Geld stinkt bekanntlich nicht. Die vielen Tausend Haushalte, die an das Netz des Abwasserzweckverbands Ochsenfurt (AVO) angeschlossen sind, dürfen sich deshalb freuen, dass ihre Abwässer in der Kläranlage in Winterhausen nicht nur nach den strengen Auflagen des Gewässerschutzes gereinigt werden, sondern dass dabei auch noch Ökostrom entsteht. Das trägt nicht nur zum Klimaschutz bei, sondern entlastet auch die Gebühren kräftig.
Rund 31 000 Bürger und viele Industriebetriebe sind ans Klärwerk angeschlossen. Der Einzugsbereich reicht von Giebelstadt im Westen über Gelchsheim im Süden bis nach Obernbreit im Osten und umfasst rund 240 Quadratkilometer.Anfang Mai wurde mit der Gemeinde Martinsheim ein weiterer Partner ans Kanalnetz angeschlossen. Und der Sprung nach Mittelfranken und in den südlichen Ochsenfurter Gau ist bereits geplant.
Etwa 75 Kilometer Kanalleitung erstrecken sich inzwischen als sogenannte Hauptsammler durch das Entsorgungsgebiet, berichtet Martin Michel, promovierter Verfahrenstechniker und Geschäftsleiter des AVO. 15 Pumpwerke sorgen dafür, dass das Abwasser auch Steigungen überwinden kann. Jeder der insgesamt 1465 Kanaldeckel des Verbands ist per GPS erfasst, um Revisions- und Reinigungsarbeiten zu erleichtern.
Kleinanlagen sind mit Umweltauflagen überfordert
Bei der Inbetriebnahme des Klärwerks im Jahr 1986 umfasste der AVO neben dem Ochsenfurter Stadtgebiet nur die unmittelbaren Nachbarorte. Dass sich das Einzugsgebiet inzwischen mehr als verdreifacht hat, liegt an den gestiegenen Umweltauflagen, sagt Michel. Als 2017 strenge Phosphat-Grenzwert in Kraft traten, um eine Überdüngung der nachgelagerten Gewässer zu verringern, hatte der AVO bereits längst in eine Anlage zur Phosphat-Fällung investiert. Das Phosphat, das vor allem aus Waschmitteln stammt, wird dabei zu einem unlöslichen Stoff umgewandelt, der im Klärschlamm zurückbleibt.
Weil der Main mit seiner geringen Fließgeschwindigkeit besonders sensibel auf Umwelteinflüsse reagiert, gelten für seine Zuflüsse besonders strenge Anforderungen, die ohne chemische Reinigungsstufen kaum noch einzuhalten sind. Kleinere Anlagen müssten viel Geld in die Nachrüstung investieren, oder sich einer größeren Kläranlage anschließen.
Das war letztlich auch der Grund, warum die Gemeinde Martinsheim zum Jahreswechsel dem Zweckverband beitrat. Eine neue Druckleitung für rund 1,1 Millionen Euro wurde gebaut. "Eine eigene Anlage wäre viel teurer geworden", sagt Martin Michel. Anfang Mai gingen die Pumpwerke in Betrieb, die das Abwasser mit einem Druck von sechs Bar nördlich von Gnodstadt ins AVO-Netz einspeisen.
Derzeit laufen die Vorbereitungen auf den Anschluss von Oberickelsheim und seiner Ortsteile Rodheim und Geißlingen. Ab Anfang 2021 soll das erste Abwasser aus Mittelfranken bei Hopferstadt in den AVO-Sammler fließen. Ab dem gleichen Zeitpunkt will auch Riedenheim seine Abwässer nach Winterhausen leiten. Einem Betritt zum Zweckverband hat die Verbandsversammlung in ihrer jüngsten Sitzung zugestimmt.
Die Zeit dafür ist günstig, sagt Martin Michel. Der Staat zahlt hohe Zuschüsse für Investitionen in eine umweltfreundliche Abwasserentsorgung. Aber auch die personellen Anforderungen machen den Betrieb von Kleinanlagen inzwischen nahezu unmöglich. "Dass jemand vom Bauhof nebenher die Kläranlage betreibt, das kann man sich künftig nicht mehr vorstellen", so Michel. In Winterhausen sind 17 qualifizierte Mitarbeiter dafür verantwortlich.
Sauberes Abwasser und effizienter Energieeinsatz
Es geht nicht nur um die Reinigung des Abwassers, sondern auch um einen möglichst effizienten Energieeinsatz. Schlüssel dazu sind die beiden Faultürme auf dem Gelände des AVO-Klärwerks. In den braunen Betoneiern produzieren Bakterien aus dem Schlamm der Klärbecken Methan. Im Blockheizkraftwerk treibt das Gas einen Generator an. Die Abwärme wird zur Trocknung des Klärschlamms genutzt. In dem komplexen Verfahrensablauf greift ein Rädchen ins andere, um die Energie optimal zu nutzen.
