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Würzburg
Wie Würzburg sich ohne Zeitzeugen an den 16. März erinnert
Ein neues Buch informiert über Erinnerungskultur in Würzburg. Dass dieser künftig Zeitzeugen fehlen, sieht Kunsthistorikerin Bettina Keß auch als Chance.
Beim Luftangriff auf Würzburg starben am 16. März 1945 starben mehrere Tausend Menschen. Hier ein Foto von Aufräumarbeiten aus Grombühl.   
Foto: Geschichtswerkstatt Würzburg | Beim Luftangriff auf Würzburg starben am 16. März 1945 starben mehrere Tausend Menschen. Hier ein Foto von Aufräumarbeiten aus Grombühl.   
Sophia Scheder
Sophia Scheder
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:44 Uhr

Der 16. März 1945 ist der dunkelste Tag in der Geschichte Würzburgs. An diesem Tag wurde die Stadt von den Alliierten dem Boden gleich gemacht. Tausende Menschen starben im Bombenregen. Schon seit Jahren beschäftigt sich die Stadt Würzburg damit, wie in einer Gesellschaft an historische Ereignisse erinnert und Gedenken in Zukunft gestaltet werden kann. 

Im Auftrag des Kulturreferats hat die Kunsthistorikerin Bettina Keß über mehrere Jahre lang in einem "Dialog Erinnerungskultur" viele Würzburger Initiativen intensiv begleitet. Nun erscheint unter dem Titel "Erinnern als vielstimmiges Stadtgespräch" ein Buch, in dem deren Arbeit vorgestellt und der Diskurs reflektiert wird. Im Gespräch erzählt Autorin Keß wie das Gedenken in Zukunft ohne Zeitzeugen stattfinden kann und inwiefern sich die gepflegten Formen Würzburger Erinnerungskultur mit den Jahren verändert haben. 

Frage: Wie ist das Buch "Erinnern als vielstimmiges Stadtgespräch" entstanden?

Bettina Keß: Das Buch stammt aus dem Projekt "Dialog Erinnerungskultur" der Stadt Würzburg. Die Idee kam ursprünglich vom damaligen Kulturreferenten der Stadt, Muchtar Al Ghusain und mir. In gemeinsamen Gesprächen haben wir festgestellt, dass es einige Themen in der Würzburger Geschichte gibt, die gar nicht oder auf eine teilweise problematische Art behandelt wurden - etwa die Geschichte der Städtischen Galerie oder auch manche Gedenkrituale rund um die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs. Im Rahmen des Projekts lud die Stadt Würzburg zwischen 2010 und 2015 Bürgerinnen und Bürger sowie Fachleute ein, gemeinsam über die lokale Gedenk- und Erinnerungskultur nachzudenken. Das Buch dokumentiert diese Aktionen, etwa unsere Bürgerwerkstätten oder meine Ausstellung „Tradition und Propaganda“ im Kulturspeicher. Es ist eine Gesamtschau auf wichtige erinnerungskulturelle Projekte der vergangenen zehn Jahre und auch ein Ausblick auf die Zukunft. Wichtig war mir, bürgerschaftliche Initiativen wie die Arbeitsgemeinschaft Stolpersteine und Würzburger Hochschulen in das Projekt und das Buch einzubinden.

"Ohne Zeitzeugen wird die Erinnerungskultur sich stark verändern."
Kunsthistorikerin Dr. Bettina Keß
Das Gedenken und Erinnern an den 16. März wird in absehbarer Zeit ohne Zeitzeugen stattfinden. Wie wird das Würzburgs wichtigsten Gedenktag verändern?

Keß: Ich gebe Ihnen recht. Ohne Zeitzeugen wird die Erinnerungskultur sich stark verändern. Das kann aber auch eine Chance sein, andere Formen des Gedenkens zu finden und bestehende Rituale weiter zu transformieren. Hier kann man ganz unterschiedliche Herangehensweisen wählen, etwa künstlerische Interventionen oder erzählerische Formate - auch bei den offiziellen Anlässen.

