpunkt. 

Der Gutachter der Verteidigung habe "ein klassisches Fahrzeugrennen mit zwei Fahrzeugen so gut wie ausgeschlossen", sagte der Vorsitzende Michael Schaller. Er lobte ausdrücklich die Kenntnisse und Darstellungskraft des Unfallexperten, der die Bundesregierung 2017 bei der Verschärfung des Strafrechts bei Raser-Delikten beraten hatte.

Nach Einschätzung des Gerichts ist "der Tatbestand eines Kfz-Rennens dennoch erfüllt". Der 22-Jährige habe ein, im "Raser-Gesetz" ebenfalls beschriebenes, "Alleinrennen" zum Austesten der Motorleistung des schnellen Wagens gestartet - "und dabei billigend in Kauf genommen, dass es zu schweren Verletzungen Unbeteiligter kommen kann", so der Richter. Dass die Fußgängerin hierbei nur leicht verletzt wurde, sei reines Glück gewesen. 

Verteidiger: Mandant werde als "eine Art Mörder" vorverurteilt

Auch für Ankläger Thorsten Seebach war der Mordvorwurf nach den Ausführungen des Gutachters vom Tisch. Er sah in seinem Plädoyer ebenfalls die Variante eines Solo-Rennens erfüllt. Seebach erinnerte daran, dass ein halbes Dutzend von Vorfällen im Straßenverkehr die rücksichtslose Fahrweise des 22-Jährigen belege. "Aus der Vergangenheit hat er nichts gelernt." Der Oberstaatsanwalt forderte zweieinhalb Jahre Jugendstrafe.

Die Verteidiger Peter Möckesch und Norman Jacob sahen nur ein Vergehen als bewiesen an, jedoch kein Verbrechen. Sie sprachen vom "Jagdeifer" der Ermittler, die alle Ressourcen zum Beweis eines Rennens genutzt, aber die vorliegenden Daten nicht ausgewertet hätten. Diese hätten den Verdächtigen frühzeitig entlasten können.

Ihr Mandant sei stigmatisiert worden und bereits jetzt in der Öffentlichkeit als "eine Art Mörder" vorverurteilt, betonten Möckesch und Jacob. Überdies habe er sechs Monate in Untersuchungshaft gesessen - dies habe ihn schwer mitgenommen. Er habe lediglich "einen Fahrfehler" begangen und seine Fähigkeiten zum Beherrschen des schnellen Autos überschätzt, aber nie Mordgedanken gehegt.  Die Verteidiger hielten eine Geldstrafe oder Arbeitsstunden als Strafe für angemessen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

 
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  • H. H.
    Wird mMn schon lange Zeit für eine Revision des StGB -

    irgendjemand prellt andere Leute um ihr Geld - mehrjährige Freiheitsstrafe.
    irgendjemand läuft Amok mit einer Schusswaffe - Verschärfung des Waffenrechts bis hin zu Attrappen, auch wenn er die Waffe illegal besaß.
    jedes Jahr 3000 (plus) Tote und 350.000 (plus) Verletzte im Straßenverkehr - es gehen sogar einschlägig amtsbekannte Leute auch bei (wiederholtem) vorsätzlichem Fehlverhalten mit Bewährung raus, und es ändert sich gar nichts.

    Muss man das verstehen?
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  • h. k.
    So ist das mit unserer Justiz, man bekommt kein Recht, man bekommt nur ein Urteil.
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  • S. K.
    Ist doch sicherlich jedem schonmal passiert, dass er mit 150 innerorts unterwegs ist. Vielleicht die 1 davor übersehen oder durch autobahnähnliche Verhältnisse (zwei Fahrspuren in jede Richtung, bauliche Trennung durch Straba) irritiert gewesen.
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  • C. S.
    Vielleicht denkt der Gesetzgeber langsam mal nach, wie beim Motorrad, einen Stufenführerschein einzuführen. Verhindert solche Vorfälle nicht, erschwert aber diese.
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  • T. F.
    Na dann, jetzt kann das rasen doch munter weiter gehen (Sarkasmus).
    Total schlimm das Urteil und komplett unverständlich…, freuen werden sich vor allem die raser.
    Für das Opfer wohl ein Schlag ins Gesicht, doch Opfer kommen in Deutschland so gut wie nie zu einer Anerkennung ihres Schicksals, schlimm genug und verwerflich.
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  • Veraltete Benutzerkennung
    So sehr ich das Rasen in der Stadt verurteile, aber es zeigt, dass die Würzburger Staatsanwaltschaft wieder einmal übers Ziel hinausgeschossen ist. Da wird erst mal eine Behauptung aufgestellt, die erst widerlegt werden muss. Es wird einseitig ermittelt. So gehts nicht. Die Strafverfolgungsbehörten müssen nach allen Seiten ermitteln.
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  • A. H.
    Die Staatsanwaltschaft hätte vor allem einfach ihre Arbeit machen müssen anstatt schlampig herum zu dilettieren. Der Steuerzahler zahlt die teuren Verhandlungskosten und die vorhandenen Unterlagen der Induktionsschleifen schlummern in den Akten vor sich hin. Schlampig ermittelt.
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  • K. K.
    in den Abendnachrichten des BR3 / TV...