Trotzdem sucht Martin Michel ständig nach Verbesserungen. "Bei jedem Aggregat, das wir ersetzen, schauen wir, ob wir den Prozess noch weiter optimieren können", sagt er. So wie im vergangenen Jahr, als der Verband 400 000 Euro in ein neues Blockheizkraftwerk investiert hat und weitere 280 000 Euro in eine neue Belüftung und Steuerung der Belebungsbecken. Der Jahresenergieverbrauch sank dadurch von 1,75 Millionen auf 1,35 Millionen Kilowattstunden.
Der Gasgenerator und die Photovoltaikanlage erzeugen rund 2,3 Millionen Kilowattstunden, weit mehr als verbraucht wird. "Wir sind eine energierautarke Kläranlage", sagt Martin Michel, "und das ist echter Ökostrom, den wir produzieren". Der Anschluss ans öffentliche Netz dient deshalb nur noch für Notfälle und um den überschüssigen Strom einzuspeisen. "Wir verdienen Geld damit", so Michel. Durch den erzeugten Strom werden die Gebührenzahler jährlich um rund 200 000 Euro entlastet.
6000 bis 7000 Kubikmeter Schmutzwasser kommen an trockenen Tagen in der Kläranlage an. Bei Regen können es mehr als sechsmal so viel sein. Maß für die Verschmutzung sind der chemische Sauerstoffbedarf (CSB), also die Menge an Sauerstoff, die für den Abbau der organischen Stoffe nötig ist, und das enthaltene Ammonium.
Die meiste Schmutzfracht stammt allerdings nicht von den angeschlossenen Haushalten, sondern von Firmen. Ihr Anteil entspricht dem durchschnittlichen Abwasseraufkommen von 40 000 Menschen. Vor allem die Abwässer aus Brauereien und Molkereien enthalten hohe Anteile organischer Verunreinigungen. Auf bis zu 95 000 sogenannter Einwohnergleichwerte ist die Kläranlage ausgelegt. Es könnten also noch weitere Kommunen ans Netz des AVO anschließen.
Eine andere Frage, die Geschäftsleiter Martin Michel beschäftigt, betrifft die weitere Verbesserung der Reinigungsleitstung, vor allem was Arzneimittelrückstände und multiresistente Keime angeht, deren Auftreten in jüngster Zeit zunehmend zum Problem wird. Um sie zu eliminieren, wäre eine vierte Reinigungsstufe erforderlich, in der mit Hilfe von Ozon auch die letzten organischen Bestandteile zersetzt werden. Das Wasser, das danach die Kläranlage verlässt, hätte nahezu Trinkwasserqualität und könnte beispielsweise bedenkenlos zum Bewässern von Feldern und Weinbergen eingesetzt werden, sagt Michel.
Noch ist die verpflichtende Einführung der vierten Reinigungsstufe nur Gegenstand politischer Überlegungen. Dennoch hat Michel vorsorglich eine Studie in Auftrag gegeben, die belegt, dass auch das Klärwerk in Winterhausen problemlos nachgerüstet werden könnte. Je nach Verfahren lägen die Kosten dafür zwischen 3,5 und 8,0 Millionen Euro.
Problem Klärschlammentsorgung
Ein drängenderes Problem ist die Entsorgung des Klärschlamms, der bei der Reinigung des Abwassers übrig bleibt. 3500 Tonnen mit einem Anteil an Trockensubstanz von 26 Prozent verlassen jährlich die Schlammzentrifuge der Anlage. In zwei Gewächshäusern auf dem Gelände wird der Schlamm mit Hilfe von Sonnenenergie und der Abwärme des Blockheizkraftwerks auf bis zu 65 Prozent Trockensubstanz weiter entwässert.
Bislang wurde der entwässerte Schlamm hauptsächlich im Landschaftsbau eingesetzt. Doch inzwischen sind die Entsorgungspreise aufgrund strengerer Umweltauflagen kräftig nach oben beschnellt, allein in den vergangenen drei Jahren von 70 auf 170 Euro pro Tonne. Angesichts jährlicher Kosten von 200 000 bis 300 000 Euro muss die Klärschlammentsorgung europaweit ausgeschrieben werden, so Michel, was wiederum einen enormen Verwaltungsaufwand bedeutet. Außerdem soll das im Klärschlamm enthaltene Phosphar langfristig rückgewonnen und als Düngemittel oder chemischer Rohstoff wiederverwendet werden. Bis Ende 2023 müssen Kläranlagen dafür ein Konzept vorlegen.
Martin Michel unterstützt deshalb den Vorschlag des Zweckverbands Abfallentsorgung, am Würzburger Müllheizkraftwerk eine Ofenlinie eigens für die Klärschlammverbrennung zu bauen. Aus der Asche kann das Phosphat später zurückgewonnen werden, aktuell das wirtschaftlichste und effizienteste Verfahren, um die zur Neige gehenden natürlichen Phosphatvorräte zu ersetzen, so Martin Michel. "Technisch und emissionsmäßig wäre die Klärschlammverbrennung gegenüber der Müllverbrennung ein Kinderspiel", sagt er. Ein kommunaler Zweckverband, dem die Kläranlagen in der Region angehören, würde außerdem langfristig Entsorgungssicherheit und stabile Preise garantieren.