Dr. Bettina Keß
Foto: Kess | Dr. Bettina Keß
Wie wird in einer Stadtgesellschaft wie Würzburg an prägende historische Ereignisse erinnert?

Keß: Da gibt es verschiedene Richtungen. Die eine ist die etablierte Gedenkkultur; in Würzburg dreht sich diese vor allem um den 16. März, dem Jahrestag des schwersten Bombenangriffes auf die Stadt 1945. Es gibt aber auch spannende Initiativen aus der Stadtgesellschaft, etwa Schulprojekte oder der Erinnerungsweg der Nagelkreuzinitiative, die den 16. März zum Anlass nimmt, um an Krieg, Gewalt und Versuche zu versöhnen zu erinnern.

Inwiefern haben sich die gepflegten Formen Würzburger Gedenk- und Erinnerungskultur mit den Jahren verändert?

Keß: Einige Gedenkformate halten sich schon seit Jahren: zum Gedenktag am 16. März etwa das Konzert, das Glockenläuten oder die Kranzniederlegung am Massengrab auf dem Hauptfriedhof. In den vergangenen Jahren ist durch unser Projekt zudem der Gesamtzusammenhang mehr in den Blick gerückt. Der Tag steht nicht ja nur für die Bombenangriffe auf die Stadt, bei denen Tausende Menschen umkamen. Der Tag steht auch für die ganze Zeit des Nationalsozialismus und die vielen Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Ich freue mich, dass in Würzburg heute klar die Verantwortung für diese Verbrechen und nicht nur die Zerstörung der Stadt thematisiert wird - das war ein wichtiges Anliegen des "Dialogs Erinnerungskultur".

"Für mich sind Gedenktage Anlässe, über zentrale gesellschaftliche Themen ins Gespräch zu kommen und Haltungen zu entwickeln."
Kunsthistorikerin Dr. Bettina Keß
Wie wichtig und bedeutend ist Erinnerungskultur in der heutigen Zeit?

Keß: Für mich sind Gedenktage Anlässe, über zentrale gesellschaftliche Themen ins Gespräch zu kommen und Haltungen zu entwickeln. Wie gehen wir mit den negativen Seiten der Geschichte um und auch mit Gewalt in unserer Gesellschaft, mit Ausgrenzung und Diskriminierung? Ich denke, zum einen kommt es darauf an, dass wir uns die Faktenbasis der Gedenkanlässe vergegenwärtigen, das ist die Basis der Erinnerungskultur. Zum anderen stellt sich immer wieder von Neuem die Frage: Warum wollen wir uns eigentlich erinnern, was ist der Kern des Ganzen?

Wie schafft man es, vor allem Jugendliche mit ins Boot zu holen?

Keß: In Würzburg gibt es bereits einige Projekte, die sich an Jugendliche und junge Erwachsene wenden, zum Beispiel die Produktion "Magnolienzeit" des Mainfranken Theaters zum 16. März 1945 für ein jüngeres Publikum. Dort hat man schon bei der Entwicklung Zeitzeugen, aber auch Jugendliche einbezogen. Und im Rahmen des „Dialogs Erinnerungskultur“ haben wir Angebote für Schulen gemacht, etwa Schreibwerkstatt-Projekte zu stadthistorischen Themen. Ich denke, es ist vor allem eine Frage der Form, das Interesse der Jugendlichen zu wecken. Rituale wie Kranzniederlegungen gehören zur offiziellen Erinnerungskultur, das ist auch wichtig für die Stadt. Aber für Kinder und Jugendliche sind individuellere Projekte besser geeignet, da diese Gespräche anregen und dafür sorgen, dass es vielleicht zu einer persönlichen Auseinandersetzung mit dem Thema kommt. Wir brauchen keine Standardlösungen in der Erinnerungskultur, sondern den Willen, die Dinge immer neu zu hinterfragen und neue Formen zu entwickeln. 