    wurde über das Urteil berichtet. Von 150 km/h innerorts wurde NICHTS erwähnt. Sondern darüber, dass kein " Rernen beweisbar war.Wer also Bayernweit zB in ObB nicht grösser
    informiert ist, nimmt an, die " gehörlose Fussgängerin, sei lediglich von einen unacht-
    samen "Rotlicht-Überseher" bei normaler Geschwindigkeit in Gefahr gebracht worden.
    * Verkehrserzieherisch *für ganz Bayern und D, bringt "das höfliche? Verschweigen der Tatumstände eines bestimmten Fahrverhaltens gar Nichts ! Das ist trauriger Fakt !!
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  • H. A.
    Soso Ihr Mandat habe lediglich "einen Fahrfehler" begangen. Ich wusste gar nicht das deutlich überhöhte Geschwindigkeit in der Stadt jetzt schon Fahrfehler sind, es wird ja immer absurder. Als Anwalt sowas zu verharmlosen ist unterste Schublade.
    Von dem Gutachten bin ich auch überhaupt nicht überzeugt, es kann nämlich auch sein das doch ein zweites Fahrzeug involviert war. Das zweite Fahrzeug kann auch vor der Ampel rechtzeitig abgebremst haben und langsamer rüber gefahren sein weil das "Rennen" schon vorher stattfand und nur der Angeklagter an der Ampel einen Geschwindigkeitsüberschuss hatte. Für mich deutete der ganze Prozess nur auf eines hin, der Angeklagte sollte mit allen Mitteln rausgeboxt werden. Der Staatsanwalt hat sich hier schön um den Finger wickeln lassen.
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  • T. M.
    Ein zweites Fahrzeug könnte vor dem Mercedes die Linie bei dunkelgrün oder Gelb passiert haben. Und dann?
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  • M. Z.
    Ist das richtig: "Überdies habe er sechs Monate in Untersuchungshaft gesessen " "Er werde im Februar erstmals Vater" ? Wie geht das denn traurig traurig hoffentlich ist er beim Kinderwagenschieben vorsichtiger wie beim Autofahren und kann für das Kind "ordentlich" sorgen.....
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  • R. R.
    Gesetze sind nicht mehr zu verstehen das man so billig davon kommt.
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Das darf sich die Staatsanwaltschaft nicht bieten lassen: Berufung!!!
    Was haben die Richter für ein Rechtsempfinden??? Keinen*******in der Hose!
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  • U. A.
    Bodenlos. Das ist die richterliche Narrenfreiheit in unserem Land.
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  • Veraltete Benutzerkennung
    @hentinger - Gesetze können allerdings unterschiedlich ausgelegt werden! Bei Berufungsverhandlungen kommen oft ganz andere Urteile raus. Das hat rein gar nichts mit Ihrem "Stammtischbruder" zu tun! Auch wenn Sie das Wort gerne nutzen! 👎
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  • M. D.
    Führerschein weg ?? Fahrverbot ?? Davon steht nix im Bericht. Das wäre ja ne Frechheit, wenn der Typ wieder fahren darf. Der ist doch nicht geeignet, ein KFZ im Straßenverkehr zu bewegen. Da wäre ja jedem Tür und Tor geöffnet - getreu dem Motto "Was interessiert mich die Geschwindigkeit die ich fahren MUSS ??
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  • C. H.
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • R. D.
    Und wieder Jugendstrafrecht: 20 Jahre alt, darf wählen, darf Auto fahren, in der Gegend rum rasen, andere Menschen gefährden,... und dann kommen die Samthandschuhe raus und er kommt sozusagen ohne wirkliche Strafe davon. Deutschland, wo einer wenn er die GEZ Gebühren nicht zahlt härter bestraft wird als ein Fast-Totraser
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  • S. C.
    Das erzählen Sie mal den Grünen, die eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre fordern....über die Politik des gesamten Staates entscheiden dürfen, aber nicht für seine Taten einstehen müssen
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  • C. W.
    und Fahrverbot???
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