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Würzburg/Schweinfurt
Wie Landwirte in Unterfranken die Nitrat-Einträge ins Grundwasser senken wollen
Wenn es ihnen nicht gelingt, Stickstoff-Überschüsse auf ihren Äckern abzubauen, drohen schärfere Dünge-Regeln. Landwirtinnen und Landwirte suchen nach Lösungen. Warum weniger düngen allein nicht reicht.
Wie kann man das Nitrat im Grundwasser reduzieren? Landwirte testen auf einem Acker bei Bibergau (Lkr. Kitzingen) einen Spaten, der den Stickstoffgehalt des Bodens messen kann. Mit dabei ist Wolfgang Ehbauer (Dritter von links) von der Regierung von Unterfranken.
Foto: Thomas Obermeier | Wie kann man das Nitrat im Grundwasser reduzieren? Landwirte testen auf einem Acker bei Bibergau (Lkr. Kitzingen) einen Spaten, der den Stickstoffgehalt des Bodens messen kann.
Angelika Kleinhenz
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:17 Uhr

"Es ist fast wie in der Kirche: Die, die es hören sollten, sind nicht da", schimpft ein Landwirt. Das Problem sei, viele Betriebe hielten sich an die Dünge-Auflagen. Aber es gebe schwarze Schafe, "die leuchten drauf: mit Gülle und Kunstdünger", beschwert sich ein anderer auf Fränkisch. Der Unmut der Bauern, die sich nach einem anstrengenden Arbeitstag auf ihren Äckern am Abend noch freiwillig im Bibergauer Sportheim im Landkreis Kitzingen zu einem Arbeitskreis versammelt haben, ist unüberhörbar. Denn viele ihrer Berufskollegen sind nicht gekommen. Trotzdem wollen diese Landwirte etwas verändern. Deshalb sind sie hier.

Vor mehr als einem Jahr hat die Regierung von Unterfranken angefangen, Bauern in den überwiegend "roten", also mit Nitrat belasteten, Gaulagen der Region zusammen zu trommeln. Ihr Ziel ist, kritische Nitratwerte an den Grundwasser-Messstellen zu verringern. Etwa 55 Landwirte machen freiwillig mit. Entstanden sind vier Arbeitskreise, die sich regelmäßig treffen und an Lösungen arbeiten, wie sie Stickstoff-Überschüsse auf ihren Äckern abbauen können. 

Zu den Gebieten, die die Regierung ausgewählt hat, gehören: Brünnstadt, ein Ortsteil der Gemeinde Frankenwinheim im Landkreis Schweinfurt, Euerfeld, Bibergau und Effeldorf, alles Stadtteile von Dettelbach und Seinsheim im Landkreis Kitzingen sowie Darstadt, ein Stadtteil von Ochsenfurt im Landkreis Würzburg.

Der "Stenon"-Spaten ist der Ferrari unter den Stickstoff-Messgeräten

Zurück auf den Bibergauer Acker: An diesem Abend demonstrieren Sebastian Ries und Thorsten Sehm vom Erzeugerring Würzburg den neuesten Ferrari unter den Stickstoff-Messgeräten: den "Stenon"-Spaten. Er soll zeigen, ob ein Landwirt an einer bestimmten Stelle seines Feldes düngen muss - oder ob noch genügend Reststickstoff im Boden vorhanden ist.

Das 10 000 Euro teure Gerät kann nicht nur den Stickstoff, sondern auch Phosphor, Kalium, Magnesium, Schwefel, Humusgehalt, Bodentemperatur und Luftdruck im Boden messen. Und liefert die Ergebnisse direkt in die Cloud der Firma "Stenon".

Das 10 000 Euro teure Messgerät, der 'Stenon-Spaten', kann nicht nur den Stickstoff, sondern auch Phosphor, Kalium, Magnesium, Schwefel und den Humusgehalt im Boden messen.
Foto: Thomas Obermeier | Das 10 000 Euro teure Messgerät, der "Stenon-Spaten", kann nicht nur den Stickstoff, sondern auch Phosphor, Kalium, Magnesium, Schwefel und den Humusgehalt im Boden messen.

"Da muss künftig meine Sekretärin mit ihrem Laptop mit auf den Acker", witzelt einer der Zuschauer. Eine Erleichterung wäre der Spaten aber allemal, so sind sich die Landwirte einig, wenn er funktioniere und irgendwann auch erschwinglich sei. Denn momentan müssen die Bauern noch in Schwerstarbeit 15 Mal pro Hektar eine Bodenlanze in den Boden klopfen und wieder herausziehen, um anschließend eine Bodenmischprobe im Labor auf ihren Stickstoffgehalt untersuchen zu lassen.