Das Buchprojekt stellt Kulturreferent Achim Könneke am 16. März um 17.30 Uhr der Öffentlichkeit vor. Im Anschluss diskutiert er dann mit Dr. Bettina Keß, Prof. Jörg Skiebeleit (Leiter der KZ Gedenkstätte Flossenbürg und Gründungsdirektor des „Zentrums Erinnerungskultur“ an der Universität Regensburg) und Dr. Ludwig Unger (Bay. Landeszentrale für Politische Bildungsarbeit München) auch über die Zukunft der Würzburger Erinnerungskultur. Aufgrund der aktuellen Pandemiesituation werden Buchvorstellung und Podiumsdiskussion als rein digitale Veranstaltung auf den offiziellen Youtube-Kanal der Stadt Würzburg live übertragen. Das Buch wird zum Preis von 22.80 Euro verkauft. ISBN 978-3-8260-7148-5

Über Bettina Keß

Dr. Bettina Keß ist Kunsthistorikerin, Historikerin und Kulturwissenschaftlerin. Seit 16 Jahren führt die gebürtige Würzburgerin ihre eigene Firma kulturplan, die Ausstellungs- und Kulturprojekte plant, aber auch berät und kuratorisch arbeitet. Schon seit Studienzeiten gehören der Umgang mit dem Nationalsozialismus und Themen der Erinnerungskultur zu ihren Arbeitsschwerpunkten. Sie ist berufenes Mitglied des Kulturbeirats und der Kommission Straßennamen und Ehrungen der Stadt Würzburg.
Quelle: ssc
 
