Die Bühnen sind leer, die Künstler verstummt und das Publikum zuhause. Die seit dem 2. November geltenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie stellen die Kulturszene nahezu still. Für diesen November heißt es wieder: Keine Kinos, Konzerte, Theater, Museen oder Ausstellungen haben geöffnet. Der Jazz-Trompeter Till Brönner richtete sich vor Kurzem an die Kulturpolitik, indem er in einem Video erklärte, dass der jetzige Lockdown das Aus für viele Künstlerinnern und Künstler bedeuten werde. Wie sieht das die Würzburger Theaterszene? Ein Stimmungsbild.
80 000 Euro in Hygienekonzept investiert
"Wir können diesem blinden und unverhältnismäßigen Aktionismus der Politik nicht mehr folgen", schimpft Csaba Béke, Direktor und künstlerischer Leiter des Theater Chambinzky. "Es wird hier ganz offensichtlich ohne Hand und Fuß mit Existenzen gespielt, sodass wir unserem Kultur- und Bildungsauftrag erneut nicht nachkommen und den Menschen keine Ablenkung in solch schlimmen Zeiten bieten dürfen." 80 000 Euro hat das Theater erst vor Kurzem in ein passendes Hygienekonzept investiert. So wurde unter anderem eine neue Belüftungsanlage eingebaut. "Alle Auflagen wurden im Theater Chambinzky akribisch umgesetzt und befolgt."
Béke sieht das Theater durch den zweiten Lockdown "existenziell überaus stark gefährdet." Er fordert die Bayerische Staatsregierung dazu auf, sofort Finanzunterstützung zu leisten. "Damit wir unseren Auftrag auch weiterhin erfüllen können." Denn: "Ohne die Vielzahl an Institutionen und Kulturschaffenden wäre unsere Stadt nicht so bunt, nicht so lebendig, nicht so lebenswert und nicht so attraktiv."
Stephan Ladnar: Bedrohung für gesamte Theaterszene
Auch Stephan Ladnar ärgert sich über die erneute Schließung, obwohl diese für die aktuellen Produktionen in der Theaterwerkstatt zunächst keine besonderen Konsequenzen habe. "Wir konnten die für Dezember vorgesehene Produktion völlig unproblematisch in den April 2021 verschieben", sagt der Geschäftsführer der Theaterwerkstatt. Dennoch sieht er im zweiten Lockdown eine Bedrohung für die gesamte Theaterszene. "Und zwar schlicht deshalb, weil ich befürchte, dass es nicht bei dem Monat November bleiben wird", so Ladnar.
Auch die Theaterwerkstatt hat bereits eine sechsmonatige Pause hinter sich. "Jetzt hatten wir gerade mal anderthalb Monate offen und müssen schon wieder schließen". Die Theaterwerkstatt könne das vielleicht gerade noch verkraften, so Ladnar, da die laufenden Kosten nicht so hoch seien. Doch wenn die Häuser zu lange geschlossen bleiben, "dann bleiben vielleicht einige Theater richtig auf der Strecke." Zusammen mit den Jobs. Freischaffende Künstler – solche, die nur von der Kunst allein leben – seien bereits jetzt schon in Gefahr. "Ein Bekannter von mir hat unlängst Hartz IV beantragen müssen."
Sitzplätze von 60 auf 20 reduziert
Ladnar teilt zwar die Furcht vor einem Wachstum der Infektionsraten, er bezweifelt jedoch, dass Kulturstätten Orte mit großen Infektionsgeschehen sind. Die Theaterwerkstatt habe beispielsweise die Sitzplatzanzahl von 60 auf 20 reduziert. Durch die einzuhaltenden Abstände zwischen den Besuchergruppen fielen nochmals fünf der 20 Plätze weg. Außerdem: "Die Zuschauer trugen Maske und für die gesamte Zeit der Vorstellung lief die Lüftungsanlage. In der Pause wurde quer gelüftet", berichtet der Geschäftsführer.
Was die versprochenen staatlichen Hilfen betrifft, so habe er die Befürchtung, dass wegen bürokratischer Hürden Hilfe häufig zu spät oder auch gar nicht kommen werde.
Unterstützung durch Stadt Würzburg
Dass es einen zweiten Lockdown geben wird, damit hat Andreas Büettner vom Theater Ensemble Würzburg schon gerechnet. "Da eine gewisse Leichtfertigkeit im Umgang mit den Pandemieanforderungen zu erkennen war", sagt er auf Anfrage dieser Redaktion. Die kurz vor dem Lockdown herausgekommene Produktion "Die schwarze Spinne" ist nun ausgesetzt, "und die Stimmung im Team getrübt."
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Das Theater Ensemble versuche nun flexibel zu agieren und die Krise durch Anpassungen zu überstehen. Was jedoch laut Büettner schon ohne Corona der Fall war. Dabei wird die Existenzsicherung des Theaters "intensiv und unkompliziert" durch die Stadt Würzburg unterstützt. In der Zwangspause sitzen Büettner und sein Team jedoch nicht tatenlos herum. Sie nutzen die Zeit, um weiter an dem Stück zu planen, welches im Dezember Premiere haben soll. Und: "Wir erneuern Einrichtung, technische Ausstattung und Fundus."
Lockdown als massive Gefährdung
Auch Sven Höhnke vom Theater am Neunerplatz weiß die Zwangspause zu nutzen. Er arbeitet gerade an zwei Kindertheaterstücken, für die momentan auch schon geprobt wird. Die Proben jedoch sehen ganz anders aus, als normal. "Wir dürfen momentan ja nur mit zwei Personen arbeiten", erzählt er. Das bedeutet, dass Proben, die normalerweise drei Stunden dauern, nun acht Tage lang gehen.
Auch er sieht den Lockdown als eine massive Gefährdung für die Theaterszene. "Es hat gerade wieder angefangen, sich in den Köpfen der Menschen zu normalisieren", sagt er. Man habe wieder Lust bekommen, ins Theater zu gehen. Man habe sich wieder reingetraut. "Und nun das."
Finanziell sieht er den Lockdown als weniger problematisch. "Aber psychologisch ist es brutal." Er ist der Meinung, auch wenn im Dezember die Theater wieder öffnen dürfen, werden die Menschen nicht kommen. "Die ganze Wintersaison ist dahin."