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Würzburg
Würzburger Infektiologe: Wie gefährlich die Corona-Mutation ist
Die britische Variante B.1.1.7 ist ansteckender als das ursprüngliche Coronavirus. Wie gefährlich ist sie für Erkrankte? Mediziner August Stich über Risiko und die Erfahrungen in der Klinik.
Blick in den Covid-19-Bereich der Intensivstation am Uniklinikum Leipzig: Auch dort nimmt die Zahl der Corona-Patienten im Alter zwischen 30 und 60 Jahren zu. 
Foto: Waltraud Grubitzsch, dpa | Blick in den Covid-19-Bereich der Intensivstation am Uniklinikum Leipzig: Auch dort nimmt die Zahl der Corona-Patienten im Alter zwischen 30 und 60 Jahren zu. 
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 11.02.2024 00:39 Uhr

Die britische Variante des Coronavirus ist auf dem Vormarsch und dominiert mittlerweile das Infektionsgeschehen auch in Unterfranken. Ist Typ B.1.1.7 für Patienten gefährlicher als der Wildtyp? Und was bedeutet er für die Kliniken? Der Würzburger Infektiologe Prof. August Stich, Chefarzt an der Missio-Klinik unter dem Dach des Klinikums Würzburg Mitte, erklärt Risiken und Auswirkungen.

Frage: Wie verbreitet ist die britische Corona-Mutation mittlerweile in Ihrer Klinik?

Prof. August Stich: Inzwischen trifft die Variante B.1.1.7 rund 80 Prozent unserer Covid-Patienten. Damit ist sie keine Ausnahme mehr, sondern die beherrschende Form.

Gibt es dadurch Veränderungen bei den Patienten?

Stich: Sie werden jünger, weil alte Menschen zum großen Teil schon geimpft sind. Wir haben seit dem Beginn der Impfungen auch praktisch kein Personal mehr, das von einer Infektion betroffen wäre. Das war in der ersten und zweiten Welle anders. Da sind uns Leute ausgefallen, und das hat den Personalmangel noch verschärft.

Was fällt auf, wenn Sie die Krankheitsverläufe bei der ursprünglichen und der jetzt dominierenden Form des Virus vergleichen?

Stich: Wir sehen nach wie vor sehr schwere Fälle über alle Altersgruppen. Ob die britische Variante tatsächlich gefährlicher ist – dazu sind die Bücher der Wissenschaft noch nicht geschlossen. Sie ist in jedem Fall ansteckender und besser angepasst an die Übertragung von Mensch zu Mensch. Dadurch, dass viele Hochrisikogruppen mittlerweile geimpft und geschützt sind, haben wir zwar höhere Infektionszahlen, aber nicht unbedingt mehr Patienten mit schweren Verläufen. Man muss die Betroffenen-Gruppen betrachten, sonst vergleicht man Äpfel mit Birnen.

Kann man sagen, dass die britische Mutation wegen der hohen Fallzahlen gefährlicher fürs Gesundheitssystem, aber nicht unbedingt für den einzelnen Patienten ist?

Stich: Sie ist die ansteckendere Form und verzeiht noch weniger die Fehler, die wir machen: drinnen zusammensitzen, Abstandsregelungen nicht beachten, die Maske zum Kaffeetrinken abnehmen, gemeinsam Handybilder anschauen. Die Ansteckungsgefahr ist größer und das Gesundheitssystem wird durch steigende Infektionszahlen stärker belastet. Und ein Teil der Erkrankten entwickelt schwere Verläufe und schlägt auf den Intensivstationen auf.

Sie beobachten die Mutation seit einigen Wochen in der Klinik. Ist damit das gesundheitliche Risiko für den Patienten höher als mit dem Ur-Typus?

Stich: Die Wissenschaftler haben das noch nicht abschließend beurteilt. Mein persönlicher Eindruck aus dem Klinikalltag ist: Nein, B.1.1.7 ist für den einzelnen nicht gefährlicher als der Wildtyp. Aber für eine tragfähige Aussage braucht es noch Untersuchungen.

Erwartet deutliche Fortschritte in der Pandemie-Bekämpfung für die kommenden Monate: Infektiologe Prof. August Stich, Chefarzt der Tropenmedizin an der Missio-Klinik, die mit dem Juliusspital das Klinikum Würzburg Mitte bildet.
Foto: Thomas Obermeier | Erwartet deutliche Fortschritte in der Pandemie-Bekämpfung für die kommenden Monate: Infektiologe Prof. August Stich, Chefarzt der Tropenmedizin an der Missio-Klinik, die mit dem Juliusspital das Klinikum Würzburg ...
Studien aus England und Dänemark hatten zunächst ein höheres Hospitalisierungs- und Sterberisiko ergeben. Das wird nun von zwei neuen Studien widerlegt.

