
Michael Schneeberger, dem das Johanna-Stahl-Zentrum im "Shalom Europa jetzt eine ab 5. November zu sehende Ausstellung widmet, muss wahrlich eine schillernde Figur gewesen sein. In der Schule war er gescheitert, er übte keinen regelmäßigen Beruf aus und wurde doch für die Erinnerungskultur in Bayern eine feste Größe. Denn er erforschte ebenso rastlos wie selbstlos jüdische Gemeinden in Unterfranken und später auch in ganz Bayern. Dem Johannna-Stahl-Zentrum vermachte der jüdische Heimatforscher, der in diesem Jahr seinen 70. Geburtstag hätte feiern können, seinen Nachlass.
"Es war an der Zeit, diesen Heimatforscher einmal zu würdigen", sagt Rotraud Ries, die Leitern des Johanna-Stahl-Zentrums, die zusammen mit der wissenschaftlichen Volontärin Maja Andert die Ausstellung "Der Spurenfinder - Michael Schneeberger und das jüdische Erbe in Bayern" konzipiert hat. Schon als Jugendlicher habe er sich von seinen Altersgenossen dadurch unterschieden, dass er in der Gesellschaft einen Widerspruch sah zwischen dem, was mit den Juden im Dritten Reich geschehen ist, und wie nach Kriegsende damit umgegangen wurde.
Auf Fragen nach den Juden gab es keine Antworten
Michael Schneeberger, der am 6. April 1949 in Kitzingen geboren wurde, stammte aus einer evangelischen Familie, die jedoch nicht sehr religiös war. Bereits als Jugendlicher begann er Fragen zu stellen: Was war in seiner Heimat zwischen 1933 und 1945 geschehen? Wer trug Schuld am Verschwinden der Juden? Antworten erhielt der junge Michael Schneeberger nicht, weshalb er sich selbst auf Spurensuche begab. Er begann Hebräisch zu lernen und setzte sich mit der Jüdischen Gemeinde in Würzburg in Verbindung. Er war ein echter Überzeugungstäter, der einzig und allein aus eigenem Antrieb handelte.
Mit 20 Jahren dachte er erstmals darüber nach zum Judentum zu konvertieren, nach Israel umzuziehen, und dort in einem Kibbuz leben. Er fühlte sich hin und her gerissen und geriet in eine tiefe existenzielle Krise, berichtet Rotraud Ries, die Schneeberger zwar hin und wieder im "Shalom Europa" gesehen, ihn aber nie persönlich kennengelernt hat. Erst zehn Jahre später, 1982, reiste er nach Israel und studierte die jüdische Religion. 1985 entschloss er sich, endgültig nach Israel zu ziehen, was daran scheiterte, dass er schwer erkrankte und in Deutschland bleiben musste. 1986 trat er schließlich zum Judentum über.

Viel beachtete Ausstellung über den Judenfriedhof in Rödelsee
Zunächst fokussierte er seine Forschungen, für die er so gut wie nie Geld bekam, auf die Kitzinger Juden. Er interessierte sich dabei nicht nur für von Nazis Ermordeten, sondern für alle jüdischen Familien der Stadt. Dazu engagierte er sich als aktives Gründungsmitglied im "Förderverein Ehemalige Synagoge Kitzingen", der sich für den Erhalt der Synagoge einsetzte. Sein immer größer werdendes Wissen trug er im Gedenkbuch "Yiskor", Ausstellungen, Führungen und Vorträgen in die Öffentlichkeit.
Während seiner Arbeit lernte er den Fotografen Christian Reuther kennen, mit dem er 1990/91 eine große Ausstellung über den jüdischen Friedhof in Rödelsee realisierte, die in vielen Städten Deutschlands gezeigt wurde und große Beachtung fand. Drei großformatige Bilder von jüdischen Grabsteinen, die aus der Original-Ausstellung stammen, hat Reuther für die jetzige Ausstellung zur Verfügung gestellt. Außerdem werden in der Ausstellung fünf Videos mit Interviews gezeigt, in denen Personen, die Umgang mit Schneeberger hatten, über seine Persönlichkeit sprechen.
Jüdische Landgemeinden in Bayern
Später weitete Schneeberger sein Engagement auf jüdische Landgemeinden in ganz Bayern aus, wofür er in in- und ausländischen Archiven recherchierte. Das Material füllte mehrere hundert Mappen. Außerdem veröffentlichte Schneeberger im Magazin "Jüdisches Leben in Deutschland" eine Artikelserie zu diesem Thema. Er wurde häufig zu Vorträgen eingeladen, schrieb zahlreiche Artikel und war ein gefragter Experte für jüdische Religion und Genealogie. Sein gesundheitlicher Zustand verschlechterte sich jedoch immer mehr. Schneeberger starb am 13. Oktober 2014. Er ist auf dem Jüdischen Friedhof in Würzburg begraben.
Die Ausstellung im Johanna-Stahl-Zentrum kann bis 19. April 2020 besucht werden. Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag 10 bis 17 Uhr, Freitag 10 bis 14 Uhr,. An folgenden Sonntagen ist die Ausstellung von 11 bis 16 Uhr geöffnet: 10. November, 1. Dezember, 12. Januar, 2. Februar, 1. März und 19. April. An diesen Sonntagen findet jeweils um 15 Uhr eine Führung statt.