"Es ist fast wie in der Kirche: Die, die es hören sollten, sind nicht da", schimpft ein Landwirt. Das Problem sei, viele Betriebe hielten sich an die Dünge-Auflagen. Aber es gebe schwarze Schafe, "die leuchten drauf: mit Gülle und Kunstdünger", beschwert sich ein anderer auf Fränkisch. Der Unmut der Bauern, die sich nach einem anstrengenden Arbeitstag auf ihren Äckern am Abend noch freiwillig im Bibergauer Sportheim im Landkreis Kitzingen zu einem Arbeitskreis versammelt haben, ist unüberhörbar. Denn viele ihrer Berufskollegen sind nicht gekommen. Trotzdem wollen diese Landwirte etwas verändern. Deshalb sind sie hier.
Vor mehr als einem Jahr hat die Regierung von Unterfranken angefangen, Bauern in den überwiegend "roten", also mit Nitrat belasteten, Gaulagen der Region zusammen zu trommeln. Ihr Ziel ist, kritische Nitratwerte an den Grundwasser-Messstellen zu verringern. Etwa 55 Landwirte machen freiwillig mit. Entstanden sind vier Arbeitskreise, die sich regelmäßig treffen und an Lösungen arbeiten, wie sie Stickstoff-Überschüsse auf ihren Äckern abbauen können.
Zu den Gebieten, die die Regierung ausgewählt hat, gehören: Brünnstadt, ein Ortsteil der Gemeinde Frankenwinheim im Landkreis Schweinfurt, Euerfeld, Bibergau und Effeldorf, alles Stadtteile von Dettelbach und Seinsheim im Landkreis Kitzingen sowie Darstadt, ein Stadtteil von Ochsenfurt im Landkreis Würzburg.
Der "Stenon"-Spaten ist der Ferrari unter den Stickstoff-Messgeräten
Zurück auf den Bibergauer Acker: An diesem Abend demonstrieren Sebastian Ries und Thorsten Sehm vom Erzeugerring Würzburg den neuesten Ferrari unter den Stickstoff-Messgeräten: den "Stenon"-Spaten. Er soll zeigen, ob ein Landwirt an einer bestimmten Stelle seines Feldes düngen muss - oder ob noch genügend Reststickstoff im Boden vorhanden ist.
Das 10 000 Euro teure Gerät kann nicht nur den Stickstoff, sondern auch Phosphor, Kalium, Magnesium, Schwefel, Humusgehalt, Bodentemperatur und Luftdruck im Boden messen. Und liefert die Ergebnisse direkt in die Cloud der Firma "Stenon".
"Da muss künftig meine Sekretärin mit ihrem Laptop mit auf den Acker", witzelt einer der Zuschauer. Eine Erleichterung wäre der Spaten aber allemal, so sind sich die Landwirte einig, wenn er funktioniere und irgendwann auch erschwinglich sei. Denn momentan müssen die Bauern noch in Schwerstarbeit 15 Mal pro Hektar eine Bodenlanze in den Boden klopfen und wieder herausziehen, um anschließend eine Bodenmischprobe im Labor auf ihren Stickstoffgehalt untersuchen zu lassen.
Zwischenfrüchte pflanzen hilft, weil die Nährstoffe aufnehmen
Nach der Spaten-Demonstration geht es wieder ins Sportheim. Dort ist der Frust fast mit Händen zu greifen, denn einfach weniger düngen - das wird an diesem Abend klar - reicht nicht aus, um die Nitrateinträge ins Grundwasser zu verringern.
Bei einem Landwirt wird trotz intensiver Viehhaltung weniger Reststickstoff auf den Flächen gemessen als bei einem anderen ohne Viehhaltung. Der Unterschied: Ersterer hat eine Zwischenfrucht nach der Ernte gepflanzt, die die Nährstoffe aufnimmt.
Bis heute sieht man die Auswirkungen der Dünge-Höhepunkte der 70er und 80er Jahre
Doch nicht immer ist die Lösung so einfach: "Ich bin rot, der nächste Acker ist grün: Warum?", fragt ein Landwirt. "Wir können die Effektivität der Maßnahmen überhaupt nicht nachprüfen. Denn wir reden hier über Zeiträume von Generationen", sagt ein anderer.
Cornelia Wolfram nickt. Die Geologin vom Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg, sagt: "Man braucht einen langen Atem." Es gebe Wasser, das vor 30 Jahren versickert sei und das sich jetzt mit Wasser aus den vergangenen Monaten vermische. Seit Jahrzehnten seien die Nitratwerte im Grundwasser zu hoch - an vielen Messstellen in Unterfranken. Der Dünge-Höhepunkt der Landwirtschaft liege in den 70er und 80er Jahren. Doch noch heute sehe man die Auswirkungen.
