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Würzburg
"Würzburg ist moderner als viele glauben"
Der Unternehmer Matthias Rothkegel führt seit einem Jahr den Verschönerungsverein. Im Sommerinterview spricht der 49-Jährige über historische und moderne Bauten, übers  Anpacken und darüber, dass er nicht so gerne gegen Wände rennt.             
Matthias Rothkegel geht gerne im Steinbachtal spazieren, das der Verschönerungsverein als Naherholungsgebiet angelegt und begrünt hat. Foto: Thomas Obermeier
| Matthias Rothkegel geht gerne im Steinbachtal spazieren, das der Verschönerungsverein als Naherholungsgebiet angelegt und begrünt hat. Foto: Thomas Obermeier
Manuela Göbel
 |  aktualisiert: 27.04.2023 07:13 Uhr

Frage: Der Verschönerungsverein (VVW)  war häufig die außerparlamentarische Opposition Würzburgs. Um das Stadtbild zu bewahren,  kämpfte er gegen einen Postturm auf dem Nikolausberg oder gegen den Hotelturm in der Schweinfurter Straße. Investoren und Rathausverantwortlichen gefällt das nicht immer. Sie warfen ihm vor, dass er moderne Stadtentwicklung verhindern will. Ist das richtig? 

Matthias Rothkegel: LautSatzung ist der Zweck unseres Vereins die Verschönerung, der Erhalt  und der Schutz des Erscheinungsbildes der Stadt Würzburg und ihrer Umgebung. Für die Bewahrung und Pflege von historisch wertvoller und unter Denkmalschutz stehender Bausubstanz treten wir mit hörbarer Stimme ein. Auch wenn ich persönlich lieber erst einmal zuhöre, als sofort laut los zu poltern. 

Dass der VVW in jüngster Zeit etwas ruhiger auftritt, liegt am neuen Vorsitzenden? 

Rothkegel: Wir äußern unsere Meinung nach wie vor. Sei es kürzlich zum Erhalt des Ämterhochhauses in der Augustinerstraße oder demnächst zur Bebauung des Post-Areal am Bahnhof oder den Plänen mit der Frankenhalle. Aber tatsächlich bin ich ein Freund des Miteinanders und suche das Gespräch. Auch mit Investoren. Gegen Wände renne ich einfach nicht so gerne. Aber die Hauptaufgabe des Vorstands ist auch nicht das Aufsetzen von Pressemitteilungen.  

Sondern?

Rothkegel: Leider beschäftigen uns momentan vor allem unsere Immobilien. Allen voran das  Waldhaus im Steinbachtal, das lange nicht vermietet war und einen hohen Sanierungsbedarf hat. Auf der jüngsten Versammlung haben wir den Mitgliedern jetzt einen langfristige Erbpachtvertrag mit dem Diakonische Werk vorgeschlagen. Die evangelische Kinder- und Jugendhilfe betreut im Waldhaus seit 2015 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und würde dort gerne langfristig weiter arbeiten. Aber auch die Frankenwarte und die Richter-Villa am Ludwigkai sind keine einfachen Objekte und verlangen einigen Aufwand. Ich hoffe, dass wir hier einiges so klären können, dass wir mehr Energie in die Zukunft des Vereins stecken können.  

Gehört da auch ein neues Branding dazu? Der Name Verschönerungsverein ist ja schon sehr altbacken. 

Rothkegel: Als Würzburger den Verein vor 148 Jahren gegründet haben, ging es im wahrsten Sinne des Wortes darum, die Stadt und ihr Umfeld zu verschönern. Dafür wurden 540 000 Quadratmeter Grünanlagen auf eigene Kosten auf dem Nikolausberg, im Steinbachtal, auf der Sieboldshöhe und an anderen Stellen des Stadtgebiets angelegt. Daher kommt der Name unseres altehrwürdigen Vereins. Nachwuchsprobleme haben wir deshalb keine. Mit derzeit rund 500 Mitgliedern ist der Verein sogar in den letzten Jahren ein bisschen gewachsen. 

Wo wollen Sie als Vorsitzender neue Schwerpunkte setzen?  

Rothkegel: Zum Beispiel wollen wir den Austausch mit anderen Vereinen wie zum Beispiel den Altstadtfreunden Nürnberg oder Aschaffenburg verstärken. Und verstärkt eigene Themen setzen.

Welche Themen? 

Rothkegel: Mehr Grün in Würzburg ist zum Beispiel eines, das uns am Herzen liegt. Die Blumenschmuckwettbewerbe der Arbeitsgemeinschaft "Grüner Kreis" unterstützt der Verschönerungsverein ja schon lange. Jetzt gehen wir das Thema etwas breiter an und wollen zum Beispiel die Diskussion anstoßen, wie und wo die Innenstadt tatsächlich mehr Grünflächen oder Bäume bekommen kann. Das haben wir zum Beispiel mit einer Podiumsdiskussion auf der Landesgartenschau getan, bei der es um Stadtbäume, Stadtklima und moderne Formen von Begrünung ging.

Ein anderes Thema ist die Frage, ob es für Denkmäler eine Haltbarkeitsgrenze gibt. Sprich, ob man irgendwann auch sagen muss, es ist nicht mehr zu halten. Eine spannende Diskussion, in der wir mit öffentlichen Veranstaltungen Akzente setzen möchten.  Das ist ja auch eine Form, wie man sich einbringen kann. Es muss ja nicht immer der Leserbrief sein.

