Es ist genau ein Jahr her. Am 23. Januar 2020 äußerte sich der Würzburger Infektiologe und Tropenmediziner Professor August Stich, Chefarzt an der Missio-Klinik unter dem Dach des Klinikums Würzburg Mitte, erstmals in einem Interview dieser Redaktion zum "neuartigen Coronavirus". Der 60-jährige Mediziner warnte damals vor Panikmache, und Corona-Fälle in Deutschland gab es noch nicht. Wie bewertet Stich seine Annahmen heute? Hat er sich vor einem Jahr in seiner Einschätzung über die Ausbreitung und die Gefahren des Virus getäuscht?
Prof. August Stich: Ja. Ich hatte mich zwar darauf vorbereitet. Dass es aber so heftig kommt, schon im soften Lockdown im November – das war besorgniserregend. Und wir haben es noch nicht hinter uns. Wir wissen nicht, ob sich durch Virusmutanten die zweite Welle trotz aller Gegenmaßnahmen in die Länge zieht oder sich gar eine dritte aufbaut. Es heißt weiter auf Sicht zu fahren.
Stich: Ich habe das Gefühl, dass wir im letzten Frühjahr mehr an einem Strang gezogen haben als jetzt – in der Bevölkerung und auch in der Politik. Damals war eine andere Stimmung: Wir strengen uns zusammen an und schaffen das. So war es eine stärker gemeinschaftliche und solidarische Aktion als jetzt. Ich sehe eine zunehmend gespaltene Gesellschaft und eine Politik, die sich oft widerspricht. Die Bevölkerung wirkt verunsichert und unser Personal ermüdet.
Stich: An Einzelregelungen kann man natürlich immer Kritik üben. Aber im Grunde macht unsere Politik das gut. Sie gibt dem Schutz von Gesundheit und Leben den klaren Vorrang – und nicht etwa dem wirtschaftlichen Wohl einzelner wie die Trump'sche Regierung in den USA oder Bolsonaro in Brasilien.
Stich: Wenn man sieht, wie viele auch aus Nicht-Risikogruppen schwer erkranken und auf der Intensivstation landen – dann hat man schon Respekt vor dieser Viruserkrankung. Und man weiß nicht, was an Virusmutationen morgen durch die Tür kommt. Unsere Strategie muss erst einmal weiter auf einen breiten Schutz aller Menschen angelegt bleiben.
Stich: Wir erleben sozusagen Evolution im Brennglas. Das Virus passt sich an. Die aktuell bekannten sind wohl tatsächlich deutlich ansteckender, aber wahrscheinlich weniger gefährlich.
Stich: Vereinfacht ausgedrückt: Diese mutierten Viren reichern sich in den oberen Luftwegen an, dadurch werden sie leichter ausgestoßen und übertragen. Aber sie tauchen weniger ab in die tiefen Atemwege und verursachen damit weniger schwere Erkrankungen. Wenn jetzt aber durch eine höhere Ansteckungsrate die Infektionszahlen wieder steigen, entsteht eine gegenläufige Entwicklung zu unseren Anstrengungen mit Lockdown und Impfungen, was wieder mehr Unruhe und Verunsicherung in der Bevölkerung schaffen wird.
Stich: Das ist mittlerweile eine fast magische Zahl geworden. Grundlage waren einmal eine Berechnung der Kapazitäten der Gesundheitsämter für die Kontaktnachverfolgung. Dieser Wert 50 wird seitdem wie ein Menetekel vor uns hergetragen. Wir müssen im Grunde aber noch viel besser werden als 50, nämlich die Zahlen auf Null bringen und die Pandemie damit besiegen.
Stich: Ich denke schon, teilweise sind wir vielerorts zumindest vom Wert 50 gar nicht so weit entfernt. Aber es geht um mehr, als mit quasi sportlichem Ehrgeiz eine Zahl zu erreichen, nämlich darum, eine gefährliche Erkrankung in den Griff zu bekommen. Und da ist 49 genauso schlimm wie 51.
Stich: Die Frage stelle ich mir oft. Weiter glaube ich: Panik war nicht und ist bis heute nicht angebracht. Wir müssen uns einfach dem Feind stellen, mit offenem Visier. Und dieser Feind hat sich vor einem Jahr noch anders gezeigt. Da war es ein Phänomen in China. Wir konnten auf Vorerfahrungen mit dem ersten Sars-Virus aufbauen und hatten alle die Hoffnung, das Virus mit vereinten Kräften wie die Büchse der Pandora unter Verschluss halten zu können. Dem war nicht so. Seitdem ist vieles passiert, was ich und viele andere sich damals nicht vorstellen konnten.
Stich: Ich habe diese schnelle Verbreitung des Virus um die Welt und seine Dramatik damals tatsächlich so nicht kommen sehen. Ich habe Corona wie andere Infektiologen mit einer gewissen negativen Faszination beobachtet. Und was wir alle in diesem Jahr hautnah erlebt haben, das ist eine direkte Folge der Globalisierung, wie schnell sich etwas um die Erde verbreiten kann. Die Pandemie hält uns einen Spiegel vor, wo die großen Schwächen in unserem Weltgefüge sind. Deshalb dürfen wir nicht wieder so weiter machen wie vor der Pandemie.