Die Messstelle hier am Bibergauer Weg sei eine von insgesamt 92 Messstellen in Bayern, an denen der Nitratwert zu hoch sei. Zu hoch heißt über dem Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter oder aber zwischen 37,5 und 50 Milligramm pro Liter mit steigendem Trend. Denn das Ziel sei, etwas vor Ort zu verbessern, bevor der kritische Wert von 50 Milligramm überhaupt erst erreicht werde.
"Wie intensiv müssen die Anstrengungen sein, um die Messstelle unter 50 Milligramm zu bringen?", fragt ein Landwirt. "Wenn wir so weitermachen wie bisher, kommen wir da nie hin", lautet die ernüchternde Antwort der Wasser-Expertin.
Die Herausforderung sei groß. Doch nicht aussichtslos: Seit 1998 sei auch an der Messstelle am Bibergauer Weg ein fallender Trend erkennbar. Immerhin von 80 auf 60 Milligramm Nitrat pro Liter. An die Landwirte gerichtet, sagt Cornelia Wolfram: "Ich habe größten Respekt vor dem, was Sie hier tun. Lassen Sie sich nicht entmutigen!"
Um herauszufinden, an welcher Stelle im Boden zu viel Reststickstoff ist, werden allein in Euerfeld, Effeldorf und Bibergau gut 70 Feldstücke im Herbst beprobt, erklärt Wolfgang Ehbauer, Bereichsleiter "Ernährung und Landwirtschaft" der Regierung von Unterfranken. Er sagt: "Wir messen, an welcher Stelle ist der Stickstoffgehalt höher und an welcher niedriger? Und wir fragen die Landwirte der jeweiligen Äcker: Was hast du anders gemacht als dein Nachbar?"
Denn, so Ehbauer: Die EU werde spätestens 2024 prüfen, wie sich die Maßnahmen zur Nitratreduktion in Deutschland ausgewirkt haben. Sie werde fragen: Wie viele eurer Grundwassermessstellen sind grün geworden? Wenn sich die rote Fläche in drei Jahren nicht deutlich reduziert habe, werde die Kommission den Druck weiter erhöhen. Und noch schärfere Dünge-Regeln wolle schließlich niemand.
1.) Offizielle Messstellen gibt es in vielen Grundwasserkörpern bislang viel weniger, als die Verordung vorsieht. Dies weisen aber meist deutlich höhere Nitratwerte auf als benachbarte Brunnen von Landwirten, die auch regelmäßig beprobt werden.
2.) Stützmessstellen gibt es bislang bei uns gar nicht.
3.) Die Modellberechnungen der "Landwirtschaftsexperten" sind eben nur Modelle. Da fließt beispielsweise die Viehhaltung in der Gemarkung ein, auch wenn der betreffende Landwirt gar keine hat. Über die tatsächliche Bewirtschaftung der Flächen hingegen kann man deren Einstufung als Rot, Gelb, Rot/Gelb oder Grün gar nicht beeinflussen.
4.) Wir haben eine geringe Grundwasserneubildung, und damit oft trotz niedrigerer Düngung höhere Nitratkonzentrationen als andere Regionen. Lautet die Konsequenz, dass man eine Region so mit Auflagen belasten kann, dass ein wirtschaftlicher Anbau nicht mehr möglich ist?
Außerdem wurde festgestellt, dass in den letzten Trockenjahren in vielen Gebieten keine oder nur eine sehr geringe Grundwasserneubildung erfolgt ist.
Wie soll da eine Zunahme von Stickstoff im Grundwasser kommen?
Das Umweltbundesamt schreibt, der Eintrag kann Jahre bis mehrere Jahrzehnte zurückliegen.
Vor Jahrzehnten wurden von der staatlichen Beratung eine Stickstoffdüngung bis 400 kg für Zuckerrüben und 280 kg bei Weizen empfohen.
Zusätzlich hatten fast alle Betriebe noch Viehhaltung. Damit kämpft man heute noch.
Wie soll da eine Zunahme von Stickstoff im Grundwasser kommen? "
Weil die Soße weniger verdünnt wird.
Südbayern z. B. hat kaum Probleme mit Nitrat da das Grundwasser durch den vielfachen Durchfluss bei etwa gleichen Stickstoffeintrag (g/m²) weit mehr verdünnte wird.
Unterfranken hat etwa 100 l/m² Südbayern hat den vierfachen Niederschlag also bis über 500 l/ m² Versickerung.