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Geroldshausen
Wie die Gemeinde Geroldshausen jetzt mit KZ-Arzt Wirths umgeht
Über den NS-Massenmörder Eduard Wirths wird in Geroldshausen nicht mehr gerne gesprochen. Die Gemeinde will nun erklären, warum der Name auf dem Kriegerdenkmal fehlt.
Der Name des KZ-Artztes Eduard Wirths wurde mittlerweile vom Kriegerdenkmal in Geroldshausen entfernt. Ein Hinweistext soll nun erklären, warum. 
Foto: Thomas Obermeier | Der Name des KZ-Artztes Eduard Wirths wurde mittlerweile vom Kriegerdenkmal in Geroldshausen entfernt. Ein Hinweistext soll nun erklären, warum. 
Thomas Fritz
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:16 Uhr

In Wikipedia, einem frei zugänglichen Internet-Lexikon, wird der NS-Verbrecher Eduard Wirths neben der Fußballnationalspielerin Ursula Holl und dem Historiker Ulrich Völklein noch als Sohn des Ortes aufgeführt. Im Gemeinderat wird der Name am Dienstag aber nicht mehr ausgesprochen. Zumindest nicht, wenn damit der oberste Lagerarzt von Auschwitz gemeint ist, der für die Ermordung Hunderttausender Menschen verantwortlich ist. Das Gremium befasste sich erneut mit dem Kriegsverbrecher Wirths, weil jetzt erklärt werden muss, warum sein Name nicht mehr am Kriegerdenkmal steht. Welche Formulierung trifft es am besten?

Wirths war früh in das verbrecherische NS-System eingebunden

Nazi-Verbrecher Wirths stammte aus einer bekannten und einflussreichen Unternehmerfamilie in Geroldshausen. Nach seinem Medizinstudium in Würzurg wechselte er an die Frauenklinik in Jena und nahm dort als junger Arzt bereits an Zwangssterilisationen von Frauen teil. Schon 1934 trat er in die SS ein und arbeitete auch beim Landesamt für Rassewesen in Weimar. Für den Historiker Stefan Hördler, ein Experte für NS-Verbrechen, ein deutliches Indiz dafür, dass Wirths sehr frühzeitig in das NS-System eingebunden war. 

Dieser Hinweistext soll vor dem Kriegerdenkmal in Geroldshausen erklären, warum dort nun eine Lücke ist. Der Name des KZ-Arztes und NS-Verbrechers Wirths wurde im Mai 2021 aus dem Stein gemeißelt.
Foto: Gemeinde Geroldshausen | Dieser Hinweistext soll vor dem Kriegerdenkmal in Geroldshausen erklären, warum dort nun eine Lücke ist. Der Name des KZ-Arztes und NS-Verbrechers Wirths wurde im Mai 2021 aus dem Stein gemeißelt.

Fronteinsätze hatte Wirths nur kurz. Im Frühjahr 1942 wurde der Arzt wegen eines Herzleidens in das Konzentrationslager Dachau, später nach Neuengamme versetzt. Im September 1942 kam er in den Konzentrationslager-Komplex Auschwitz und blieb dort fast drei Jahre. 1945 starb er in britischer Gefangenschaft an den Folgen eines Suizidversuchs. Als oberster Lagerarzt teilte Wirths die Ärzte für Selektionen an der Rampe ein, er billigte die pseudomedizinischen Experimente seines Mitarbeiters Josef Mengele und schickte selbst Hunderttausende in die Gaskammern von Auschwitz. 

Gemeinde will im September 2022 Umgang mit KZ-Arzt Wirths aufarbeiten

In seinem Heimatort Geroldshausen stand sein Name 70 Jahre unter den Gefallenen und Vermissten des Zweiten Weltkrieges. Wie Wirths diese Ehre zuteil wurde, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Die Steinmetzfirma seines Vaters bekam 1951 vom Gemeinderat den Auftrag, das Kriegerdenkmal in der Mitte des Ortes zu erweitern.

Medien deckten später, dass sich auch der Name des KZ-Lagerarztes Wirths auf dem Denkmal befand. Dass er auf dem Kriegerdenkmal nichts verloren hatte, wussten zumindest die älteren Geroldshäuser. Denn seine Biographie und Funktion in Auschwitz war im Ort durch zwei Romanveröffentlichungen des Historikers Ulrich Völklein bekannt.

Der Gemeinderat hat zwei Sitzungen gebraucht, bis er sich dazu entschließen konnte, Wirths' Namen aus dem Kriegerdenkmal zu meißeln. Das ist mittlerweile geschehen. Am Dienstagabend legte der Gemeinderat einen Text fest, mit dem künftig die Lücke im Denkmal erklärt werden soll. Der Name Eduard Wirths kommt dabei nicht mehr vor. Auch Bürgermeister Gunther Ehrhardt spricht den Namen des Kriegsverbrechers nicht mehr aus. Er spricht nur noch von "der Sache".

Christoph Heubner, geschäftsführender Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, hat einen Textentwurf vorgeschlagen, den der Gemeinderat leicht verändert hat. Für den 22. September 2022 wird auch eine öffentliche Veranstaltung geplant. In Geroldshausen soll aufgearbeitet werden, wie in der Gemeinde mit Wirths und der Deportation der jüdischen Mitbürger in Konzentrationslager umgegangen wurde. 

 
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Kommentare
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  • S. K.
    jetzt hab ichs auch entdeckt: mörderische "Verwortung"...
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  • S. K.
    Warum wird der Name nicht mehr ausgesprochen? Warum so eine Dämonisierung? Er war ein NS-Verbrecher, wie so viele, Punkt. Die Aufführung bei wikipedia ist neutral, eben im Sinne einer Enzyklopädie, und bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Söhne und Töchter der Gemeinde auch "verdiente" sind. Er steht dort als "SS-Standortarzt im KZ Auschwitz", der Name ist mit einem ausführlichen eigenen wiki-Artikel über ihn verlinkt. Auch bei Braunau am Inn steht in wikipedia zb Adolf Hitler unter der Rubrik "in Braunau geboren". Das ist historisch nunmal Fakt ohne das dies dabei irgendwie gewertet wird. Dies findet sich dann in den Artikeln zu den jeweiligen Personen.
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  • K. F.
    eine großherzige entschuldigung seitens gemeinderat. aber: kam diese nicht etwas späht? wussten diejenigen,die die inschrift von wirths gemeiselt hatten nicht auch schon bescheid, was das für ein übeltäter war? der krieg ist ja nun schon seid 76 zu ende! oder wollte man doch früher noch so manche greueltaten vertuschen?
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