Die Verbandskläranlage in Winterhausen ist auf dem besten Weg, klimaneutral und energieautark zu werden. Schlüssel dazu ist ein Investitionspaket von knapp zwei Millionen Euro, das der Abwasserzweckverband Ochsenfurt (AVO) beschlossen hat, und das nun in mehreren Stufen umgesetzt wird. Auch bei der gesetzlich verordneten Klärschlammaufbereitung, die vielen Betreibern noch Kopfzerbrechen bereitet, ist man in Winterhausen einen großen Schritt voraus. "Wir sind da, wo die anderen noch hinwollen", sagt Geschäftsleiter Martin Michel deshalb selbstbewusst. Der promovierte Bioverfahrensingenieur ist überzeugt, dass die Kläranlage Winterhausen und der Zweckverband auf einem vorbildlichen Weg sind.
Per Saldo produziert die Kläranlage bereits seit langem mehr Energie als sie verbraucht. Dank der beiden großen Faultürme, in denen aus dem Abwasser Methan - also Biogas - entsteht, das in einem Blockheizkraftwerk in Strom und Wärme verwandelt wird. "Rechnerisch haben wir einen Eigenversorgungsgrad von 115 Prozent", sagt Martin Michel. Die Sache hat nur einen Haken: Manchmal, vor allem im Winter, reicht dieses Biogas nicht aus, um den gesamten Energiebedarf zu decken. Dann musste Erdgas zugekauft werden, im Jahr rund 70.000 Kubikmeter.
Klärschlammpellets sind lange lagerfähig und leicht zu transportieren
Die Abwärme der Blockheizkraftwerke wird künftig ganzjährig zum einen für die Heizung der Gebäude und Prozesse und zum anderen in der neuen Klärschlammtrocknungsanlage genutzt. Der Klärschlamm wird nicht nur auf zehn Prozent Restfeuchte getrocknet, sondern gleichzeitig in handliche Pellets gepresst, die sich bequem transportieren lassen. Ein weiterer Vorteil: Sie haben in etwa den Heizwert von Braunkohle und lassen sich problemlos in jedem herkömmlichen Müllheizkraftwerk verfeuern. Und sie lassen sich lange lagern, sodass sie gezielt dann verheizt werden können, wenn der Energiebedarf in einem angeschlossenen Nahwärmenetz am höchsten ist.
Derzeit werden die Klärschlammpellets im MHKW in Würzburg verbrannt. In Zukunft könnten sie auch in einer Monoverbrennungsanlage eingesetzt werden. Dann ließe sich aus der Asche wertvoller Phosphatdünger zurückgewinnen. Der Gesetzgeber schreibt ab dem kommenden Jahrzehnt eine solche Rückgewinnung vor, weil die natürlichen Phosphatvorkommen allmählich zur Neige gehen. Wenn das dann alle Kläranlagen in Deutschland machen, können über 60 Prozent des Phosphorbedarfs in der Landwirtschaft gedeckt werden, so Michel.
"Wir setzen im Jahr 900.000 Kilowattstunden (kWh) Biogas und 500.000 kWh Abwärme ein; aus diesen 1,4 Millionen kWh generieren wir ungefähr 2,4 Millionen kWh Heizenergie, haben also einen Gewinn von einer Million kWh", rechnet Martin Michel vor. Das entspricht rund 100.000 Litern Heizöl. Und auch wirtschaftlich lohne sich die Investition schnell. So seien etwa die jährlichen Entsorgungskosten von 240.000 Euro auf 90.000 Euro gesunken. Martin Michel geht deshalb davon aus, dass sich die Klärschlammpellettierung in spätestens sieben Jahren amortisiert hat.
Hinzu kommt der geringere Transportaufwand. "Früher haben wir pro Jahr über 1800 Tonnen Klärschlamm durch die Gegend gefahren, heute sind es etwa 800 Tonnen Pellets", so Michel. Der feuchte Klärschlamm sei größtenteils in spezielle Verbrennungsanlagen im Rhein-Main-Gebiet oder in den östlichen Bundesländern gebracht worden. Weil in diesen Anlagen ein großer Teil der eingesetzten Energie gebraucht wird, um das Wasser zu verdampfen, sei der Wirkungsgrad vergleichsweise gering.
Neue Anlage entlastet die Umwelt jährlich um 200.000 Kilo CO2
Die Treibhäuser auf dem Gelände in Winterhausen, in denen der Klärschlamm bislang von der Sonne getrocknet und von kleinen Robotern ständig umgeschaufelt werden musste, haben somit ausgedient und können künftig als Lager genutzt werden. Ein weiterer Vorteil für die Umwelt, sagt Michel. Bei diesem langsamen Trocknungsprozess entstehen nämlich durch die sogenannte kalte Faulung immer noch geringe Mengen von Methan, das in die Umwelt entweicht und das Klima mindestens 28 Mal stärker beeinflusst als CO2. Umgerechnet werde die Umwelt im Vergleich zu früher jetzt um rund 200.000 Kilo CO2 pro Jahr entlastet, hat Martin Michel ausgerechnet.
Vollkommen unabhängig vom Stromversorger kann die Kläranlage aber trotzdem noch nicht arbeiten. Deshalb soll auf den alten Treibhäusern in diesem Jahr eine Photovoltaikanlage montiert werden. Geplante Investitionssumme: 400.000 Euro. "Damit sind wir nicht mehr nur per Saldo autark, sondern nahezu durchgehend", so Martin Michel. Dabei geht es auch um Planungssicherheit. "Wir wissen, dass unser Strompreis für die nächsten 30 Jahre sechs Cent betragen wird."
Photovoltaik könnte auch die Pumpwerke energieautark machen
Mehr noch: Weil die Photovoltaik voraussichtlich mehr produziert als die Kläranlage verbraucht, könnte auch ein Teil der Hauptpumpwerke im Kanalnetz des Zweckverbands mit eigenem Strom betrieben werden, statt ihn für eine geringe Vergütung ins öffentliche Netz einzuspeisen. Langfristig kann sich Michel sogar vorstellen, alle Hauptpumpwerke weitestgehend über Photovoltaikanlagen und angeschlossene Batteriespeicher zu versorgen. Damit wäre auch die Notstromversorgung gesichert.
"Es ist eine ganz lange Kette, die man sich anschauen muss, um eine solche Anlage immer noch ein Stückchen besser zu machen", sagt Martin Michel und hat sichtlich Freude daran, mit dem Team auch an neuen und unkonventionellen Wegen zu tüfteln. "Wir müssen einfach über manche Dinge auch mal anders nachdenken, dann macht's auch viel mehr Spaß."