Zwischenfrüchte pflanzen hilft, weil die Nährstoffe aufnehmen

Nach der Spaten-Demonstration geht es wieder ins Sportheim. Dort ist der Frust fast mit Händen zu greifen, denn einfach weniger düngen - das wird an diesem Abend klar - reicht nicht aus, um die Nitrateinträge ins Grundwasser zu verringern.

Bei einem Landwirt wird trotz intensiver Viehhaltung weniger Reststickstoff auf den Flächen gemessen als bei einem anderen ohne Viehhaltung. Der Unterschied: Ersterer hat eine Zwischenfrucht nach der Ernte gepflanzt, die die Nährstoffe aufnimmt.

Bis heute sieht man die Auswirkungen der Dünge-Höhepunkte der 70er und 80er Jahre

Doch nicht immer ist die Lösung so einfach: "Ich bin rot, der nächste Acker ist grün: Warum?", fragt ein Landwirt. "Wir können die Effektivität der Maßnahmen überhaupt nicht nachprüfen. Denn wir reden hier über Zeiträume von Generationen", sagt ein anderer. 

Cornelia Wolfram nickt. Die Geologin vom Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg, sagt: "Man braucht einen langen Atem." Es gebe Wasser, das vor 30 Jahren versickert sei und das sich jetzt mit Wasser aus den vergangenen Monaten vermische. Seit Jahrzehnten seien die Nitratwerte im Grundwasser zu hoch - an vielen Messstellen in Unterfranken. Der Dünge-Höhepunkt der Landwirtschaft liege in den 70er und 80er Jahren. Doch noch heute sehe man die Auswirkungen.

Cornelia Wolfram ist Geologin beim Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg.
Foto: Thomas Obermeier | Cornelia Wolfram ist Geologin beim Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg.

Die Messstelle hier am Bibergauer Weg sei eine von insgesamt 92 Messstellen in Bayern, an denen der Nitratwert zu hoch sei. Zu hoch heißt über dem Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter oder aber zwischen 37,5 und 50 Milligramm pro Liter mit steigendem Trend. Denn das Ziel sei, etwas vor Ort zu verbessern, bevor der kritische Wert von 50 Milligramm überhaupt erst erreicht werde.

Wie Landwirte in Unterfranken die Nitrat-Einträge ins Grundwasser senken wollen

"Wie intensiv müssen die Anstrengungen sein, um die Messstelle unter 50 Milligramm zu bringen?", fragt ein Landwirt. "Wenn wir so weitermachen wie bisher, kommen wir da nie hin", lautet die ernüchternde Antwort der Wasser-Expertin. 

Die Herausforderung sei groß. Doch nicht aussichtslos: Seit 1998 sei auch an der Messstelle am Bibergauer Weg ein fallender Trend erkennbar. Immerhin von 80 auf 60 Milligramm Nitrat pro Liter. An die Landwirte gerichtet, sagt Cornelia Wolfram: "Ich habe größten Respekt vor dem, was Sie hier tun. Lassen Sie sich nicht entmutigen!"

Um herauszufinden, an welcher Stelle im Boden zu viel Reststickstoff ist, werden allein in Euerfeld, Effeldorf und Bibergau gut 70 Feldstücke im Herbst beprobt, erklärt Wolfgang Ehbauer, Bereichsleiter "Ernährung und Landwirtschaft" der Regierung von Unterfranken. Er sagt: "Wir messen, an welcher Stelle ist der Stickstoffgehalt höher und an welcher niedriger? Und wir fragen die Landwirte der jeweiligen Äcker: Was hast du anders gemacht als dein Nachbar?"

Wolfgang Ehbauer ist Bereichsleiter 'Ernährung und Landwirtschaft' der Regierung von Unterfranken.
Foto: Thomas Obermeier | Wolfgang Ehbauer ist Bereichsleiter "Ernährung und Landwirtschaft" der Regierung von Unterfranken.

Denn, so Ehbauer: Die EU werde spätestens 2024 prüfen, wie sich die Maßnahmen zur Nitratreduktion in Deutschland ausgewirkt haben. Sie werde fragen: Wie viele eurer Grundwassermessstellen sind grün geworden? Wenn sich die rote Fläche in drei Jahren nicht deutlich reduziert habe, werde die Kommission den Druck weiter erhöhen. Und noch schärfere Dünge-Regeln wolle schließlich niemand.