Stich: Sondern wir müssen lernen und verstehen. Umwelt und Klima sind noch viel größere Brocken als die Corona-Krise, auch wenn ihre Folgen uns nicht so deutlich unter den Nägeln brennen wie das Volllaufen der Intensivstationen. Aber hier liegt eine noch viel größere Gefahr für uns alle. Deshalb müssen wir diesen Warnschuss jetzt ernst nehmen und vieles an unserer Lebensweise in Frage stellen und verändern, damit nicht nur wir jetzt eine Krise überwinden, sondern damit es auch künftigen Generationen gut geht.
Stich: Grundsätzlich ja. Unsere Kliniken haben standgehalten. Aber ich hatte auch damals schon darauf hingewiesen, dass der öffentliche Gesundheitsdienst in Deutschland eine stärkere Rolle spielen muss. Das hat sich bewahrheitet. Wir sind durch einen enormen Stresstest gegangen und haben diesen nicht wirklich gut bestanden. Wäre der öffentliche Gesundheitsdienst besser gerüstet gewesen und hätte die Abstimmung aller Bereiche – Krankenhäuser, niedergelassene Ärzte und Gesundheitsämter – besser funktioniert, hätten wir viele Gegenmaßnahmen schneller und effektiver treffen können. Aber im Vergleich zu möglichen Szenarien aus anderen Ländern haben wir es noch gut gepackt. Man kann froh sein, wenn man im Moment in Deutschland lebt. Das Gesundheitssystem als Ganzes hat gespürt, wo seine Grenzen liegen, aber es war nie am Kollabieren.
Stich: Ja, und nicht nur auf Intensivstationen. Wir haben in den letzten beiden Jahrzehnten Gesundheitsarbeit leider betriebswirtschaftlichen Grundsätzen unterworfen. Das hat dazu geführt, dass sich Kliniken den Aufbau von Reserven personeller oder materieller Art nicht mehr leisten können. Sie sind zu Unternehmen mutiert, die immer maximale Auslastung und effiziente Arbeitsprozesse anstreben und so keine Freiräume zulassen, um auf Sondersituationen reagieren zu können. Gesundheit ist aber kein wirtschaftliches Gut, das man zum Verkauf anbietet, sondern ein Menschenrecht.
Stich: Nicht im Allgemeinen. Es ist ein Privileg, dass wir so schnell so gute Impfungen bekommen haben. Hätte man schon im Sommer ohne die nötigen wissenschaftlichen Daten quasi auf Verdacht riesige Mengen eines noch nicht zugelassenen Impfstoffes eingekauft, wäre dies sehr riskant gewesen. Also unterm Strich läuft das gut. Wir müssen jetzt nur mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung, mit Geduld und Solidarität noch etwas durchhalten.
Stich: Nur so gut wie meine Prognose vor einem Jahr war... Aber im Ernst: Ich kann mir gut vorstellen, dass wir an Ostern schon spüren, dass wir es schaffen. Bis dahin liegen noch harte Wochen vor uns. Aber man wird mit dem beginnenden Frühjahr merken: Es tut sich was Substanzielles. Und ich glaube, dass wir im Sommer den wirklichen Durchbruch haben und dann auch die Pandemie überwinden – auch wenn bis dahin noch keine Herdenimmunität erreicht worden ist. Aber nochmal: Zurück zum alten Leben ist nicht die Devise, sondern Aufbruch in eine Zukunft, für die wir wesentliche Lektionen gelernt haben. Dass es soweit kommt, dazu kann jeder einzelne Bürger beitragen. Indem man solidarisch ist und sich an die Vorgaben hält. Ich sehe eine wirklich gute Perspektive, aber die Hoffnung ist brüchig. Gefährlich wird es, wenn sich signifikant große Gruppen daneben benehmen und durch ihr Verhalten andere gefährden, ganz gleich, ob es nun um die Überwindung der Pandemie oder das Erreichen der Klimaziele geht.
waren. leider gehören diese typen auch zu meiner verwandschaft!
d) wenn mehr rücksicht aufeinander genommen würde im sozialen und privaten umfeld, aber da gibt es noch
genügend egoisten, leider gottes, solche sind hier auch zur genüge vertreten.
