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WÜRZBURG
Mutter Beimer: "Mir wurde geholfen, ich habe geholfen"
Marie-Luise Marjan im Gespräch: Die Schauspielerin ist Patin der Aktion Zeichen setzen der Mediengruppe Main-Post und überzeugt davon, dass es ohne soziales Engagement nicht geht.
Regina Krömer
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:03 Uhr

 

Sie ist Schauspielerin und seit über 30 Jahren als Helga Beimer eine prägende Figur der Serie Lindenstraße im Ersten. Bis 1982 war sie durchgehend an namhaften Schauspielhäusern engagiert und wirkt bis heute in großen TV-Produktionen mit. Sie ist Autorin und Herausgeberin. Sie hat nicht nur ein „Bambi“ zu Hause, sondern auch das Große Bundesverdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland – für jahrzehntelanges Engagement im Ehrenamt bei Unicef, Plan International und bei den Maltesern. In diesem Jahr ist Marie-Luise Marjan die Patin der Aktion Zeichen setzen der Mediengruppe Main-Post.

Frage: Als wir Sie fragten, ob Sie die Patenschaft der Aktion Zeichen setzen übernehmen wollen, haben sie spontan Ja gesagt …

Marie-Luise Marjan: Das war für mich gar keine Frage. Ich weiß was es heißt, Zeichen zu setzen und ehrenamtlich tätig zu sein. Außerdem habe ich eine persönliche Verbindung zu Würzburg; ich habe hier meine Familie väterlicherseits gefunden.

Das war vor zehn Jahren. Sie haben mithilfe der ARD-Sendung „Das Geheimnis meiner Familie“ herausgefunden, dass Sie in Würzburg Cousinen und Cousins haben.

Marjan: Ich bin bei Adoptiveltern in Hattingen an der Ruhr groß geworden. Meine Adoptivmutter starb, als ich sechszehneinhalb war. Auch mein Adoptivvater ist früh gestorben, das war im Jahr 1967. Seitdem war ich auf mich allein gestellt. Ich habe nie mit echten Verwandten zusammengelebt, sondern mit Wahlverwandten. Dass ich vor zehn Jahren meine Blutsverwandten kennengelernt habe, macht mich dankbar. Ich habe damals alle eingeladen zu meinem Geburtstagsfest im Juliusspital. Wir verstehen uns gut.

Ihre leibliche Mutter haben Sie auch kennengelernt.

Marjan: Ja, aber sie hat geschwiegen. Jetzt, wo ich ihre ganze Geschichte und den Zusammenhang kenne, verstehe ich, dass sie mich zur Adoption freigegeben hat. Das war mitten im Krieg. Ich denke, wir haben alle mehr oder weniger schwierige Geschichten in unseren Familien.

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Das klingt versöhnlich.

Marjan: Man muss verstehen, begreifen und verzeihen. Uns alle holt das alte Leben immer wieder ein. Wir alle müssen lernen, die Dinge nicht zu verdrängen, sondern zu verarbeiten. Hadere nicht, sondern erkenne dein Leid an. Dann kommst du auch damit klar. Ich war ein Kind, das Hilfe brauchte. Auch durch mein soziales Engagement habe ich immer den Boden unter den Füßen behalten.

Und dafür sind Sie dankbar.

Marjan: Dafür bin ich sehr dankbar. Und ich bin überzeugt davon, dass es in unserer Gesellschaft ohne soziales Engagement nicht geht. Unsere Bevölkerung ist aufgerufen, ehrenamtlich tätig zu sein. Wenn sie das nicht tun würde und alles dem Staat überließe, dann wären wir in einer halben Wüste. Das ist etwas überspitzt ausgedrückt, stimmt aber im Kern. Wir müssen uns einfach gegenseitig helfen. Das ist eine Kette, die nie abreißen darf.


Sie haben vor sieben Jahren 70. Geburtstag gefeiert. Sie haben die Marie-Luise-Marjan-Stiftung gegründet – unter dem Dach der Organisation Plan International, einem der ältesten Kinderhilfswerke überhaupt. Sie unterstützen mit Ihrer Stiftung ein Ernährungsprogramm in Paraguay („Ein Ei für Paraguay“, Anmerkung der Redaktion), ein Projekt gegen Kinderheirat in Bangladesch, ein Stipendienprogramm im Norden Thailands und aktuell ein Umweltprogramm im Norden Thailands. Speziell geht es da um den Klimawandel.

Marjan: Seit 1990 arbeite ich ehrenamtlich mit großer Freude für Plan. Dabei habe ich viele Erfahrungen in den verschiedensten Ländern gesammelt. Angefangen habe ich mit Patenkindern – ein Mädchen in Indien, ein Bub in Sri Lanka, ein Mädchen in Vietnam und zurzeit ein Mädchen in Paraguay und ein Mädchen in Haiti. Das ist die eine Sache.

Und die andere Sache?

Marjan: Zu meinen 70. Geburtstag habe ich mir die Marie-Luise-Marjan-Stiftung geschenkt. Das ist eine Zustiftung unter dem Dach von Plan International. Plan arbeitet in 60 Ländern, hat alle Möglichkeiten und weiß, um was es geht, wie man Strukturen aufbaut und wie man den Menschen nachhaltig helfen kann. Durch die Stiftung ist es mir möglich, mich noch gezielter und präziser einzubringen.

Zum Beispiel?