Stich: Ob die Daten für die ersten Studien wirklich solide waren, darüber streiten die Experten. Wichtig für die Bevölkerung ist: Wir wissen noch zu wenig, um das Ausmaß der gesundheitlichen Gefährdung seriös zu beurteilen. Aber wir wissen, dass sich die Mutation viel effizienter verbreitet und damit unseren Anstrengungen mit Impfungen und Lockdown entgegenläuft. Was wir dadurch an Boden gewinnen, wird gerade durch die größere Ansteckungsrate zunichte gemacht. Der Feind ist effizienter geworden. Trotzdem können wir ihn mit flächendeckenden Impfungen besiegen.

Was sich bei den Älteren schon zeigt?

Stich: Richtig. Wir haben nach wie vor zwei Gruppen: Zum einen Menschen, die durch Vorerkrankungen und ihr Alter bereits geschwächt sind. Da kann jede Art von Art von Infekt quasi das Fass zum Überlaufen bringen. Diese Gruppe ist durch die Impfung nun zum großen Teil geschützt. Und dann haben wir die andere Gruppe von Leuten, die plötzlich in einen Entzündungssturm abrutschen – häufig verstärkt durch Risikofaktoren wie Übergewicht, Zuckerkrankheit oder Nikotin. Dieses klinische Bild hat sich durch die Variante B.1.1.7 nicht dramatisch verändert.

Wie stehen die Chancen, dass ein Patient die Intensivstation wieder verlassen kann?

Stich: Die sind gut. Die allermeisten überleben die Erkrankung. Allerdings sehen wir bei vielen Patienten Langzeitfolgen unterschiedlicher Art, angefangen von Lungenschäden bis hin zum Post-Covid-Syndrom mit schweren neurologischen oder psychiatrischen Störungen. Covid-19 ist eine schwere Erkrankung. Alle, die das bagatellisieren, sollten mal ein Praktikum auf unseren Intensivstationen machen.

Habe ich als Covid-Patient mit der B.1.1.7-Variante andere Symptome als beim Wildtyp?

Stich: Nein, die Erkrankung ist die gleiche. Wir können dem Verlauf nicht ansehen, welche Variante dahintersteckt. Und müssen uns darauf vorbereiten, dass weitere entstehen – umso leichter, je mehr Virus-Zirkulation stattfindet. Je mehr Infizierte, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass sich neue Mutationen bilden.

Also gute Gründe, schnell von den hohen Zahlen herunterzukommen. Was erwarten Sie für die kommenden Monate?

Stich: Wir müssen gegensteuern, gerade weil die dritte Welle rollt. Mein Gefühl sagt mir aber: Wir haben es bald hinter uns. Wir kommen jetzt in eine Phase, in der wirklich viel geimpft werden kann. Dazu gilt es Hygiene- und Abstandsregeln weiter einzuhalten. In den Sommermonaten helfen uns auch die klimatischen Bedingungen, die Leute sind mehr draußen, es gibt mehr UV-Licht. Mit all dem sollten wir den Durchbruch schaffen.

 
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    "Danke!" an die Mainpost für dieses Interview und vor allem Herrn Prof. Stich, der hier sehr ruhig und ausgewogen die Faktenlage darstellt.
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    Auf eigenen Wunsch entfernt.
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  • C. P.
    Was ist mit den geläufigen Aussagen, dass 50 % der Intensivpatienten sterben? Die sind ja nun diametral anders als Prof. Stichs?
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  • M. W.
    mittlerweile sterben "nur" noch 35% (Ärzteblatt) der Patienten. Aber Sie haben Recht, dass das sehr viele sind. Tortzdem finde ich es richtig, dass auch ein bisschen das Licht am Ende des Tunnels gezeigt wird. Die Politik sollte wie in anderen Ländern auch nicht immer nur von Verlängerung der Maßnahmen reden. Man kann schon ungefähr kalkulieren, ab wann wieviel Prozent geimpft sind und dann dementsprechend einzelne DInge zulassen und das frühzeitig ankündigen...Hoffnung hilft...pures Verlängern des Lockdowns macht depressiv
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  • H. H.
    50% der intubierten Patienten sterben, nicht 50% der Intensivpatienten. Kleiner aber feiner Unterschied der auch so kommuniziert ist.
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  • A. H.
    ....aber genau diesen Unterschied muss man auch erkennen WOLLEN bzw. dazu in der Lage sein.......
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  • H. H.
    Yep ist so, nur ist jeder Patient mit nem schweren Verlauf einer zu viel. Genau deswegen sollten wir alles Notwendige tun, um diese Fälle zu vermeiden!
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