
Die "Allzeit..."-Termine des Mozartfests, meist ausverkauft, sind begehrte Gelegenheiten, mehr über den Menschen Mozart zu erfahren. Über seine Lebensumstände, seine Arbeitsweise, sein Denken. Am Montag sollte es bei dem Gesprächsformat, diesmal im Chorproben-Raum der Dommusik, um den Katholiken Mozart gehen.
Genie, Freimaurer, Humanist, Exzentriker, aufmüpfiger Tausendsassa - aber Katholik? Diese Seite werde gerne übersehen, so die Ankündigung. In einem Brief an den Vater schreibt der damals 22-Jährige im Jahr 1777: "Ich habe gott immer vor augen. Ich erkenne seine Allmacht, ich fürchte seinen Zorn; ich erkenne aber auch seine liebe sein mitleiden und barmherzickeit gegen seine geschöpfe."
Außer seinen Briefen gibt es keine Quellen, des etwas über Mozarts Glauben sagen könnten
Unter der Überschrift "Seine Liebe, sein Mitleiden" machten sich also der Musikforscher Ulrich Konrad, Seniorprofessor an der Universität Würzburg, und der Theologe Hans-Joachim Sander, Professor für Dogmatik in Salzburg, auf, Mozarts innerste Überzeugungen zu erkunden. Im vollen Bewusstsein, dass Aussagen über Mozarts Seelen- und Glaubensleben einerseits immer im Kontext von dessen Zeit getan werden müssen, also dem späten 18. Jahrhundert, und dass sie andererseits immer spekulativ bleiben, da außer den Briefen keine Quellen überliefert sind.

Es sei denn, man betrachtet Mozart durch dessen Werk, und das genau war Ulrich Konrads Ansatz. Er hatte vier markante Stellen mitgebracht, darunter die Schlussszene des "Don Giovanni", in der der Titelheld, der ja ein Mörder und Vergewaltiger ist, sich weigert zu bereuen, und deshalb in die Hölle fährt. Und die Szene in "Die Hochzeit des Figaro", in der die Gräfin dem Grafen verzeiht, nachdem dieser sie falsch verdächtigt und zudem noch versucht hatte, sie mit ihrer Zofe zu betrügen.
"Schuld und Vergebung" lautet ja das diesjährige Mozartfest-Motto. Wobei Konrad und Sander nur kurz das Thema Schuld streiften. Die kann in beiden Fällen als erwiesen gelten, wenn sie auch weniger in den vordergründigen Tatbeständen Mord beziehungsweise Ehebruch besteht: Don Giovannis eigentliches Verbrechen ist die radikale Negierung jeglicher Autorität. Der Graf im "Figaro" wiederum stellt mit seiner Bitte um Vergebung das Feudalsystem auf den Kopf. Denn Vergebung kann nur eine höhere Souveränität gewähren, so Sander. Diese aber ist eigentlich der Graf selbst.
Mozart illustriert den Höllensturz mit der Entfesselung aller musikalischen Mittel
Don Giovanni wiederum erkenne keinerlei höhere Souveränität an, es könne ihm deshalb auch nie vergeben werden. Aus christlicher Sicht eine Ungeheuerlichkeit. Mozart illustriere den Höllensturz deshalb mit der Entfesselung aller musikalischen Mittel. "Das ist damals beispiellos", so Ulrich Konrad.
Mozart und sein Librettist Lorenzo da Ponte, wie auch immer es um ihren persönlichen Glauben bestellt gewesen sein mag, rütteln zweifach an den Grundfesten der vorrevolutionären Ordnung. Und machen dabei zumindest bei Don Giovanni Konzessionen: "Da Ponte musste Don Giovanni in die Hölle schicken, das hätte sonst einen Skandal gegeben", sagte Ulrich Konrad.

Wie also stand es tatsächlich um Mozarts Glauben? Sander und Konrad lieferten jede Menge Wissenswertes zur Glaubens- wie zur Musikgeschichte. Zu Fragen der persönlichen Freiheit und zu Fragen, die bis heute nicht gelöst sind, so der Dogmatiker Hans-Joachim Sander. Etwa der 450 Jahre alte "Gnadenstreit" zwischen Dominikanern und Jesuiten, in dem es darum geht, ob und wie sehr der Mensch zu Lebzeiten die Möglichkeit hat, an seiner Erlösung mitzuwirken.
Was und wie Wolfgang Amadé Mozart selbst glaubte, wird wohl ein Geheimnis bleiben. Aber wie er die Seelennöte von Menschen, die sich in den Systemen ihrer Zeit verhedderten, erfassen und in Musik ausdrücken konnte, die uns heute noch im Innersten berührt, ist das möglicherweise noch größere Geheimnis.