So wird ein mit Nitrat belastetes Gebiet in Bayern ausgewiesen

In vielen Regionen Deutschlands ist die Belastung des Grundwassers mit Nitrat seit Jahrzehnten zu hoch. 2018 hat der Europäische Gerichtshof Deutschland wegen Verstoßes gegen die EU-Nitratrichtlinie verurteilt. Die Bundesregierung hat im Mai 2020 die Düngeverordnung novelliert, die die Bundesländer zur Ausweisung der mit Nitrat belasteten (roten) Gebiete verpflichtet. Die Ausweisung der Gebietskulisse erfolgt in Bayern jetzt in diesen Schritten:
1. Nur Grundwasserkörper mit mindestens einer belasteten staatlichen Messstelle oder Trinkwassergewinnungsanlage werden betrachtet. Mit Hilfe von Stützmessstellen (nicht staatlich und mit geringeren Qualitätsanforderungen) werden unbelastete Teilbereiche herausgenommen.
2. In den belasteten Bereichen ermitteln Wasserexperten die Nitrataustragungsgefährdung. Denn unterschiedliche Böden oder Niederschläge beeinflussen das Risiko, wie viel Nitrat aus der landwirtschaftlichen Düngung am jeweiligen Ort ins Grundwasser verlagert wird.
3. Landwirtschaftsexperten berechnen anschließend die Stickstoffsalden der Landwirte, abhängig von den Tierbeständen, den angebauten Kulturen und Erträgen. Nur wenn der berechnete Stickstoffsaldo höher als die Nitrataustragungsgefährdung ist, wird ein Feldstück als mit Nitrat belastet ausgewiesen.
In Unterfranken sind vor allem zwischen Würzburg und Schweinfurt viele Messstellen rot. Landwirte in diesen mit Nitrat belasteten Gebieten müssen unter anderem strengere Düngegrenzen einhalten und regelmäßige Bodenuntersuchungen durchführen.
Quelle: akl
 
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  • hansi07
    Leider hat die im Anhang des Artikels abgedruckte Ausweisung der Gebiete einige Haken:

    1.) Offizielle Messstellen gibt es in vielen Grundwasserkörpern bislang viel weniger, als die Verordung vorsieht. Dies weisen aber meist deutlich höhere Nitratwerte auf als benachbarte Brunnen von Landwirten, die auch regelmäßig beprobt werden.

    2.) Stützmessstellen gibt es bislang bei uns gar nicht.

    3.) Die Modellberechnungen der "Landwirtschaftsexperten" sind eben nur Modelle. Da fließt beispielsweise die Viehhaltung in der Gemarkung ein, auch wenn der betreffende Landwirt gar keine hat. Über die tatsächliche Bewirtschaftung der Flächen hingegen kann man deren Einstufung als Rot, Gelb, Rot/Gelb oder Grün gar nicht beeinflussen.

    4.) Wir haben eine geringe Grundwasserneubildung, und damit oft trotz niedrigerer Düngung höhere Nitratkonzentrationen als andere Regionen. Lautet die Konsequenz, dass man eine Region so mit Auflagen belasten kann, dass ein wirtschaftlicher Anbau nicht mehr möglich ist?
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  • capsula@t-online.de
    Das ganze Getue ist doch Alles nur "Pseudo" um die Öffentlichkeit ruhig zu stellen. Die Nitrateinträge ins Grundwasser werden weiter steigen.
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  • rasputin32
    Es ist unverständlich, dass der Grundwasserkörper in dem mit 66 km² geplanten neuen Trinkwasserschutzgebiet westlich Würzburg anscheinend nicht untersucht wird.
    Außerdem wurde festgestellt, dass in den letzten Trockenjahren in vielen Gebieten keine oder nur eine sehr geringe Grundwasserneubildung erfolgt ist.
    Wie soll da eine Zunahme von Stickstoff im Grundwasser kommen?
    Das Umweltbundesamt schreibt, der Eintrag kann Jahre bis mehrere Jahrzehnte zurückliegen.
    Vor Jahrzehnten wurden von der staatlichen Beratung eine Stickstoffdüngung bis 400 kg für Zuckerrüben und 280 kg bei Weizen empfohen.
    Zusätzlich hatten fast alle Betriebe noch Viehhaltung. Damit kämpft man heute noch.
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  • isabell.reitz@stadt.wuerzburg.de
    "Außerdem wurde festgestellt, dass in den letzten Trockenjahren in vielen Gebieten keine oder nur eine sehr geringe Grundwasserneubildung erfolgt ist.
    Wie soll da eine Zunahme von Stickstoff im Grundwasser kommen? "
    Weil die Soße weniger verdünnt wird.
    Südbayern z. B. hat kaum Probleme mit Nitrat da das Grundwasser durch den vielfachen Durchfluss bei etwa gleichen Stickstoffeintrag (g/m²) weit mehr verdünnte wird.
    Unterfranken hat etwa 100 l/m² Südbayern hat den vierfachen Niederschlag also bis über 500 l/ m² Versickerung.
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  • Arcus
    Wie immer in der Gesellschaft ist der große Teil der Menschen vernünftig. So ist das auch bei den Bauern. Wir sollten endlich die, die sich nicht an die Regeln halten, nicht mehr in den Mittelpunkt stellen.
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