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  • K. D.
    Beleidigend.
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  • R. N.
    Wiso OHNE ZEITZEUGEN meine Mutter ist in Würzburg geboren und hat bis 1963 in Würzburg gelebt
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  • J. N.
    Ich kenne auch noch jemanden, die die Würzburger Bombennacht als 13jährige miterlebt hat. Ihre Erzählungen haben mich sehr erschüttert.
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  • H. S.
    16. März ´45...Deutschland war bereits am Boden, Luftwaffe nicht mehr vorhanden...Würzburg eine Stadt voller Flüchtlinge und Vertriebene! Alle dachten, nur weil Churchill hier mal studiert hat, würde Würzburg verschont werden....falsch gedacht, die Briten und Ammis waren eiskalt. Systematisch haben sie die Sprengbomben benutzt um alle Häuserdächer zu zerstören um anschließend alles mit einem Brandbombenteppich zu belegen. Wer in den Kellern war kam nicht mehr heraus, wer draußen war ist im Feuersturm verbrannt. Meine Meinung: Das war Massenmord und hat nichts mit Kriegsführung zu tun, das sollte auch mal gesagt werden dürfen!
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  • E. V.
    Wer Wind sät, wird Sturm ernten....
    Man kann ja nicht erwarten, dass die eine Kriegs-Partei wütet wie sie will und die Gegner sich dann trotzdem an die "Regeln" halten.
    Mit 2,17 Mio toten Zivilisten war Deutschland noch gut bedient im Vergleich dazu was es selber andernorts angerichtet hat.
    Direkten militärischen Nutzen hatte die Bombardierung Würzburgs sicher eher wenig, es diente alleine dem Zerstören der Moral und vielleicht spielten auch Rachegelüste eine Rolle...
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  • H. S.
    @Holle...ich gebe ihnen bedingt recht, mehr aber nicht. Wäre genauso, wenn ich jemanden töte und ein anderer darf dafür meine Kinder töten und wird deswegen als Held gefeiert....denk mal nach.
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  • D. E.
    Ich finde, ihr Vergleich hinkt.
    Nazi-Deutschland hat gemordet und gemordet und gemordet und gemordet, bis die Aliierten gezielt zivile Einrichtungen angegriffen haben, um die Gefolgschaft der Bevölkerung zu brechen. Das war nicht die Art Angriffs-Pingpong, die ihr Beitrag suggeriert.
    Dazu kommt die unerhörte Opferbereitschaft v.a. der Briten und US-Amerikaner z.B. bei der Landung in der Normandie.
    Um die Wehrmacht und Luftwaffe zu besiegen, wurde irgendwann zu den äußersten Mitteln gegriffen, sowohl gegen D als auch im Sinne egener Opfer. Ob solch ein Einsatz das Attribut "heldenhaft" verdient, mögen die entscheiden, die zu Vergleichbarem bereit wären.
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  • H. S.
    Es wurde Krieg geführt, richtig. Die allerwenigsten wussten von den Greueltaten, die Zivilbevölkerung schon gar nicht. Als Deutschland nicht mehr wehrfähig war, sind die Städte systematisch ausradiert worden, das war und ist NICHT besser wie Deutschland als Nazideutschland. Würde heute einer auf die Idee kommen in Syrien Damaskus dem Erdboden gleich zu machen, nur weil in Syrien Nazigleiche Verbrecher wie der ISIS wütet?
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  • E. V.
    Ich habe nicht gesagt, dass ich die RAF Piloten als Helden feiere. Aber ein Mord ist was anderes als ein jahrelanger Krieg, in dem eine Partei einen industriellen Massenmord an bestimmen Menschengruppen durchführt. Dass auch auf allierter Seite Kriegsverbrechen begangen wurden, bestreite ich ebenfalls nicht. Zum Thema Kriegsführung sollte man aber nicht vergessen, dass ohne die (ethisch sicher diskutablen) Bombardierungen deutscher Städte 1945 sicher viele Allierte Soldatenleben gerettet wurden, da die Bodenkämpfe um ein vielfaches länger gedauert hätten. Es gab immer noch genug fanatische Nazis und den Volkssturm.
    Die Lehre sollte einfach sein, dass man nie mehr zulassen darf, dass so ein totalitäres menschenverachtendes System wieder errichtet wird, dass zu millionenfachen Leid auf der ganzen Welt geführt hat.
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  • K. D.
    Die armen geschundenen Deutschen,stets human und menschenfreundlich zu ihren Kriegsgegnern.Mir kommen Tränen!
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  • H. S.
    @dödiwu...anscheinend Ist damals in Würzburg keiner ihrer Verwandtschaft unschuldig ums Leben gekommen, sonst würden sie nicht die Deutschen im allgemeinen mit den Nazispinnern gleichsetzen.
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  • K. D.
    @mementomori
    Sind Sie bitte nicht so unverschämt selbstherrlich,beim Angriff auf Würzburg starb mein Großvater väterlicherseits, mütterlicherseits wurde in der Leistenstr die Schwester verschüttet und am 16. März wurde meine älteste Schwester geboren.Wer hier spinnt sollen andere beurteilen.
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  • H. S.
    @dödiwu..... ich kann nichts dafür das sie so ein schlechtes Verhältnis zu ihrer Verwandtschaft haben. Ich für meinen Teil, kann nicht auf der einen Seite Nazideutschland verfluchen und auf der anderen Seite die Zivilistenmorde der Alliierten als legitim betrachten. Das Grauen von Würzburg darf sich jedenfalls nicht wiederholen
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  • D. E.
    Ihre persönlichen Angriffe auf den Foristen @Doedi.wue können nicht gutgeheißen werden.
    Und nach wie vor: Ihre Argumentation hinkt.
    Alle Aggression im 2. Weltkrieg ging von Deutschland aus. Stellen Sie sich vor, bei dem Unterfangen, den Nazi-Terror zu bekämpfen, hätten die Aliierten Würzburg als Insel der Seeligen und Unschuldigen verschonen müssen? So wie die Deutsche Luftwaffe und die Wahrmacht natürlich stets unbeteiligte Zivilisten, Großeltern und Enkel ganz rücksichtsvoll und ehrenhaft verschont hat? Get real!
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  • H. S.
    @wiggins....rechtfertigt das Deutsche Vorgehen der Nazis die Greuel der Alliierten? Deutschland war am Boden, die Befreier töteten die Frauen, Kinder und zerstörten die Lebensgrundlage....Das soll ich gutfinden? Egal was Deutschland gemacht hat, die Alliierten sind in der Beziehung kein Deut besser! Ende der Diskussion
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  • R. N.
    @Mementomori ganz klare Worte und ganz meiner meinung
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  • E. V.
    Immerhin wurden nicht Millionen deutsche Zivilisten in die Gaskammern geschickt...
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  • K. D.
    Dieser Kommentar trägt nicht zur Diskussion bei und wurde daher gesperrt.
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