"Sport, Beruf und Kunst", das sind für Hermann Gerlinger die drei Pfeiler, die sein Leben stützen. Es sind gute Pfeiler: An diesem Mittwoch,14. Juli, feiert der Kunstsammler seinen 90. Geburtstag - mit beeindruckender körperlicher und geistiger Frische.
Erstere verdankt Gerlinger auch seinem sportlichen Ehrgeiz. In seiner Jugend begann er als Ruderer und Handballer, wurde dann ambitionierter Kletterer und absolvierte 39 Mal das Deutsche Sportabzeichen. Mit 85 Jahren hörte er das Bergsteigen auf. Seine Kondition hat sich der drahtige Mann behalten: Regelmäßig läuft er flott im Steinbachtal durch den Wald.
Die geistige Fitness hängt wohl auch mit seiner Leidenschaft für die Kunst zusammen. Hermann und Hertha Gerlinger haben in 60 Jahren die renommierte Expressionisten-Sammlung "Die Maler der Brücke“ aufgebaut. Während andere ihr Geld für Reisen oder Autos ausgeben, kauft der junge Ingenieur und Unternehmer ab den 50er Jahren Kunstwerke.
Mit über 1000 Gemälden, Holzschnitten und Zeichnungen von Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Emil Nolde, Max Pechstein oder Karl Schmidt-Rottluff haben die Gerlingers die bedeutendste Privatsammlung der Künstlergruppe "Brücke" aufgebaut. Gesammelt haben sie die expressionistische Kunst nicht als Kapitalanlage, sondern um sie zu genießen – und um sie auszustellen und andere teilhaben zu lassen an der Begeisterung für eine Kunst, die von den Nazis als „entartet“ diffamiert wurde. Wie sehr Gerlinger auch heute noch dafür brennt, spürt man, wenn er von seiner Sammlung und den Künstlern, von denen er einige persönlich gekannt hat, erzählt.
Aktuelle Ausstellung "Die Farben der Avantgarde" mit Werken der Würzburger Sammlung
Jetzt gibt es wieder die Gelegenheit, einige Bilder zu sehen. Seit Samstag zeigt das Buchheim Museum am Starnberger See die Ausstellung "Die Farben der Avantgarde" mit Werken von Max Beckmann, Otto Beyer, Fritz Bleyl, Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner, Paula Modersohn-Becker und anderen aus den Beständen des Buchheim Museums und der Sammlung Hermann Gerlinger. Seit 2017 ist die Sammlung "Maler der Brücke" im Buchheim Museum am Starnberger See, dessen Gründer Lothar-Günther Buchheim ebenfalls den Brücke-Künstlern verbunden war.
In den nächsten Wochen wird Gerlinger selbst die aktuelle Ausstellung am Starnberger See besuchen. "Dass jetzt wieder Bilder der Sammlung zu sehen sind, macht mich glücklich", sagt der Sammler. Denn durch Corona ist zuletzt die große Ausstellung über Ernst Heckel mit 383 Werken aus der Sammlung Gerlinger nur wenige Tage geöffnet gewesen.
Glückwünsche vom Buchheim Museum
Daniel J. Schreiber, Direktor des Buchheim Museums, erinnert sich an den "elektrisierenden Moment", die die Möglichkeit mit der Gerlinger-Sammlung zu arbeiten, bei ihm 2017 ausgelöst hat. Anlässlich des 90. Geburtstags Hermann Gerlingers bedankt er sich "für all die schönen Projekte, die wir mithilfe der Leihgabe seiner Sammlung im Buchheim Museum angehen können."
Die Möglichkeiten für Sonderausstellungen und Publikationen, habe das Museum "mit Begeisterung" genutzt: 2017 wurde das Zusammenkommen der Sammlungen mit der Schau „Brückenschlag“ gewürdigt, 2018 folgte eine monografische Ausstellung zu Karl Schmidt-Rottluff und 2019 eine zum Thema „Freundinnen und Freunde“ der Brücke-Künstler. Nach der aktuellen Präsentation ist für 2021 eine große Ausstellung zum Zusammenspiel der Formationen „Brücke + Blauer“ geplant - auch hier seien Werke der Sammlung Gerlinger eine wichtige Bereicherung.
"Zu seinem 90. Geburtstag wünschen wir Hermann Gerlinger alles Gute, viel Freude an den Präsentationen seiner Sammlung und eine gute, friedliche Zeit mit seiner Frau und den Menschen, die er mag", sagt Museumsdirektor Schreiber.