Zur Person: Matthias Rothkegel
Das Sommerinterview
Für unsere Reihe "Sommerinterview" haben wir Menschen aus der Region Würzburg gebeten, sich mit uns an einem Platz zu treffen, den sie schätzen und etwas Zeit für ein Gespräch mitzubringen.  
Seit 2017 ist Matthias Rothkegel Vorsitzender des Verschönerungsvereins Würzburg. Der 49 Jahre alte Glasermeister und technischer Betriebswirt ist in Würzburg aufgewachsen und leitet die GLR Rothkegel GmbH & Co KG in fünfter Generation. Die Glaswerkstätte und Lichtmanufaktur hat 16 Mitarbeiter. Rothkegel wohnt auf dem Heuchelhof und hat zwei erwachsene Kinder.

Warum interessieren Sie sich für Denkmäler? 

Rothkegel: Wenn man von Kindesbeinen an in alte Kirchen geschleppt wurde, hinterlässt das natürlich dauerhafte Schäden wie zum Beispiel ein herzliches Verhältnis zu alten Gemäuern.

Gefallen Ihnen diese prinzipiell besser als moderne?

Rothkegel: Mir gefallen Gebäude mit Wertigkeit. Diese drückt sich für mich in den Materialien und der Nachhaltigkeit der Bauweise aus. Die immer gleiche, unruhige Schlitzfassade gehört da nicht dazu. Dem Auge tut im Stadtbild einfach mal etwas Abwechslung gut. Deshalb finde ich auch den Weg interessant, wie in Frankfurt zwischen Dom und Römer 15 Neubauten als schöpferische Rekonstruktionen historischer Altstadthäuser gebaut wurden.  

Dem Würzburger Stadtbaurat Christian Baumgart würden solche historischen Kulissen höchst wahrscheinlich nicht gefallen.Er verteidigte in Würzburg umstrittene, moderne Architektur einmal so: "Jede Generation muss die Chance haben, baulich ihre Spuren zu hinterlassen." Ist zeitgenössisches Bauen in Würzburg schwierig, weil die Stadt konservativ ist oder am Trauma der Zerstörung leidet?

Rothkegel: Würzburg ist moderner als viele glauben. Denn die Aufgeschlossenheit und das geistige Potential der hier lebenden Menschen schätze ich als sehr hoch ein. Wir Würzburger schätzen aber auch das, was wir haben.  

Gibt es auch moderne Bauten, die der Verschönerungsverein schätzt?

Rothkegel: Da hat wohl jeder im Verein eine eigene Meinung. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass man sich auch an Architektur, die man am Anfang befremdlich findet, mit der Zeit gewöhnen kann. Dazu braucht es Vertrauen statt Hysterie und die Fähigkeit, auch mal ein Stück zurück zu treten. Wenn man es aber schafft, inne zu halten und etwas auf sich wirken zu lassen, muss man öfter sagen: Sieht doch gar nicht so schlecht aus. Das ist für einen Franken doch schon ganz gut.

Sommerinterview  im Grünen: Redakteurin Manuela Göbel und Matthias Rothkegel im Gespräch. Foto Thomas Obermeiser
| Sommerinterview  im Grünen: Redakteurin Manuela Göbel und Matthias Rothkegel im Gespräch. Foto Thomas Obermeiser

Sie leiten die Glaswerkstätte und Leuchtenmanufaktur Rothkegel mit 16 Mitarbeitern, haben Familie und sind beruflich viel unterwegs. Wie kamen Sie zum aufwändigen Ehrenamt des Vereinsvorsitzenden?

Rothkegel: Neben meiner frühkindlichen Prägung habe ich natürlich auch einen professionellen Bezug zur Bau- und Kunstgeschichte. Wir restaurieren Glasmalereien, entwickeln Lichtkonzepte für historische Räume, arbeiten mit Architekten und Künstlern zusammen. Mit diesen fachlichen Erfahrungen wollte ich mich im Verein gerne einbringen und bin ihm vor drei Jahren beigetreten. Als ich dann vergangenes Jahr gefragt wurde, ob ich den Vorsitz übernehmen will, habe ich halt'Ja' gesagt.

Warum?

Rothkegel: Gute Frage. Ja das ist wahrscheinlich eine Spätfolge meines Engagements beim Bayerischen Roten Kreuz. Wo man mich hinstellt, da packe ich dann halt an. 

Diesen Zusammenhang müssen Sie ein bisschen näher erklären

Rothkegel: Ich habe als Jugendlicher angefangen, im Rettungsdienst zu arbeiten und dabei viel fürs Leben erfahren. Man lernt Stress auszuhalten, sich schnell zu entscheiden und blickt in fremde und eigene Abgründe. Neben Menschenkenntnis gewinnt man dabei an Demut: Man selbst als Einzelner ist gar nicht so wichtig. Man entwickelt einen bestimmten, vielleicht etwas zynischen Humor, aber auch eine pragmatische Einstellung zum Leben, in dem es eben Aufgaben gibt, die jemand erledigen muss.          

Sie sind Mitglied der CSU und arbeiten zum Beispiel beim Arbeitskreis "Hochschule und Kultur" mit. Warum engagieren Sie sich politisch?

Rothkegel: Ich erlebe die CSU als heterogenen, streitlustigen Haufen, in dem man mit seiner Meinung ernst genommen wird. Meckern und nörgeln kann jeder. Wer aber etwas verändern will, muss das von drinnen und nicht von draußen tun.  

Für die Würzburger CSU ist der Verschönerungsverein nicht immer positiv besetzt. Bei manchen Neubauvorhaben stellt sich der Verschönerungsverein gegen Oberbürgermeister Christian Schuchardt und seine Stadtratsfraktionen. Spüren Sie da als Parteifreund manchmal Druck?  

Rothkegel: Bislang habe ich nichts verspürt.  

 
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