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Würzburg
Winnetou-Verkaufsstopp: Das sagt ein Würzburger Experte zu den Rassismus-Vorwürfen
Wegen Rassismus-Vorwürfen hat der Ravensburger Verlag mehrere Winnetou-Produkte aus dem Sortiment genommen. Das sorgte für Debatten. Nun äußert sich ein Würzburger Experte dazu.
Der Film 'Der junge Häuptling Winnetou', der am 11. August in die Kinos kam, steht in der Kritik. Er bediene rassistische Vorurteile und nutze eine kolonialistische Erzählweise. Ravensburger nahm deshalb nach Kritik die zugehörigen Bücher aus dem Verkauf. Das sorgte für Schlagzeilen.
Foto: Marc Reimann/Leonine Studios/dpa | Der Film "Der junge Häuptling Winnetou", der am 11. August in die Kinos kam, steht in der Kritik. Er bediene rassistische Vorurteile und nutze eine kolonialistische Erzählweise.
Sophia Scheder
Sophia Scheder
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:15 Uhr

Nach "vielen negativen Rückmeldungen" zu zwei Jugendbüchern hat der Ravensburger Verlag zum Filmstart von "Der junge Häuptling Winnetou" die Titel aus seinem Sortiment zurückgezogen. Grund dafür: Heftige Vorwürfe aus dem Netz, wonach der Stoff, der auf den Karl May-Büchern basiert, rassistische Stereotype über die Ureinwohner Nordamerikas wiedergeben würde. In einem Instagram-Post begründete die Firma dies mit der Kritik vieler Nutzer, die gezeigt habe, "dass wir mit den Winnetou-Titeln die Gefühle anderer verletzt haben".

Stefan Lutz-Simon ist Leiter der Jugendbildungsstätte Unterfranken und Sprecher des Würzburger Bündnisses für Demokratie und Zivilcourage, zu dem auch der Ombudsrat gehört. Im Gespräch erklärt der 53-Jährige, worum genau es in der Debatte geht, was er zur Entscheidung des Verlages sagt und was man heute seiner Meinung noch sagen darf, und was nicht.

Frage: Was ist die Kritik an den neuen Winnetou-Büchern?

Stefan Lutz-Simon: Dass weiße Menschen Figuren erfinden, die dann Bilder von Minderheiten prägen. Karl May ist indigenen Menschen nie begegnet. Wahrscheinlich auch nicht die Autorinnen und Autoren der zurückgezogenen Bücher. Karl May hat romantisiert und in gute und böse Volksgruppen eingeteilt. Das wird nun fortgesetzt. Betroffene Menschen sagen, dass diese Erfindungen nichts mit ihrem wahren Leben zu tun haben.

Sind solche Klischees, die in den Winnetou-Büchern gezeichnet werden, in irgendeiner Form noch akzeptabel?

Stefan Lutz-Simon: Das ist nicht die Frage: Was ist akzeptabel und was nicht? Diese Frage ist immer schwierig, weil sie ablenkt auf die Frage nach Verboten. Verbote halte ich für schwierig. Es geht um Sensibilität. Moralisch inhaltlich ist es nicht akzeptabel, das geht einfach nicht, jemanden fremd zu bestimmen. Man darf alles sagen, aber man muss mit den Konsequenzen leben. Wenn mich persönlich zum Beispiel jemand beleidigt, dann muss diese Person damit rechnen, dass ich nichts mehr mit ihr zu tun haben möchte. Wenn sich Menschen beleidigt fühlen, weil Texte oder Bilder über sie ins Leben gerufen werden, die nichts mit der Realität zu tun haben, dann muss die Person, die die Bilder hervorgebracht hat, damit rechnen, dass es Abwehr gibt. Es geht doch darum, ob Menschen ein Gefühl entwickeln, dass da etwas komisch ist. Das gilt für indigene "Amerikaner und Amerikanerinnen" genauso wie für Inuits, wenn sie als Eskimos beschimpft werden. Das gilt auch für das N-Wort oder das Z-Wort. Wir stecken permanent Menschen in Gruppen und diffamieren sie.

Stefan Lutz-Simon ist Leiter der Jugendbildungsstätte Unterfranken und Sprecher des Würzburger Bündnisses für Demokratie und Zivilcourage, zu dem auch der Ombudsrat gehört.
Foto: Thomas Obermeier | Stefan Lutz-Simon ist Leiter der Jugendbildungsstätte Unterfranken und Sprecher des Würzburger Bündnisses für Demokratie und Zivilcourage, zu dem auch der Ombudsrat gehört.
Wie sehen Sie die Entscheidung von Ravensburger, mehrere Winnetou-Produkte aus dem Sortiment zu nehmen?

