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Würzburg
"Don Giovanni" in der Blauen Halle des Würzburger Mainfranken Theaters: Warum dem Wüstling die Wirkung fehlt
Intendant Markus Trabusch hat zum ersten Mal eine Mozart-Oper inszeniert. Warum die musikalisch gelungene Produktion unseren Autor nicht restlos überzeugt hat.
Don Giovanni (Leo Hyunho Kim) kommt gern sofort zur Sache. Zerlina (Milena Arsovska) ist - zumindest anfangs - nicht erfreut.
Foto: Thomas Obermeier | Don Giovanni (Leo Hyunho Kim) kommt gern sofort zur Sache. Zerlina (Milena Arsovska) ist - zumindest anfangs - nicht erfreut.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 09.02.2024 02:53 Uhr
  • Was ist das für ein Stück? "Don Giovanni", uraufgeführt 1787, ist eine der drei Mozart-Opern, zu denen Lorenzo Da Ponte das Libretto geschrieben hat. Das bedeutet: schlüssige, spannende Handlung, überzeugende Figuren und große, echte Emotionen.
  • Worum geht es? Der Schürzenjäger Don Giovanni, begleitet von seinem Diener Leporello, zieht durchs Land, um Frauen zu verführen. Dabei ist ihm jedes Mittel recht. Irgendwann ist der Bogen überspannt: Don Giovanni ereilt seine gerechte Strafe.
  • Wie ist es umgesetzt? Mainfranken-Theater-Intendant Markus Trabusch legt hier seine erste Regie einer Mozart-Oper vor. Er siedelt das Stück in einer gesichtslos-unwirtlichen Umgebung an und erzählt nah am Text. Das lässt Fragen und Wünsche offen.

Wer "Don Giovanni" inszeniert, versucht üblicherweise, zwei Fragen zu beantworten: Was treibt die Titelfigur an, und worauf basiert ihre Macht? Man kann den Titelhelden als charismatischen Nihilisten zeichnen, wie es Roland Schwab in Berlin getan hat, oder als verspielten Kindskopf wie Johannes Felsenstein in Dessau. Aber man muss eine Beziehung zu ihm finden.

Markus Trabusch, Intendant des Mainfranken Theaters, hat mit dem 1787 uraufgeführten Dramma giocoso zur kongenialen Handlung von Lorenzo Da Ponte erstmals eine Mozart-Oper inszeniert. Am Sonntag war Premiere in der Theaterfabrik Blaue Halle.

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Die gute Nachricht zuerst: Musikalisch ist die Produktion absolut auf der Höhe. Erster Kapellmeister Gábor Hontvári dirigiert ein gut vorbereitetes und mutig zupackendes Philharmonisches Orchester, Ensemble und Chor singen makellos bis herausragend.

Trabuschs Don Giovanni ist starrköpfig und herrisch - viel mehr leider nicht

Das Problem ist der Titelheld: Trabuschs Don Giovanni ist starrköpfig und herrisch. Viel mehr leider nicht. Vielleicht, weil der Regisseur versucht, die Geschichte einmal nicht aus der Perspektive des "bestraften Wüstlings", so der Untertitel, zu erzählen. Sondern aus den wechselnden Perspektiven der anderen.

Donna Anna, die sich nach dem - einvernehmlichen? - Sex mit Don Giovanni die Mitschuld am Tode ihres Vaters gibt; Donna Elvira, die einfach nicht loskommt von der Droge Don Giovanni; Don Ottavio, der bis zuletzt glaubt, seine selbstgefällige Liebe könne Donna Anna retten; Zerlina, die zumindest Leporello in den Griff bekommt; Leporello, der vergeblich versucht, sich von seinem toxischen Herren zu emanzipieren.

Moment der Vergeltung: Zerlina (Milena Arsovska) rechnet mit Leporello (Tair Tazhi) ab. 
Foto: Thomas Obermeier | Moment der Vergeltung: Zerlina (Milena Arsovska) rechnet mit Leporello (Tair Tazhi) ab. 

Aber das steht alles ohnehin im Text. Die Figuren erhalten ihre Relevanz als Gravitationsobjekte im Orbit des Titelhelden. Das heißt nicht, dass sie als Schablonen zu vernachlässigen wären, aber ohne das Zentralgestirn Don Giovanni, ohne seine Präsenz auch in Abwesenheit - tatsächlich singt die Figur deutlich weniger als viele andere -, kurz: ohne die alles durchdringende Macht des Titelhelden bleibt einfach zu wenig übrig.

Diese schwebende Unausweichlichkeit, die schon überdeutlich in der Ouvertüre anklingt, macht das Stück so faszinierend: Hier geht es nicht um Moral oder Gerechtigkeit. Hier geht es schlicht ums Recht des Skrupelloseren. Oder doch nicht?

Don Giovanni auf der Spur: Donna Anna (Silke Evers), Don Ottavio (Roberto Ortiz) und Donna Elvira (Vero Miller).
Foto: Thomas Obermeier | Don Giovanni auf der Spur: Donna Anna (Silke Evers), Don Ottavio (Roberto Ortiz) und Donna Elvira (Vero Miller).

Da wäre es durchaus passend, dass Marcel Keller (Bühne und Kostüme) eine seelenlos-unwirtliche Stadtlandschaft aus nahezu blinden Wänden geschaffen hat. Dass das Volk mal pastellig belanglos, mal maskenhaft gesichtslos (inspiriert von den Figuren der Commedia dell'arte) agiert. Dass die Hauptfiguren erst spät anfangen, direkt zu interagieren.

Aber es herrscht von Anfang an eine Freudlosigkeit, die es schwer macht, Hits wie Register-Arie oder Champagner-Arie zu genießen. Erst später gelingen große Momente, etwa das Duett Ottavio-Elvira oder die souveräne Abrechnung Zerlinas mit Leporello.

Sängerisch ist dieser "Don Giovanni" ein reiner Genuss

Aber wie gesagt: Sängerisch ist dieser "Don Giovanni" ein reiner Genuss. Leo Hyunho Kim gelingt es zwar nicht, dem Titelhelden die nötige Ausstrahlung zu verleihen, aber sein sämiger und doch klarer Bariton wird der Rolle musikalisch mehr als gerecht. Dennoch faszinieren vor allem die Frauenstimmen: Silke Evers ist eine unendlich fein differenzierte, zutiefst anrührend melancholische Donna Anna, Vero Miller eine grandios verblendete Donna Elvira mit untrüglichem Gespür für die große Melodie.

Milena Arsovskas Zerlina und Tair Tazhis Leporello könnten das Traumpaar sein - sähe das Libretto nicht anderes vor. Sie beide jedenfalls vereinen komisches Talent, Sinn für Timing und sängerische Bravour. Roberto Ortiz, dessen Don Ottavio nicht sehr originell im spießigen Pullunder agieren muss, hat dennoch viele berührende Tenormomente. Gustavo Müller und Taiyu Uchiyama vervollständigen als Komtur und Masetto ein optimal zusammengestelltes Ensemble. Langer, begeisterter Applaus.

Weitere Vorstellungen: 7., 11. Februar, 1., 10., 14., 27. März, 20., 26., 28. April, 5. Mai. Karten: Tel. (0931)  3908-124, karten@mainfrankentheater.de

 
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