
In Wikipedia, einem frei zugänglichen Internet-Lexikon, wird der NS-Verbrecher Eduard Wirths neben der Fußballnationalspielerin Ursula Holl und dem Historiker Ulrich Völklein noch als Sohn des Ortes aufgeführt. Im Gemeinderat wird der Name am Dienstag aber nicht mehr ausgesprochen. Zumindest nicht, wenn damit der oberste Lagerarzt von Auschwitz gemeint ist, der für die Ermordung Hunderttausender Menschen verantwortlich ist. Das Gremium befasste sich erneut mit dem Kriegsverbrecher Wirths, weil jetzt erklärt werden muss, warum sein Name nicht mehr am Kriegerdenkmal steht. Welche Formulierung trifft es am besten?
Wirths war früh in das verbrecherische NS-System eingebunden
Nazi-Verbrecher Wirths stammte aus einer bekannten und einflussreichen Unternehmerfamilie in Geroldshausen. Nach seinem Medizinstudium in Würzurg wechselte er an die Frauenklinik in Jena und nahm dort als junger Arzt bereits an Zwangssterilisationen von Frauen teil. Schon 1934 trat er in die SS ein und arbeitete auch beim Landesamt für Rassewesen in Weimar. Für den Historiker Stefan Hördler, ein Experte für NS-Verbrechen, ein deutliches Indiz dafür, dass Wirths sehr frühzeitig in das NS-System eingebunden war.

Fronteinsätze hatte Wirths nur kurz. Im Frühjahr 1942 wurde der Arzt wegen eines Herzleidens in das Konzentrationslager Dachau, später nach Neuengamme versetzt. Im September 1942 kam er in den Konzentrationslager-Komplex Auschwitz und blieb dort fast drei Jahre. 1945 starb er in britischer Gefangenschaft an den Folgen eines Suizidversuchs. Als oberster Lagerarzt teilte Wirths die Ärzte für Selektionen an der Rampe ein, er billigte die pseudomedizinischen Experimente seines Mitarbeiters Josef Mengele und schickte selbst Hunderttausende in die Gaskammern von Auschwitz.
Gemeinde will im September 2022 Umgang mit KZ-Arzt Wirths aufarbeiten
In seinem Heimatort Geroldshausen stand sein Name 70 Jahre unter den Gefallenen und Vermissten des Zweiten Weltkrieges. Wie Wirths diese Ehre zuteil wurde, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Die Steinmetzfirma seines Vaters bekam 1951 vom Gemeinderat den Auftrag, das Kriegerdenkmal in der Mitte des Ortes zu erweitern.
Medien deckten später, dass sich auch der Name des KZ-Lagerarztes Wirths auf dem Denkmal befand. Dass er auf dem Kriegerdenkmal nichts verloren hatte, wussten zumindest die älteren Geroldshäuser. Denn seine Biographie und Funktion in Auschwitz war im Ort durch zwei Romanveröffentlichungen des Historikers Ulrich Völklein bekannt.
Der Gemeinderat hat zwei Sitzungen gebraucht, bis er sich dazu entschließen konnte, Wirths' Namen aus dem Kriegerdenkmal zu meißeln. Das ist mittlerweile geschehen. Am Dienstagabend legte der Gemeinderat einen Text fest, mit dem künftig die Lücke im Denkmal erklärt werden soll. Der Name Eduard Wirths kommt dabei nicht mehr vor. Auch Bürgermeister Gunther Ehrhardt spricht den Namen des Kriegsverbrechers nicht mehr aus. Er spricht nur noch von "der Sache".
Christoph Heubner, geschäftsführender Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, hat einen Textentwurf vorgeschlagen, den der Gemeinderat leicht verändert hat. Für den 22. September 2022 wird auch eine öffentliche Veranstaltung geplant. In Geroldshausen soll aufgearbeitet werden, wie in der Gemeinde mit Wirths und der Deportation der jüdischen Mitbürger in Konzentrationslager umgegangen wurde.