Er ist der Pate der diesjährigen Aktion Zeichen setzen, mit der die Mediengruppe Main-Post und das katholische Bildungshaus Lernwerk Volkersberg das Ehrenamt in Unterfranken würdigen: Heinrich Bedford-Strohm, seit 2011 Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und seit 2014 Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland. Er stammt aus Memmingen, ist 58 Jahre alt und war Professor für Systematische Theologie mit Schwerpunkt Sozialethik an der Universität Bamberg. Er ist verheiratet und hat drei erwachsene Söhne.
Frage: Bischof Bedford-Strohm, was sind für Sie die großen drängenden Fragen der Zukunft – und was kann die Kirche an Antworten anbieten?
Heinrich Bedford-Strohm: An jedem Tag sterben 21 000 Menschen, weil sie nicht genug zu essen oder Medizin haben, obwohl von beidem genug auf der Welt da ist. Das ist ein moralischer Skandal. Das muss aufhören! Damit eng verbunden: Wie können wir unser Leben ändern, damit auch in Zukunft noch Menschen leben können? Wie finden wir eine Art des Wirtschaftens, die verträglich ist mit der Natur? Da hat sich viel getan, aber wir müssen diese große Herausforderung sehen und die Konsequenzen ziehen. Aus welcher Kraft können wir die Zukunft gestalten? Der christliche Glaube ist für das private wie für das öffentliche Leben eine ganz große Kraftquelle.
Hilft Beten für eine bessere Zukunft?
Bedford-Strohm: Für mich ist Frömmigkeit kein Auslaufmodell, sondern ein Zukunftsmodell. Das Innehalten, sich etwas sagen lassen, auch sich infrage stellen lassen, ist die Grundlage für ein gutes Leben.
Sie haben die Bürger einmal gemahnt: Hört auf, verliebt zu sein in die Krise. Wie wollen Sie Ihren Optimismus übertragen nach den Krisendebatten der vergangenen Jahre?
Bedford-Strohm: Es ist doch die zentrale Frage: Leben wir aus einem Narrativ der Angst oder aus einer Grunderzählung der Hoffnung? Ich glaube, dass es jedem Einzelnen und unserem Land guttut, die Quellen der Hoffnung neu zu entdecken und wahrzunehmen, wie gesegnet wir sind. Das darf nicht echte Situationen des Mangels übertünchen. Einem Menschen, der in Armut lebt, darf man das nicht sagen. Aber Freude, Zuversicht und Kraft auszustrahlen, ist eben nicht nur eine Sache des Budgets, etwa einer Landeskirche. Unsere Botschaft hat Paulus mit den Worten Glaube, Hoffnung und Liebe beschrieben. Das ist das Stärkste, was man als Basis für das Leben haben kann. Und das dürfen wir Kirchen, aber auch die Gesellschaft über die Kirchen hinaus, wiederentdecken.
Unsere Serie Zeichen setzen befasst sich mit dem Ehrenamt. Nun sind Ehrenamtliche, so scheint mir, Menschen, die die Hoffnung haben, dass etwas besser werden kann. Wie wichtig ist das Ehrenamt für die evangelische Kirche?
Bedford-Strohm: Wir wären nichts ohne das Ehrenamt. Das habe ich heute Morgen beim Gottesdienst hier in Nürnberg erfahren. Diese Erfahrung hatte ich schon als junger Gemeindepfarrer gemacht. Das Ehrenamt verändert sich aber. Die Menschen wollen das Amt auch gestalten, sie wollen nicht nur Hilfsdienste leisten. Sie wollen nicht Ausputzer sein, sie wollen Verantwortung übernehmen. Und das ist auch gut so! Viele machen die Erfahrung: Ich bin ein glücklicherer Mensch, weil ich helfen kann. Das Doppelgebot der Liebe ist ja eigentlich ein Dreifachgebot: Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben von ganzem Herzen und den Nächsten wie dich selbst. Dass die Selbstliebe nicht gegen die Nächstenliebe steht, erfahren ehrenamtlich Engagierte, wenn sie ganz viel zurück bekommen, wo sie anderen Menschen helfen.
Ist es also leichter, sich ehrenamtlich zu engagieren, wenn man gläubiger Christ ist?
Bedford-Strohm: Ich weiß nicht, ob es leichter ist, aber ein Christ lebt auf jeden Fall aus einer großen Kraft. Martin Luther hat immer wunderbar deutlich gemacht, wie der Glaube und die Liebe untrennbar zusammengehören. Freiheit heißt, dass ich in Gott so fest gegründet bin, dass ich Zivilcourage zeigen kann, und dass die Liebe Gottes in mir überfließt zum Nächsten. Das ist die Freiheit eines Christenmenschen.
In Unterfranken haben wir viele Kirchengemeinden, die sich – oft in ökumenischer Eintracht – für Flüchtlinge engagieren. Wir haben aber auch eine Debatte über Flüchtlinge erlebt, die man in dieser Schärfe vor einiger Zeit nicht für möglich gehalten hätte. Beruhigt es Sie, wenn die Gemeinden und die anderen Helfer ihren Kurs so unbeirrt fortsetzen?
Bedford-Strohm: Es ist sehr wichtig, sich nicht verunsichern zu lassen und die Hilfsbereitschaft, die sich 2015 gezeigt hat, nicht schlechtzureden. Der Ausgangspunkt für die Flucht aus Syrien war doch die Not und die Gefahr für das eigene Leben. Nicht, dass die Bundeskanzlerin ein Selfie mit einem Flüchtling gemacht hat. Deutschland hat in sehr kurzer Zeit sehr viele Menschen aufnehmen müssen. Ich bin stolz, dass das so gut gelungen ist. Die Menschen haben Empathie gezeigt, spontan angepackt und nicht als Erstes gerufen, die Grenzen dicht zu machen.

