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Würzburg
Wie ein Biergarten zur Elektrifizierung Würzburgs beitrug
Kurz vor Ende des 19. Jahrhunderts begann man auch in Würzburg, Strom zu erzeugen. Dass es dazu kam, hat mit einem geschäftstüchtigen Biergartenbesitzer zu tun.
Hier war es früher gemütlich, weiß Jürgen Dornberger. Er steht vor dem ehemaligen Biergarten, der als erster in der Stadt elektrische Beleuchtung hatte.
Foto: Eva-Maria Bast | Hier war es früher gemütlich, weiß Jürgen Dornberger. Er steht vor dem ehemaligen Biergarten, der als erster in der Stadt elektrische Beleuchtung hatte.
Bearbeitet von Torsten Schleicher
 |  aktualisiert: 03.12.2019 11:24 Uhr

Die beleuchtete Festung und das Käppele. Straßenlaternen, die sich im Main spiegeln: Welchem Würzburger würde nicht das Herz aufgehen angesichts des Lichterglanzes, in dem die Stadt allabendlich erstrahlt? Doch dieses Spektakel funktioniert nur mit einer Errungenschaft, die wir heute als selbstverständlich erachten: Strom. Die erste elektrische Beleuchtung in der Stadt am Main ließ aber weder die Festung noch das Käppele oder die Residenz erstrahlen und auch nicht das Rathaus, sondern: einen Biergarten.

Der Brauerei- und Gasthofbesitzer Georg Beer, der mit Frau und Tochter 1881 nach Würzburg gezogen war, hatte im Frühjahr 1884 die Nase voll. Von Gästen, die sich im Dunkeln davonschlichen, ohne ihre Zeche bezahlt zu haben, aber auch davon, dass an lauen Abenden nur wenige dieser Gäste in seinem dunklen Biergarten ausharrten, obwohl es doch so schön warm war und sich sicherlich das eine oder andere Bier ganz wunderbar hätte verkaufen lassen. „Also fackelte Beer nicht lang, sondern schuf Abhilfe: Er stellte sich einen Generator von der Firma Schuckert mit 400 Watt in den Garten und erzeugte damit Strom. Seine Gäste konnten nun auch nach Anbruch der Dunkelheit im Hellen sitzen“, erzählt der Pressesprecher der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV) und Betreuer des Historischen Archivs, Jürgen Dornberger.

Den historischen Generator gibt es heute noch

Wo der Garten war, ist heute ein Parkplatz, und auch das Schild „Sanderbräu“ ist nebst dem Tor, über dem es hing, verschwunden. „Aber die Bäume, welche den durstigen Besuchern des Biergartens Schatten boten, sind noch erhalten“, sagt Dornberger. Und den Generator nebst Rechnung gibt es ebenfalls noch, wenn auch nicht mehr an Ort und Stelle. Er befindet sich im WVV-Betriebsmuseum und deshalb hat ihn Dornberger – sehr zu seiner Begeisterung – dort oft vor Augen.

Das Ereignis mit dem beleuchteten Biergarten war sogar dem namhaften Würzburger Autor Max Dauthendey eine Erzählung wert. Er schrieb: „Als die erste elektrische Bogenlampe Anfang der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts in Würzburg eines Abends in dem Garten einer großen Brauerei vor der Stadt scheinen sollte, lief ich als Schulknabe nachts heimlich aus dem Hause, um dieses neue Licht zu sehen, von dem mein Vater lange vor der Einführung preisend gesprochen hatte (…). Es war wohl eine Viertelstunde Entfernung von unserer Wohnung in der Kaiserstraße bis in das Stadtviertel, wo das erste elektrische Licht strahlen sollte. (...) Viele Leute standen mit mir am Zaun und sahen in die Luft auf das neue Licht, an dem, so fand ich, nicht viel zu sehen war. Sehr enttäuscht schlich ich mich nach Hause.“