Lutz-Simon: Ich respektiere diese Entscheidung, ich kann sie nachvollziehen. Wenn sie für sich als Verlag den Anspruch haben - und Ravensburger ist ja ein sehr prominenter Verlag, der sich inhaltlich Gedanken macht über das, was er auf den Markt bringt - und diese Entscheidung trifft, dann sollte man dieser mit Respekt begegnen.

Sind die Originalbücher von Karl May denn noch akzeptabel? Stichwort Cancel Culture.

Lutz-Simon: Ich habe viele davon ja auch gelesen, ich habe auch die Verfilmungen geguckt. Doch das war in meiner Kinderzeit, heute würde ich sie nicht mehr lesen und auch nicht weitergeben. Weil ich natürlich weiß, dass es Menschen gibt, die sich durch diese falschen Bilder, die über sie erzeugt wurden, diffamiert fühlen. Dabei finde ich jedoch wichtig, dass man historische Bücher nicht einfach wegsperrt, sondern sie einordnet. Wir haben bei uns in der Jugendbildungsstätte beispielsweise ein Buch von Karl May, um zu zeigen, wie denn damals ein Mensch gedacht hat. Das jedoch immer mit dem Ziel, über die Dinge, die vor rund 150 Jahren geschrieben wurden, vielleicht auch zu schmunzeln. So gesehen müssen wir viele Bücher aus der Vergangenheit hinterfragen und akzeptieren, dass so gedacht wurde.

Wie sollten Eltern damit umgehen, wenn ihre Kinder die Bücher lesen wollen? Sollte künftig ein Vorwort erklären, dass das Buch in einer ganz anderen Zeit spielt, die anders war als heute?

Lutz-Simon: Wenn sie es überhaupt lesen wollen, dann ja. Ansonsten fände ich es toll, wenn stattdessen einfach andere Bucher gewählt werden würden. Es gibt beispielsweise Kinderbücher von indigenen Autorinnen und Autoren, die aus ihrer Sicht über ihr Leben erzählen. Es wäre toll, wenn sich Eltern, Lehrerinnen und Lehrer oder Erzieherinnen und Erzieher mit der Frage auseinandersetzen würden, was denn mit diesen Kinderbüchern eigentlich transportiert wird. Welche Gedanken werden bei den Kindern manifestiert, wenn sie gewisse Bücher lesen? Das Kindheitsalter ist eine prägende Zeit und wenn sie mit Bildern aufwachsen, die dumme Dinge erzählen, dann wird es später schwierig, das zu korrigieren.

Welche Ausdrucksweise ist nun die richtige für amerikanische Ureinwohner?

Lutz-Simon: Indigene Völker, Native Americans. Oft ist das Problem, dass diese Wörter keine direkten Ersatzwörter haben - wir ringen immer um Sprache. Wenn es um das I-Wort geht, würde ich immer vorschlagen, sich zu überlegen, wer denn genau damit gemeint ist. Reden wir von den Inuit? Oder reden wir beispielsweise von den Apachen?

