
"Wenn wir unsere Kulturlandschaft retten wollen, besteht akuter Handlungsbedarf", betonte Kathrin Jacobs im Kulturausschuss im Mai. Seit Juli 2019 ist sie die Leiterin des städtischen Kulturamts. Im Gespräch lässt die Wahl-Würzburgerin das Corona-Jahr persönlich Revue passieren, erzählt, ob die Kulturszene die Krise übersteht und was sie sich vom nächsten Jahr erhofft.
Kathrin Jacobs: Gesundheitlich Gott sei Dank gut! Auf der einen Seite ist es natürlich gerade eine sehr turbulente, auf der anderen Seite auch eine sehr schwierige Zeit, weil die sozialen Kontakte einfach fehlen. Gerade in dieser dunklen Jahreszeit, wie sie gerade herrscht, kann das schon sehr traurig sein. Aber man sieht ja Licht am Ende des Tunnels und da ich grundsätzlich ein sehr positiver und optimistischer Mensch bin, hoffe ist, dass bald auch wieder bessere Zeiten kommen werden.
Jacobs: Allerdings. In so einem Jahr einen Fachbereich zu übernehmen, der sich die Kulturförderung auf die Fahne geschrieben hat, ist schon eine Herausforderung. Ich habe mich noch nie so intensiv mit Förderprogrammen auseinandergesetzt. Auch habe ich noch nie so viele runde Tische in Kulturämtern erlebt, wie in diesem Jahr. Auf der anderen Seite habe aber ich die Kulturszene so aus einem ganz anderen Blickwinkel kennen gelernt. Corona macht die Arbeit schon ungewöhnlich.
Jacobs: Nein, da hätten wir es uns auch viel zu einfach gemacht. Ein ganz großes Ziel war, zu schauen, wie wir durch dieses Jahr mit allen Akteuren kommen, ohne dass wir herbe Verluste erfahren müssen. Im Endeffekt bedeutete dies, dass wir eine starke Öffentlichkeit mit der gesamten Szene herstellen mussten. Wir mussten zeigen, dass es uns noch gibt und dass wir Bedürfnisse und Bedarfe haben. Wir haben immer wieder den Kontakt zur Politik gesucht, Runden initiiert und lautstark kommuniziert. Und Gott sei Dank hat das Früchte getragen. Wir sind sehr glücklich mit den Haushaltsanmeldungen, damit dass der Stadtrat die Not erkannt hat und vor allem die freie Kulturszene nun großzügig unterstützt. Es war ein Kraftakt dorthin zu kommen, aber es hat sich gelohnt.
Jacobs: Wir sind auf einem guten Weg. Wir haben in diesem Jahr einen Corona-Nothilfe-Etat von fast einer halben Million Euro geschaffen, der aufgrund der Situation absolut notwendig war. Ich merke immer wieder, wenn man mit guten Argumenten in die Politik geht, findet man auch Unterstützung. Man muss natürlich entsprechende Vorarbeit leisten und deutlich erkennbar machen, was man und warum man es benötigt. Ich freue mich sehr, dass wir diese Unterstützung bekommen haben.
Jacobs: In der Kultur gibt es nie zu viel Geld (lacht). Die Frage ist immer, wie nachhaltig die Fördergelder sind. Momentan handelt es sich hier um akute Hilfsprogramme. Wie die Gelder einzeln aufgeteilt werden, entscheiden wir nach und nach. Hier nehmen wir auch nochmal den Stadtrat mit, damit wir sicher gehen können, dass die Kulturschaffenden, die es auch am nötigsten brauchen, das Geld bekommen. Generell lässt sich aber sagen, dass in manchen Bereich ein nachhaltiges Engagement von Nöten ist. Ein Kulturmanager beispielsweise. Das sind jedoch Ausgaben, die schmerzhafter Natur sind, da sie durch Langfristigkeit nicht gerade günstig sind. Hier müssen wir auf jeden Fall dran bleiben.
Jacobs: Schlimm ist das! Allerdings ist es nicht so, dass Kultur gar nicht mehr stattfindet. Es gibt viele neue Wege durch die Digitalisierung. Die Frage lautet hier aber, wie schön ist das Konzert, wenn es nur noch digital erlebbar ist? In den letzten Monaten habe ich persönlich feststellen müssen, dass mir die Bereiche, in denen man Kultur in Gesellschaft erlebt, extrem fehlen. Ich vermisse das gemeinschaftliche Erlebnis. Die digitalen Plattformen sehe ich als hilfreiche Zusatzplattformen, aber sie reichen nicht. Wir brauchen weiterhin das Kulturerlebnis vor Ort.
Jacobs: Ein Teil der Arbeit war, mit den Akteuren ins Gespräch zu kommen und sie kennen zu lernen. Das war mir sehr wichtig. Ich muss jedoch sagen, dass es viele Bereiche gibt, über die ich bei Weitem noch nicht alles weiß. Das ist im Übrigen nicht nur Corona geschuldet, sondern auch der wirklich großen Kulturszene in Würzburg. Im ersten Halbjahr habe ich außerdem die vielen Baustellen der Eigenveranstaltungen kennengelernt. Im zweiten Halbjahr ging es dann um die Frage, wie wir mit diesen Baustellen weitermachen und vor allem, wie wir den Kulturschaffenden in der Krise helfen können. Dank eines tollen Teams haben wir neben der Abwicklung der Veranstaltungen, die nicht stattfinden konnten, ein schönes Alternativprogramm entwickelt. Mit dem Kulturpicknick waren wir auch eine der ersten, die sich wieder getraut haben, etwas zu machen. Das war ein schönes Erlebnis und diese Wochen habe ich sehr genossen. Das ging aber nicht nur mir und meinen Mitarbeiterin so, sondern auch den Künstlern. Ihnen tat es so gut, endlich mal wieder auf einer Bühne zu stehen und einen Applaus zu bekommen. Die Menschen leben dafür.
Jacobs: Mal Hand aufs Herz: Im ersten Quartal 2021 wird wahrscheinlich relativ wenig möglich sein. Keiner kann in den nächsten Wochen in die Zukunft schauen. Viele private Veranstalter warten nun auf die Open Air Saison. Diese wird wahrscheinlich im nächsten Jahr etwas früher starten und länger gehen. Ich bin guter Dinge, dass wir als Stadt an der ein oder anderen Stelle Unterstützungsleistung geben können. Für den Sommer sehe ich Licht am Horizont.
Jacobs: Ich bin ehrlich, das letzte Jahr war sehr arbeitsintensiv. Der Job stand im Zentrum meines Lebens. Deshalb hoffe ich, dass ich im nächsten Jahr wieder mehr Kultur in meiner privaten Zeit erleben kann, denn natürlich liebe und lebe ich auch privat für die Kultur. Ich wünsche mir mehr Freizeit. Ich liebe die Stadt Würzburg, aber ab und an ist es auch mal schön, am Wochenende rauszukommen. Das kam dieses Jahr eindeutig für uns alle zu kurz.