Der 16. März 1945 ist der dunkelste Tag in der Geschichte Würzburgs. An diesem Tag wurde die Stadt von den Alliierten dem Boden gleich gemacht. Tausende Menschen starben im Bombenregen. Schon seit Jahren beschäftigt sich die Stadt Würzburg damit, wie in einer Gesellschaft an historische Ereignisse erinnert und Gedenken in Zukunft gestaltet werden kann.
Im Auftrag des Kulturreferats hat die Kunsthistorikerin Bettina Keß über mehrere Jahre lang in einem "Dialog Erinnerungskultur" viele Würzburger Initiativen intensiv begleitet. Nun erscheint unter dem Titel "Erinnern als vielstimmiges Stadtgespräch" ein Buch, in dem deren Arbeit vorgestellt und der Diskurs reflektiert wird. Im Gespräch erzählt Autorin Keß wie das Gedenken in Zukunft ohne Zeitzeugen stattfinden kann und inwiefern sich die gepflegten Formen Würzburger Erinnerungskultur mit den Jahren verändert haben.
Bettina Keß: Das Buch stammt aus dem Projekt "Dialog Erinnerungskultur" der Stadt Würzburg. Die Idee kam ursprünglich vom damaligen Kulturreferenten der Stadt, Muchtar Al Ghusain und mir. In gemeinsamen Gesprächen haben wir festgestellt, dass es einige Themen in der Würzburger Geschichte gibt, die gar nicht oder auf eine teilweise problematische Art behandelt wurden - etwa die Geschichte der Städtischen Galerie oder auch manche Gedenkrituale rund um die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs. Im Rahmen des Projekts lud die Stadt Würzburg zwischen 2010 und 2015 Bürgerinnen und Bürger sowie Fachleute ein, gemeinsam über die lokale Gedenk- und Erinnerungskultur nachzudenken. Das Buch dokumentiert diese Aktionen, etwa unsere Bürgerwerkstätten oder meine Ausstellung „Tradition und Propaganda“ im Kulturspeicher. Es ist eine Gesamtschau auf wichtige erinnerungskulturelle Projekte der vergangenen zehn Jahre und auch ein Ausblick auf die Zukunft. Wichtig war mir, bürgerschaftliche Initiativen wie die Arbeitsgemeinschaft Stolpersteine und Würzburger Hochschulen in das Projekt und das Buch einzubinden.
Keß: Ich gebe Ihnen recht. Ohne Zeitzeugen wird die Erinnerungskultur sich stark verändern. Das kann aber auch eine Chance sein, andere Formen des Gedenkens zu finden und bestehende Rituale weiter zu transformieren. Hier kann man ganz unterschiedliche Herangehensweisen wählen, etwa künstlerische Interventionen oder erzählerische Formate - auch bei den offiziellen Anlässen.
Keß: Da gibt es verschiedene Richtungen. Die eine ist die etablierte Gedenkkultur; in Würzburg dreht sich diese vor allem um den 16. März, dem Jahrestag des schwersten Bombenangriffes auf die Stadt 1945. Es gibt aber auch spannende Initiativen aus der Stadtgesellschaft, etwa Schulprojekte oder der Erinnerungsweg der Nagelkreuzinitiative, die den 16. März zum Anlass nimmt, um an Krieg, Gewalt und Versuche zu versöhnen zu erinnern.
Keß: Einige Gedenkformate halten sich schon seit Jahren: zum Gedenktag am 16. März etwa das Konzert, das Glockenläuten oder die Kranzniederlegung am Massengrab auf dem Hauptfriedhof. In den vergangenen Jahren ist durch unser Projekt zudem der Gesamtzusammenhang mehr in den Blick gerückt. Der Tag steht nicht ja nur für die Bombenangriffe auf die Stadt, bei denen Tausende Menschen umkamen. Der Tag steht auch für die ganze Zeit des Nationalsozialismus und die vielen Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Ich freue mich, dass in Würzburg heute klar die Verantwortung für diese Verbrechen und nicht nur die Zerstörung der Stadt thematisiert wird - das war ein wichtiges Anliegen des "Dialogs Erinnerungskultur".
Keß: Für mich sind Gedenktage Anlässe, über zentrale gesellschaftliche Themen ins Gespräch zu kommen und Haltungen zu entwickeln. Wie gehen wir mit den negativen Seiten der Geschichte um und auch mit Gewalt in unserer Gesellschaft, mit Ausgrenzung und Diskriminierung? Ich denke, zum einen kommt es darauf an, dass wir uns die Faktenbasis der Gedenkanlässe vergegenwärtigen, das ist die Basis der Erinnerungskultur. Zum anderen stellt sich immer wieder von Neuem die Frage: Warum wollen wir uns eigentlich erinnern, was ist der Kern des Ganzen?