Marjan: Zum Beispiel bei 30 Mädchen einer ethnischen Minderheit im Norden Thailands, im Goldenen Dreieck, die mit ihren Familien in einem Gebiet lebt, in dem früher Opium angebaut wurde. Die Mädchen studieren die Landwirtschaft, um das dann in ihren Dörfern weiterzugeben. Mit großer Freude beobachten wird, wie sich das Projekt weiterentwickelt. Es geht ums Helfen und ums Aufbauen. Es geht natürlich auch um die Frage, wie man Gelder generieren kann, um zu helfen.


Wie sehen Sie die Spendenfreudigkeit der Menschen?

Marjan: Immer wieder habe ich festgestellt, dass die Deutschen sehr gebefreudig sind. Wenn man zu Spenden aufruft, dann sind sie wirklich sehr generös. Ich kenne keine andere Nation, die so bereit ist, zu geben, zu teilen und zu helfen.

Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Marjan: Vielleicht hat es auch mit den Kriegserfahrungen der Deutschen zu tun. Wenn ich mir allein überlege, was damals die sogenannten Trümmerfrauen geleistet haben. Da ging es ums Zupacken. Die Frauen haben damals die Städte wieder aufgebaut. Es sind die Frauen, die die treibende Kraft entwickeln. Das kann man auch in Asien beobachten. Dort studieren immer mehr Frauen und übernehmen immer mehr leitende Positionen. Sie sind auf dem Vormarsch.

Eine bemerkenswerte Entwicklung ...

Marjan: Uns geht es um die Entwicklung der Mädchen in der Welt. Bei Plan International gibt es seit 2003 eine Kampagne „Because I am a girl – weil ich ein Mädchen bin“. Marianne Raven (eine der Mitbegründerinnen von Plan Deutschland, Anmerkung der Redaktion) und Senta Berger als Schirmherrin haben diese Initiative ins Leben gerufen. Besonders die Mädchen brauchen unseren Schutz und unsere Unterstützung, damit sie die Chance haben, ein gleichberechtigtes Leben zu führen. Für die Kinderrechte kämpfen wir schon seit Jahren.

Marie-Luise Marjan ist es egal, ob man sich in Entwicklungsländern engagiert oder vor der Haustür. „Es geht einfach um die Notwenigkeit, dass man es tut“, sagt sie im Interview.
Foto: Angie Wolf | Marie-Luise Marjan ist es egal, ob man sich in Entwicklungsländern engagiert oder vor der Haustür. „Es geht einfach um die Notwenigkeit, dass man es tut“, sagt sie im Interview.
Sie sind Schauspielerin, Sie gehen über rote Teppiche, und Sie gehen in Entwicklungsländer und scheuen sich nicht, genau hinzusehen. In welchem Spannungsverhältnis sind Sie da?

Marjan: Allein 20 Jahre war ich Theaterschauspielerin und habe an großen deutschen Bühnen gespielt. So war ich es gewöhnt, quasi geistig über rote Teppiche zu gehen. Ich bin da ziemlich geerdet. Bei meinem sozialen Engagement geht es um Nähe. Ich bin 1940 geboren. Mir wurde geholfen und ich habe geholfen. Ich bin mit dem Gedanken des gegenseitigen Helfens groß geworden. Das war die Erziehung.

Viele Organisationen haben Sie um eine Hilfe gebeten und Sie konnten nicht nein sagen. War Ihnen das nicht manchmal zu viel?

Marjan: Nein, nein, man kann ja so viel nachhaltig bewirken mit den Organisationen. Unicef, Plan International, die Malteser, Lebensbrücke St. Petersburg ... Auch in Köln, wo ich seit 32 Jahren Lindenstraße drehe, habe ich ein Ehrenamt übernommen und wurde dafür geehrt. So wie Sie mit Ihrer Aktion Zeichen setzen am 1. Dezember hoffentlich auch alle ehren werden. Im kleinen Kreis zu helfen ist genauso wichtig, wie in der großen Welt. Egal, ob man sich in Entwicklungsländern engagiert oder vor der Haustür. Es geht einfach um die Notwendigkeit, dass man es tut. Und – es macht Freude. Nicht nur mir.

Die Förderpreise der Aktion Zeichen setzen

Die Aktion Zeichen setzen zeichnet Menschen aus, die mit ihrem ehrenamtlichen Engagement das Leben vor Ort besser machen. In diesem Jahr würdigen die Mediengruppe Main-Post und das Lernwerk Volkersberg zum 15. Mal vorbildliches ehrenamtliches Engagement. Fünf Förderpreise sind 2017 im Rahmen der Aktion Zeichen setzen ausgeschrieben. Den ersten Preis, 3000 Euro, stiftet seit 2004 die Fürstlich Castell'sche Bank. Zu gewinnen sind auch Sonderpreise der Main-Post mit 1000 und des Lernwerk Volkersberg mit 500 Euro. Die Bürgerstiftung der VR-Bank Würzburg beteiligt sich wieder an der Aktion – mit einem Förderpreis von 1500 Euro, speziell für freiwilliges bürgerschaftliches Engagement im Raum Würzburg.

Erstmals beteiligt sich in diesem Jahr das Evangelisch-Lutherische Dekanat Würzburg mit einem Preis über 1000 Euro an der Aktion Zeichen setzen. Die Preisverleihung ist am 1. Dezember im Rahmen einer Feierstunde im Würzburger Vogel Convention Center. Die Patenschaft für die diesjährige Aktion Zeichen setzen hat die Schauspielerin Marie-Luise Marjan übernommen.

 

 
 
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