Sie werden zuweilen mit abwertender Intention als Gutmensch bezeichnet, aber auch eher ironisch als Barmherzigkeitsmaximalist. Der Kabarettist Bruno Jonas hat Sie den „Heiligen Bedford-Strohm“ genannt. Ärgert Sie so etwas?
Bedford-Strohm: Ach, das lässt mich relativ gelassen, ich schmunzele darüber. Wir als Kirchen treten dafür ein, dass unsere Verantwortung nicht an den bayerischen, deutschen oder europäischen Grenzen endet. Jeder Mensch ist nach dem Bild Gottes geschaffen. Wir müssen uns Gedanken machen, wie alle jene, die nicht nach Deutschland kommen können, anderswo überleben, und mehr noch, in Würde leben können. Das ist nicht naiv und auch kein Gutmenschentum, sondern eine Selbstverständlichkeit für alle, die sich an der Goldenen Regel orientieren: Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch!
Sie haben einmal gesagt, das Ehrenamt ist die einzig richtige Antwort auf islamfeindliche Demonstrationen.
Bedford-Strohm: Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, wollen Lösungen. Engagement, Barmherzigkeit, Nächstenliebe – das alles ist geprägt von Lösungsorientierung. Theoriedebatten, große Volksreden, womöglich gar Hetze, all das schafft keine Lösungen. Das lähmt. Ehrenamtliche packen an, ganz schlicht. Das ist das Grundgesetz in der praktischen Umsetzung.
Die AfD sitzt im Bayerischen Landtag. Sie haben vom „Grundkonsens des Sagbaren“ gesprochen. Wo hört der für Sie auf?
Bedford-Strohm: Überall da, wo gehetzt wird. Überall da, wo ganze Menschengruppen pauschal abgewertet werden. Erst recht da, wo Rassismus oder Antisemitismus versteckt oder offen zum Ausdruck gebracht werden. Überall da darf keine Toleranz gelten. Wo Intoleranz zum Programm gemacht wird, darf man nicht tolerant sein. Die AfD muss sich daran messen lassen, ob sie wirklich Lösungen anbieten kann oder ob sie nur Ängste verstärkt.
Wo engagieren Sie sich denn ehrenamtlich oder ist das mit den beiden Funktionen auf Ebene der Landeskirche und der EKD nicht mehr möglich?
Bedford-Strohm: Früher habe ich natürlich mehr Zeit dafür gehabt. Das fing schon an, als ich Schülersprecher war. Später habe ich zum Beispiel auch ehrenamtlich als Geiger in einem Orchester mitgespielt. Heute gibt es ein Projekt in Ruanda mit dem Namen Wikwiheba – „Verlier nicht die Hoffnung“, bei dem wir uns als Familie besonders engagieren. Das ist mir besonders wichtig. In einer evangelischen Kirchengemeinde bekommen Schulkinder jeden Tag ein kostenloses Mittagessen. Als Verein Wikwiheba können wir unter anderem das Schulgeld für die höhere Schule bezahlen. Und Ausbildungen für Schneiderinnen oder junge Männer, die Motorradführerscheine machen und dann als Taxifahrer arbeiten. In einem anderen Dorf konnte der Verein Zisternen besorgen und Solaranlagen für Strom und warmes Wasser installieren. Meine Schwiegertochter hat viel Erfahrung mit Kunstprojekten und hat mit meinem Sohn zusammen die Dorfbewohner dabei unterstützt, den Wassertank zu bemalen. Ein anderer Sohn hat einen Film gedreht, der jetzt auf der Wikwiheba-Homepage abzurufen ist. Das ist ein Projekt, das mir sehr am Herzen liegt.
Paten der Aktion "Zeichen setzen" aus den früheren Jahren
- Interview mit TV-Star Marie-Luise Beimer
- Interview mit Florett-Olympia-Siegerin Sabine Bau
- Interview mit Autorin Tanja Kinkel
Würdigung des Ehrenamtes in Unterfranken
Die Aktion Zeichen setzen zeichnet Menschen aus, die mit ihrem ehrenamtlichen Engagement das Leben vor Ort besser machen. In diesem Jahr würdigen die Mediengruppe Main-Post und das Lernwerk Volkersberg zum 16. Mal vorbildliches ehrenamtliches Engagement.
Fünf Förderpreise sind 2018 im Rahmen der Aktion Zeichen setzen ausgeschrieben. Den ersten Preis, 3000 Euro, stiftet seit 2004 die Fürstlich Castell?sche Bank. Zu gewinnen sind auch Sonderpreise der Main-Post mit 1000 und des
Lernwerk Volkersberg mit 500 Euro. Die Bürgerstiftung der VR-Bank Würzburg beteiligt sich wieder an der Aktion – mit einem Förderpreis
von 1500 Euro, speziell für freiwilliges bürgerschaftliches Engagement im Raum Würzburg. Das Evangelisch-Lutherische Dekanat Würzburg beteiligt sich mit einem Preis über 1000 Euro an der Aktion Zeichen setzen.
Die Preisverleihung ist am 17. Dezember im Rahmen einer Feierstunde im Würzburger Vogel Convention Center.
Die Patenschaft für die diesjährige Aktion Zeichen setzen hat Heinrich Bedford-Strohm, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, übernommen.