Der hell erleuchtete Biergarten wirkte wie ein Magnet

Andere schlichen aber nicht nach Hause, sondern stürmten in Richtung des hell erleuchteten Biergartens. „Der wirkte wie ein Magnet“, weiß Dornberger. Zumal der Rest der Stadt nach wie vor nur vom Licht der Gaslampen beleuchtet war. „Seit 1891 befaßten sich der 1. Rechtskundige Bürgermeister und der Magistrat (Referenten) mit der Frage, ob man die fortschrittliche Erfindung der Stromerzeugung auch in Würzburg einführen solle“, schreibt Werner Dettelbacher in seinem Buch „Taghell ist die Nacht erleuchtet“. Doch die Stadt Würzburg sei „zaghaft“ gewesen. Es habe bis ins Jahr 1897 gedauert, bis „der Magistrat der Stadt die Electrizitäts-AG, wie Schuckert & Co, ab 1893 firmierte“ mit der Errichtung eines Elektrizitätswerks beauftragte.

„Es sollte in der Lage sein, die Straßenbeleuchtung und Stromversorgung für private Abnehmer sicherzustellen“, beschreibt Dettelbacher das Ziel. Er hat auch genau recherchiert, wer die ersten Kunden waren: „Zu den ersten Privatkunden gehörte die Firma Carl Schlier, vertreten durch den Kaufmann Fritz Schlier, die für das Anwesen Schustergasse 4 eine Beleuchtung für 24 Glühlampen zu 16 Normalkerzen und vier Bogenlampen zu 4 Ampère bestellte.“ Auch ein Weinhändler und eine Buchdruckerei waren unter den ersten Interessenten.

Die Würzburger verhielten sich erst einmal abwartend

Doch der erwartete Boom blieb zunächst aus: „Bis zum Betrieb ab 1. April 1899 hatte man erst 45 Abnehmer gewonnen, setzte aber darauf, daß Betriebe und Hausbesitzer folgen würden, sähen sie erst einmal die Vorteile der elektrischen Beleuchtung ein.“ Die Stadt war marketingtechnisch jedoch nicht ganz ungeschickt – und versprach sich zum Beispiel von der elektrischen Beleuchtung des Theaters mit 808 Glühlampen von je 50 Watt und fünf Bogenlampen einen großen Werbeeffekt. „So sahen 650 Besucher die Vorteile dieser Beleuchtung allabendlich vorgeführt“, schreibt Dettelbacher.

Hell erleuchtet: In den den 1930er Jahren war die elektrische Straßenbeleuchtung in Würzburg längst selbstverständlich (am Sternplatz 1935). 
Foto: Historisches Archiv der WVV | Hell erleuchtet: In den den 1930er Jahren war die elektrische Straßenbeleuchtung in Würzburg längst selbstverständlich (am Sternplatz 1935). 

Auch im Rathaus erstrahlte elektrisches Licht – in Form von 102 Glühlampen im Rathausneubau, außerdem gab es 26 Bogenlampen für die Straßenbeleuchtung. Das kostete die Stadt aber einiges an Geld, wie Dettelbacher recherchiert hat: „So entstand im ersten Betriebsjahr ein Defizit von 17 450,15 Mark für die Stadtkasse.“ Dafür lief es nun mit den Privatinteressenten: Der Plan, immer mehr Privat- und Gewerbekunden durch die Beleuchtung öffentlicher Gebäude von den Vorteilen der elektrischen Beleuchtung zu überzeugen, glückte – und die Stadt setzte noch eins drauf: „Die Kosten für den Stromanschluss wurden sehr günstig gehalten, Handwerker bekamen einen besonders guten Tarif für ihre Maschinen“, berichtet Jürgen Dornberger.

Bald schon war der Bann gebrochen: Wer etwas auf sich hielt, hatte selbstverständlich Strom. Bürger, die noch mit Gas oder gar mit Petroleum beleuchteten, galten als unerhört rückständig. Dettelbacher bilanziert: „Strom war eben sauber und sicher für Dienstboten und Kinder. Niemand mußte Petroleum besorgen, Dochte beschneiden oder Glühstrümpfe auswechseln.“

Text: Eva-Maria Bast

Der Text stammt aus dem Buch „Würzburger Geheimnisse - Band 2“ von Eva-Maria Bast, das in Kooperation mit der Main-Post entstand. Das Buch enthält 50 Geschichten zu historischen Geschehnissen und Orten. Präsentiert werden die Begebenheiten jeweils von Würzburger Bürgern.

 
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