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Würzburg
Warum eine Würzburger Gedenktafel in die Irre führt
Der Komponist Richard Wagner war mehrfach in Würzburg und wohnte hier auch. Aber warum stimmt die Gedenktafel an einem Würzburger Haus trotzdem nicht?
Andreas Kutschelis macht mit seinen Händen und seiner Mimik deutlich: Anders als die Tafel über seinem Kopf behauptet, hat Richard Wagner hier nicht gewohnt.
Foto: Eva-Maria Bast | Andreas Kutschelis macht mit seinen Händen und seiner Mimik deutlich: Anders als die Tafel über seinem Kopf behauptet, hat Richard Wagner hier nicht gewohnt.
Bearbeitet von Torsten Schleicher
 |  aktualisiert: 03.12.2019 11:00 Uhr

Wie viele Menschen haben schon bewundernd vor diesem Haus gestanden! Vor allem Musikfreunde haben es entzückt gemustert und sich vorgestellt, wie Richard Wagner hier komponierte. Denn da steht es doch geschrieben: „Hier wohnte 1833 Richard Wagner und schuf sein Erstlingswerk "Die Feen'". Das ist aber falsch, wie Historiker Andreas Kutschelis aufgrund der neueren Forschung weiß:  „Richard Wagner hat hier nie gelebt.“

Der Würzburger weiß auch, wie dieser Fehler zustande kam. Doch bevor Kutschelis das verrät, will er zunächst auf die Bedeutung Würzburgs für den Komponisten eingehen: „Würzburg war der Ort des Auftakts seiner musikalischen Wanderjahre und der Beginn seiner künstlerischen Reife“, benennt der Historiker die Bedeutung der Stadt am Main für den Musiker. Ende Januar 1833 reiste der Komponist nach Würzburg, wo sein ältester Bruder Albert Wagner seit 1829 als Sänger am Theater tätig war.

Richard Wagner half in Würzburg auch als Babysitter aus

„Dort hatte er Richard ein Engagement als Chorrepetitor verschafft, gleichzeitig sollte dieser aber auch als Babysitter für seine drei Nichten fungieren, während Albert mit seiner Ehefrau, der Schauspielerin und Sängerin Elise Gollmann, auf Gastspielreisen weilte oder Auftritte zu absolvieren hatte“, sagt Kutschelis. Am 17. Februar 1833 registrierte Wagner sich bei der Würzburger Meldebehörde, „wohnhaft in der Hinteren Kapuzinergasse ‚I/40‘, einem Sträßchen, das heute Huebergasse heißt“, berichtet Kutschelis. „Das Haus wurde 1945 zerstört und nicht wiederaufgebaut. Heute befindet sich dort, neben dem Gebäude Huebergasse 1, ein Parkplatz. Lediglich Außenmauerreste sowie die Rückwand zeugen noch von Wagners erster Würzburger Wohnstätte.“

Bereits am 17. Oktober 1833 wechselte Richard Wagner seine Unterkunft erneut und zog in die Lochgasse „II/34“. Dieses Häuserareal wurde schon Anfang der 1850er Jahre für den Bau der Schrannenhalle abgerissen. Kutschelis kann den genauen Standort dennoch benennen: „Wagners zweite Würzburger Wohnung bis zu seinem endgültigen Wegzug am 15. Januar 1834 lag auf dem heutigen Straßenverlauf der Spiegelstraße in Höhe der jetzigen Häuser Nr. 21 und 21a.“ Keine Spur also von dem Haus, an dem die Gedenktafel hängt! Wie aber kam das Gebäude in der Kapuzinerstraße 7 dann zu der Tafel, auf der steht, Wagner habe hier gewohnt?

Ein simpler Lesefehler war wohl die Ursache der Verwechslung

„Als man 1888, dem Jahr der Uraufführung seiner Würzburger Oper ‚Die Feen‘, in den Würzburger Melderegistern die Einträge zu Richard Wagner wiederfand, kam es zu einem Lesefehler“, zitiert Kutschelis die neuere Forschung. Statt der Katasternummer „II/34“ wurde „I/34“ gelesen, zu der das Haus in der Kapuzinerstraße 7 gehörte. Und deshalb hängt hier, wo Wagner nie lebte, die Gedenktafel. Man schmückte das Gebäude also quasi mit fremden Federn.

Doch ob in diesem oder in einem anderen Haus: Die Würzburger Zeit war für Wagner ausgesprochen prägend. Hier begann er im Februar 1833 die Vertonung seiner Oper „Die Feen“ und vollendete diese auch am 6. Januar 1834. Und der junge Musiker hatte jede Menge Spaß in der Stadt am Main: „Er war nicht nur mit zwei Liebesaffären beschäftigt, sondern er feierte auch gern und oft mit Freunden“, sagt Andreas Kutschelis. Besonders der Felsenkeller und Biergarten „Der letzte Hieb“ oberhalb der Stadt in Richtung Rottenbauer hatten es ihm angetan. So gut gefiel es ihm hier, dass er daran dachte, an diesem Ort ein Festspielhaus zu errichten. Das scheiterte allerdings an Bürgermeister Sebastian Benkert, der meinte, Würzburg habe schon ein Theater.

Der Komponist steckt am "letzten Hieb" auch selbst Hiebe ein

Wagner hielt sich trotzdem weiterhin gern hier auf: An die ausgelassenen Nächte erinnert eine Gedenktafel, die in die Mauer eingelassen ist. „In diesem Haus verlebte im Jahr 1833 Richard Wagner manch frohe Stunde im Kreise gleichgestimmter Seelen“, steht hier zu lesen. „Der Name der Gaststätte verweist auf die in der Nähe gelegene Richtstätte Würzburgs im Mittelalter, wo Verurteilte den ‚letzten Hieb‘ erhielten und wo Richard Wagner Hiebe einstecken musste, aber auch verteilte“, wie Kutschelis verschmitzt feststellt. Das vergaß der Meister nie und erwähnte daher diese Stätte noch in späteren Briefen und seinen Memoiren.

Wagner hat auch später noch manche frohe Stunde im unvergessenen Würzburg erlebt: Insgesamt vier Mal – 1835, 1872, 1873 und 1877 – hat er die Stadt nach seinem Wegzug abermals besucht, das letzte Mal sechs Jahre vor seinem Tod. An dem Haus, in dem er angeblich gewohnt haben soll, mag er dabei jedoch allenfalls vorbeispaziert sein.

Text: Eva-Maria Bast

Der Text stammt aus dem Buch „Würzburger Geheimnisse - Band 2“ von Eva-Maria Bast, das in Kooperation mit der Main-Post entstand und soeben erschienen ist. Das Buch enthält 50 Geschichten zu historischen Geschehnissen und Orten. Präsentiert werden die Begebenheiten jeweils von Würzburger Bürgern.

 
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  • Heimahehu
    Wo ist in Würzburg der Sternplatz seht das Irgendwo ( Domstrasse)
    Am Radhaus W C nächtes W C Sternplatz
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  • kej0018@aol.com
    Was ist denn von dem originalen Letzten Hieb (in Richtung RottenDORF) real noch übrig? Gibt es die Keller noch? Und hat das kleine Häuschen dazugehört? Wie groß war die Wirtschaft denn damals? Weiß das jemand?
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  • sg.wuerzburg@t-online.de
    „Der letzte Hieb“ oberhalb der Stadt in Richtung Rottenbauer => Sollte das nicht eher "Rottendorf" statt "Rottenbauer" heißen?
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  • lisbeth128@gmx.de
    Der"Letzte Hieb" liegt Richtung Rottendorf - oder gibt's zwei davon?
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