 
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  • T. W.
    Ich muss mir ernsthaft überlegen, ob dieses Abo noch sein Geld auch nur annähernd wert ist. Eigentlich lese ich MP um über Lokales und Regionales sachlich informiert zu sein. Doch scheinbar hat es die MP nötig, immer wieder solche Scheinthemen künstlich aufzubauschen und damit einer Minderheit Raum zu geben. Dafür ist mir mein Geld zu schade! Das bekommt man bei der Blödzeitung billiger.....
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  • B. E.
    Ich habe 1972 einige I.Reservate in den USA besucht. Das war Rassismus und Diskriminierung pur! Da haben Menschen wie Tiere im Zoo gelebt. Bei Karl May sind doch die europäischen Einwanderer die Bösen! Als Kinder wollten wir immer lieber die Indianer sein und nicht die Cowboys. Ich habe gesprochen... hugh...
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  • S. J.
    Interessante Einordnung: Der eigentliche Shitstorm ist gewollt von Springer provoziert und die Empörungswelle wird fröhlich von andern Medien mitgeritten:
    https://www.derstandard.at/story/2000138634633/causa-winnetou-erst-die-medien-brachten-den-shitstorm-in-fahrt
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  • L. S.
    Was ist falsch daran, daß Canceling des Ravensburger Verlages aufzudecken, anstatt es stillschweigend hinzunehmen.
    Auslöser ist unstreitig der "Shitstorm" von weniger als 200 woken Menschen, die einem Kinderbuch Rassismus vorwerfen.
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  • R. R.
    Warum können 0,01% der Bevölkerung in Deutschland die anderen 99,99% terrorisieren und bevormunden. Warum kann diese Randgruppe die Moralpolizei in diesem Lande spielen. Wehret den Anfängen!
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  • K. F.
    oh - da fällt mir gerade noch ne serie im fernsehen ein: pumukel!! kobolde sind doch auch fabelwesen, die es nicht gibt, oder irre ich mich? man könnte hier eine ganze reihe von kinderserien oder -bücher auflisten, das würde wohl diese seite sprengen!
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  • S. K.
    ach nee, habs kapiert...Landfahrende nannte man die früher bzw. heute Sinti und Roma...immer diese typisch amerikanischen Abkürzungen....
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  • S. K.
    was ist denn das Z-Wort??
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  • M. F.
    Warum verdummt unsere Gesellschaft immer mehr???
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  • R. B.
    Kann mir jemand erklären, warum Stefan Lutz-Simon, Leiter einer Jugendbildungsstätte, ein Experte in diesem Thema ist? Ich hab so das Gefühl in Deutschland gibt es 80 Mio. Experten.
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Nur noch Beklopfte in Deutschland die so einen Schwachsinn vorschlagen. Deutschland schafft sich ab.
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  • B. F.
    Während in früheren Epochen die zwischenmenschlichen Schwierigekiten von Dichtern beschrieben wurden, welche mit viel Engagement und Empathie auf die von ihnen angesprochenen Missstände aufmerksam machten, verlangt man heute Tatsachenberichte aus berufenem Munde, sonst würde es sich um kulturelle Aneignung handeln.
    Zu Zeiten Karl Mays war die Informationspolitik über andere Kulturkreise noch nicht so ausgeprägt und profiliert, dass man Nachrichten aus erster Hand verarbeiten konnte.
    Es ist ein langer Weg zur sozio-kulturellen Gerechtigkeit. Karl May liebte die Phantasterei, so schuf er eben Traumwelten, welche mit der Realität auch manchmal kollidierten. Er hatte berechtigte Kritik am Verhalten der Auswanderer nach Amerika geübt und deshalb war sein Ansinnen ein hehres Unterfangen.
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  • S. J.
    Gute und differenzierte Einschätzung zu dem Thema - ich finde es gut, dass Herr Obermeier hervorgehoben hat, dass hier nichts verboten wird oder werden soll, sondern Bücher einfach im Kontext der Zeit gelesen werden sollten und sich eine Gesellscahft und die Wahrnehmung gewisser Themen zum Glück weiterentwickelt.
    Dieser Kommentar ist wesentlich sachlicher und ruhiger als viele der Brandstifter-Kommentare darunter.
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  • L. S.
    Sachlichkeit würde verlangen, dass woke Kampfbegriffe unterbleiben.
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  • U. L.
    1933 wurden Kästners Bücher verbrannt.

    Wenn es so weitergeht, werden sie bald wieder verbrannt, wenn auch unter anderen Vorzeichen, denn er verwendete gelegentlich das "N-Wort". Nach meinem Verständnis zwar ohne rassistischen Hintergedanken, aber darauf kommt es in der gegenwärtigen Diskussion ja nicht mehr an.

    Solange wir Kästner noch zitieren dürfen, sein folgender Satz:

    "Was immer auch geschieht,
    nie sollt ihr so tief sinken,
    von dem Kakao, durch den man euch zieht,
    auch noch zu trinken!"
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  • H. S.
    Negerkuss, Mohrenkopf, Zigeunerschnitzel, Russenmaß, uvm, ich habe noch nie einen getroffen, der sich an diesen Ausdrücken gestört hätte. Ich kenne Leute, die heißen wirklich "Mohr", müssen die sich umbenennen?
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  • U. A.
    Was soll ich jetzt mit meinem Führerschein machen? Darf ich den noch behalten oder gar vorzeigen?
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  • P. S.
    Es könnte Menschen geben, die sich diffamiert fühlen. Dann müssen alle Bücher in denen Zwerge und Riesen vorkommen weg. Oder wenn der Mörder immer der Gärtner ist. Was macht das mit allen Gärtnern? Alles verbieten was irgendjemanden beleidigen könnte. Dann gibt es bald nichts mehr...
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  • K. F.
    hatten wir doch schon des öfteren rechtsstreit ob zwerge im garten sitzen dürfen oder?
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  • K. F.
    hi steve 67 mal ein guter beitrag! echt
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