Keß: In Würzburg gibt es bereits einige Projekte, die sich an Jugendliche und junge Erwachsene wenden, zum Beispiel die Produktion "Magnolienzeit" des Mainfranken Theaters zum 16. März 1945 für ein jüngeres Publikum. Dort hat man schon bei der Entwicklung Zeitzeugen, aber auch Jugendliche einbezogen. Und im Rahmen des „Dialogs Erinnerungskultur“ haben wir Angebote für Schulen gemacht, etwa Schreibwerkstatt-Projekte zu stadthistorischen Themen. Ich denke, es ist vor allem eine Frage der Form, das Interesse der Jugendlichen zu wecken. Rituale wie Kranzniederlegungen gehören zur offiziellen Erinnerungskultur, das ist auch wichtig für die Stadt. Aber für Kinder und Jugendliche sind individuellere Projekte besser geeignet, da diese Gespräche anregen und dafür sorgen, dass es vielleicht zu einer persönlichen Auseinandersetzung mit dem Thema kommt. Wir brauchen keine Standardlösungen in der Erinnerungskultur, sondern den Willen, die Dinge immer neu zu hinterfragen und neue Formen zu entwickeln.
Das Buchprojekt stellt Kulturreferent Achim Könneke am 16. März um 17.30 Uhr der Öffentlichkeit vor. Im Anschluss diskutiert er dann mit Dr. Bettina Keß, Prof. Jörg Skiebeleit (Leiter der KZ Gedenkstätte Flossenbürg und Gründungsdirektor des „Zentrums Erinnerungskultur“ an der Universität Regensburg) und Dr. Ludwig Unger (Bay. Landeszentrale für Politische Bildungsarbeit München) auch über die Zukunft der Würzburger Erinnerungskultur. Aufgrund der aktuellen Pandemiesituation werden Buchvorstellung und Podiumsdiskussion als rein digitale Veranstaltung auf den offiziellen Youtube-Kanal der Stadt Würzburg live übertragen. Das Buch wird zum Preis von 22.80 Euro verkauft. ISBN 978-3-8260-7148-5
Man kann ja nicht erwarten, dass die eine Kriegs-Partei wütet wie sie will und die Gegner sich dann trotzdem an die "Regeln" halten.
Mit 2,17 Mio toten Zivilisten war Deutschland noch gut bedient im Vergleich dazu was es selber andernorts angerichtet hat.
Direkten militärischen Nutzen hatte die Bombardierung Würzburgs sicher eher wenig, es diente alleine dem Zerstören der Moral und vielleicht spielten auch Rachegelüste eine Rolle...
Nazi-Deutschland hat gemordet und gemordet und gemordet und gemordet, bis die Aliierten gezielt zivile Einrichtungen angegriffen haben, um die Gefolgschaft der Bevölkerung zu brechen. Das war nicht die Art Angriffs-Pingpong, die ihr Beitrag suggeriert.
Dazu kommt die unerhörte Opferbereitschaft v.a. der Briten und US-Amerikaner z.B. bei der Landung in der Normandie.
Um die Wehrmacht und Luftwaffe zu besiegen, wurde irgendwann zu den äußersten Mitteln gegriffen, sowohl gegen D als auch im Sinne egener Opfer. Ob solch ein Einsatz das Attribut "heldenhaft" verdient, mögen die entscheiden, die zu Vergleichbarem bereit wären.
Die Lehre sollte einfach sein, dass man nie mehr zulassen darf, dass so ein totalitäres menschenverachtendes System wieder errichtet wird, dass zu millionenfachen Leid auf der ganzen Welt geführt hat.
Sind Sie bitte nicht so unverschämt selbstherrlich,beim Angriff auf Würzburg starb mein Großvater väterlicherseits, mütterlicherseits wurde in der Leistenstr die Schwester verschüttet und am 16. März wurde meine älteste Schwester geboren.Wer hier spinnt sollen andere beurteilen.
Und nach wie vor: Ihre Argumentation hinkt.
Alle Aggression im 2. Weltkrieg ging von Deutschland aus. Stellen Sie sich vor, bei dem Unterfangen, den Nazi-Terror zu bekämpfen, hätten die Aliierten Würzburg als Insel der Seeligen und Unschuldigen verschonen müssen? So wie die Deutsche Luftwaffe und die Wahrmacht natürlich stets unbeteiligte Zivilisten, Großeltern und Enkel ganz rücksichtsvoll und ehrenhaft verschont hat? Get real!