ICH halte mich an die vorschriften! abstand beim einkaufen - ffp2 maske - nach 21 00 uhr bleib ich schön zu
hause. am arbeitsplatz auch mit nötigen abstand, ist bei mir eigentlich nicht schwer einzuhalten.
also jungs und mädels passt auf euch auf! und macht nicht alles den ami-idioten nach der ja jetzt gott seis gelobt
in seinem exil als unruheständler noch genügend für unruhe sorgen kann. mal gespannt, wie lange es seine
heißgeliebte melaniea noch mit ihm aushält. gerüchteküche kocht ja schon heftig zwecks scheidung! wäre auch das einzig vernünftige, mit solch einen irren kann es zu hause ja auch nichts werden! bleibt gesund!
wer heute den namen des ausgeschiedenen präsidenten der usa noch in den mund nehmen kann oder will, ist a) etwa ein sympatisant dieses verrückten präsidenten emeritiert.
oder aber man kann nicht erkennen, dass amerika mehr als das 4fache an einwohner hat
wie die bundesrepublik deutschland. ca. 82000 000 einwohner hat deutschland meines wissens dem gegenüber stehen nun über 50 000 tote die an oder mit verbindung dieses
virus gestorben sind, 50 000 und mehr zu viel! könnten alle noch leben, wenn
a) dieses virus einfach nicht aufgetaucht wäre
b) die infektionsgegenmaßnahmen früher eingeläutet worden wären und man im vergangenen frühjahr schon einen längeren lockdown gemacht hätte, z. b. auch
keine auslandsfahrten mehr zugelassen hätte (ischgl, bollermann, usw.)
c) wenn sich alle danach richten täten: maskenpflicht und keine partys mit anderen,
die nicht zum hausstand gehörten. mußte heute leider wieder erleben wie in meiner
nachbarschaft feste gefeiert
Demokratie ist Meinungsfreiheit, wird die Meinung unterdrückt ist das?
Virologe Prof. Klaus Stöhr beantwortet alle Fragen im BAYERN 1 ...
Danke Herr Prof. Klaus Stöhr, die Wissenschaft nur mit Diskurs. ohne Vorgabe der Politik.
Wir Deutschen sollten aufpassen, das sich die Geschichte nicht wiederholt.
Freiheit ist das Höchste Gut der Menschheit.
Verstehe nicht, was Sie mit Ihrem Kommentar sagen wollen!
Was wollen Sie mit
„Demokratie ist Meinungsfreiheit, wird die Meinung unterdrückt ist das?“
sagen.
Sie äußern doch gerade Ihre Meinung!!!!!
Und dass der Virologe Prof. Klaus Stöhr den Lockdown kritisch sieht ist doch sein gutes Recht auf freie Meinungsäußerung.
Übrigens Prof. Stöhr wird sich impfen lassen, da er von dem Impfstoff überzeugt ist.
https://www.br.de/radio/bayern1/sendungen/am-morgen/corona-impfung-interview-stoehr-100.html
Dabei hat Deutschland, bezogen auf die Zahl der Infektionen, eine deutlich höhere Todesrate. Nachzulesen beim RKI.
Denn es gab nie eine.
Zum Glück haben unsere Regierungsverantwortliche entschieden, "dem Schutz von Gesundheit und Leben den klaren Vorrang" zu geben.
Nicht zuletzt deshalb, weil hierzulande von Anfang an auf Expert:innen wie Professor Stich gehört wurde.
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Woran die für Deutschland im Vergleich zu den USA die "deutlich höhere Todesrate" abzulesen wäre, würde ich gerne erfahren. Der Verweis "Nachzulesen beim RKI." ist keine brauchbare Angabe.
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Deutschland hat bisher 51.500 Todesfälle zu beklagen, die mit Corona im Zusammenhang stehen.
In den USA sind es 414.000 (23.01.2021).
www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html
www.nytimes.com/interactive/2020/us/coronavirus-us-cases.html
Damit sind pro 100.000 Einwohner in den Vereinigten Staaten mehr als doppelt so viele Menschen durch Corona verstorben, wie in der Bundesrepublik: 127 / 61
Ich sagte "bezogen auf die Zahl der Infektionen".
Verbindlichen Dank!
Die Quelle ist das RKI. Auch auf unzähligen anderen Seiten im Netz sind die Totenzahlen veröffentlicht.
Für jedes Land einfach die Zahl der Toten durch die Zahl der Infizierten (!) teilen, fertig.
Danke, Herr Professor Stich! Leider ist genau das bei (zu) vielen noch nicht angekommen. "Global denken, lokal handeln" ist noch nicht angekommen (Stichwort "Klimaziele 2030"). Für mich zeigt sich das an der Stadtpolitik. Immer noch gibt es unvernünftigen Widerstand gegen erforderliche Verhaltensänderungen. Siehe Fußgängerzone Sterngasse/Am Bruderhof / Plattnerstraße. Beruhigung Paradeplatz / Hofstraße. Trotz entsprechender Gutachten. Oder platt:
Lieber Einzelhandel - Wenn's zu heiß wird kommt gar keiner mehr ...
Den jetzigen Lock down hatten die Naturwissenschaftler schon Ende September vorhergesagt, wollten viele Bürger und Politiker aber nicht hören.
Außerdem ist nicht alles sinnvoll was im Namen des Klimaschutzes gefordert wir.
Hinsichtlich lokalen Handelns für Klimapolitik ist die konsequente Umsetzung des Konzepts „Schwammstadt“ (ÖDP) wegweisend, in dem Würzburg in eine „blau-grüne Infrastruktur“ verwandelt wird, um lokal die globale Klimaerwärmung abzufedern. Auch das ist Gesundheitsvorsorge (Siehe erhöhte Sterberaten in heißen Sommerwochen). BESSER, Dipl.-Biol.