Keiner der Zuschauer beneidet die fünf Richter im Würzburger Raser-Prozess. Am Ende sollen sie über das Schicksal eines 22-Jährigen entscheiden, der des versuchten Mordes an einer Fußgängerin angeklagt ist. Er hat die Frau mit einem Sportwagen angefahren. Aber wie sollen sie zu einer Beurteilung kommen, bei so widersprechenden Zeugenaussagen?
Vor dem Landgericht Würzburg erscheinen am Freitag, dem zweiten Verhandlungstag, fünf Zeugen, die bei dem Unfall vor fast zwei Jahren im Würzburger Stadtteil Heidingsfeld dabei waren: Drei Personen waren in einem Auto gesessen und wollen den Beginn des illegalen Auto-Rennens hautnah mitbekommen haben. Ein Ehepaar war zu Fuß an jene Ampel gekommen, an der das Opfer von dem schwarzen Benz gestreift und auf die Fahrbahn geschleudert wurde, obwohl der Fahrer hätte anhalten müssen. Die Ampel für den Straßenverkehr zeigte schließlich rot.
Mitfahrer: "Ich habe ihm noch gesagt, er soll aufhören mit dem Mist"
Die drei Zeugen aus dem Auto, ein Ehepaar und die Schwester des Mannes, warteten in ihrem Fahrzeug an einer Kreuzung mit Ampelregelung – etwa 400 Meter vom späteren Unfallort entfernt. Das Trio will bemerkt haben, wie der nebenstehende Fahrer auffordernd das Gaspedal betätigte, um den Fahrer eines dahinter stehenden silbernen Mercedes-Benz zu einem Rennen zu provozieren. Dieser habe die Herausforderung angenommen.
Beide seien auf der zweispurigen Straße losgejagt und schließlich mit immer schnellerer Geschwindigkeit auf die rote Ampel in Höhe eines Kupsch-Marktes zugerast. Dann habe der schwarze Mercedes die Fußgängerin angefahren.
Zeuge sieht zwei Autos: Eines mit KT-, eines mit MSP-Kennzeichen
Als die Zeugen zur Unfallstelle kamen, hielten sie an. Eine der beiden Frauen kümmerte sich um die Verletzte auf der Fahrbahn, der Mann regelte den Straßenverkehr. Er sagt vor Gericht aus: Einer der Mitfahrer aus dem schwarzen Unfallauto sei mit einem Verbandskasten gekommen und habe dabei gesagt: "Ich habe ihm noch gesagt, er soll aufhören mit dem Mist, so schnell zu fahren."
Dass ein zweites Fahrzeug im Spiel gewesen ist, dessen sind sich die drei Zeugen im Gerichtssaal sicher. Damals habe der Mann zu seiner Frau und zu seiner Schwester gesagt: "Einer mit KT-, einer mit MSP-Kennzeichen – da sieht man mal wieder, was sich die Bäuerle für Autos leisten können." An diesen Spruch erinnern sich alle drei. Doch die Polizei konnte bislang den silbernen Benz nicht finden. Allerdings zeigt auch das Material einer Überwachungskamera an der Tankstelle hinter dem Unfallort einen silbernen Wagen, der sich eilig entfernt.
Zeugin schildert Vorfall unter Tränen
Emotional wird es im Gerichtssaal, als eine junge Frau in den Zeugenstand kommt. Auch 22 Monate nach dem Unfall wirkt sie immer noch betroffen von dem, was sie und ihr Mann hören und sehen mussten, als sie sich zu Fuß der Ampel genähert hatten.
Zunächst habe ihnen eine Hecke die Sicht verwehrt. Aber das laute Röhren des rasch heranrasenden Wagens hörten sie deutlich – im Unterschied zu der gehörlosen Fußgängerin, die ahnungslos die Fahrbahn betrat. "Man wusste schon irgendwie, dass es passieren würde", sagt die junge Frau im Zeugenstand – und schluckt. Ihr kommen die Tränen: "Das Auto hat einfach nicht gebremst."
Der Vorsitzende Richter Michael Schaller führt sie behutsam durch die Vernehmung, gibt ihr Pausen, um sich zu fangen. Denn die Zeugin macht sich selbst noch immer Vorwürfe: "Ich wollte ihr helfen, aber ich konnte es nicht!" Darunter leide sie immer noch, gesteht die Frau unter Tränen. Der Vorsitzende beruhigt sie: Es hätten ja andere Passanten Erste Hilfe geleistet, dem Unfallopfer gehe es wieder gut.
Doch kein zweites Auto?
"Haben Sie mehrere Autos gesehen?", wird die Zeugin gefragt: "Eins", antwortet sie. Auch ihr Mann ist sich sicher: "Ich habe definitiv kein weiteres Auto gesehen." Der silberne zweite Wagen, er bleibt ein Phantom.
Das Gericht hat noch viel Klärungsbedarf an den folgenden drei Verhandlungstagen. Der Prozess wird am 27. September fortgesetzt.