Ab 1. Juli wird in Deutschland die Mehrwertsteuer gesenkt. Statt 19 Prozent zahlen die Kunden nun nur noch 16 Prozent. Waren, die zum Grundbedarf gehören oder dem Gemeinwohl dienen, kosten statt sieben nur noch fünf Prozent Mehrwertsteuer. Die Bundesregierung will damit den Konsum ankurbeln, die Preise senken und somit letztlich die Bürger finanziell entlasten. Doch werden die Waren dadurch wirklich billiger und wie geht der Einzelhandel in Würzburg damit um? Hierfür hat sich diese Redaktion bei verschiedenen Beteiligten umgehört.
Das Modehaus Schlier in der Domstraße beispielsweise gibt die Senkung direkt an die Kunden weiter. Dabei verzichtet das Unternehmen aber darauf, alle Preise neu zu etikettieren, auch weil die Mehrwertsteuersenkung ab Januar 2021 wieder rückgängig gemacht wird. Stattdessen wird an der Kasse einfach statt 19 nur 16 Prozent Mehrwertsteuer verlangt, was bei der Berechnung des Gesamtpreises einer Preissenkung von 2,52 Prozent entspricht. Neben der Frage, ob man alle Etiketten ändert oder nicht, gibt es für manche Händler auch Probleme beim Umstellen des Kassensystems, berichtet Volker Wedde vom Handelsverband Unterfranken.
"Wenn alle Einzelhändler die Senkung in vollem Umfang an die Endverbraucher weitergeben, kann diese außergewöhnliche Steuersenkungs-Maßnahme ein Erfolg werden", hofft Schlier. Wichtig ist ihm dabei vor allem, dass die Kunden ihr Geld in der Region ausgeben. Auch Wolfgang Weier, Geschäftsführer des Stadtmarketings "Würzburg macht Spaß" glaubt an den positiven Effekt dieser Maßnahme. Weier hat sich auch bei den Unternehmen in der Stadt umgehört und dabei erfahren, dass ein Großteil von ihnen die Mehrwertsteuer-Senkung an die Kunden weiter gibt. Viele verfahren dabei so wie das Modehaus Schlier und ziehen die Preise an der Kasse ab. Auch die großen Discounter und Filialisten in Würzburg, die ihre Preise nicht immer selbst bestimmen, wollen laut Weier senken.
Im Endeffekt ist es für Weier aber egal, wie oder ob die Unternehmen die Senkung weitergeben: "Wenn ein Unternehmen die drei Prozent behält, damit Jobs rettet und das Geld an die Mitarbeiter weitergibt, die es dann wieder ausgeben, hat auch das einen positiven Effekt." Besonders Kunden, die größere Investitionen tätigen wollen, beispielsweise ein Auto kaufen, werden den Unterschied schnell merken, aber "auch bei kleinen Einkäufen läppern sich die drei Prozent irgendwann", so Weier.
Sport läuft top, Textilbranche hat Probleme
Auch Volker Wedde stimmt Weier zu und hofft auf ein Wachstum in Unterfranken. Heiko Gesella, Geschäftsführer des Bekleidungsgeschäfts Zeitzeichen am Barbarossaplatz versteht die Maßnahmen der Bundespolitik zumindest für seine Branche nicht. "Im Sommerschlussverkauf reduzieren wir teilweise um 30 bis 40 Prozent, da machen die drei Prozent bei uns keinen Unterschied", so Gesella. Trotzdem werden auch im Zeitzeichen an der Kasse nochmal drei Prozent abgezogen. Allgemein sei der Textilhandel die Branche, die am meisten Probleme mit der aktuellen Situation habe. Andere Bereiche, wie beispielsweise die Sportgeschäfte laufen super, berichtet Weier.
"Mir graust es ein bisschen vor der Zukunft", ist Weier zu Beginn des Gesprächs noch recht pessimistisch. Besonders wenn Ende September die Sonderregelung des Staats zu Insolvenzen ausläuft, befürchtet Weier eine Insolvenzwelle. Der Staat hatte die Insolvenzantragspflicht bis in den Herbst ausgesetzt. Deshalb ist die Zahl der Insolvenzen während der Corona-Pandemie sogar zurückgegangen. Weier hofft, dass die Bundesregierung diese Maßnahmen für den Handel noch bis Ende des Jahres ausdehnt. Dann könnte das starke Weihnachtsgeschäft viele Unternehmen retten.
Weier befürchtet viele Insolvenzen
Auch die Mehrwertsteuersenkung wird laut Weier helfen. "Angeschlagenen Unternehmen werden die drei Prozent vielleicht über den Berg helfen", so der Würzburger Standortmarketing-Chef. Zwei Faktoren spielen für Weier dabei eine Rolle. Die Frequenz in der Würzburger Innenstadt, die auch an einem Laser in der Schönbornstraße gemessen wird, liegt aktuell ungefähr bei 70 Prozent - wetterbedingte Ausschläge nach oben und unten ausgenommen. Zusammen mit der, aufgrund der unsicheren Situation in der Coronakrise gesunkenen Kauflust der Kunden, ergibt das ein Problem.
Internen Berechnungen zufolge geht Weier bei Dienstleistern von sieben bis zehn Prozent Insolvenzen aus, im inhabergeführten Handel und in der Gastronomie könnte es in Würzburg zehn bis 15 Prozent treffen. "Damit würden wir in Würzburg mit einem blauen Auge davon kommen", so Weier. Dabei seien natürlich große Ketten und Filialisten weniger stark betroffen als kleine inhabergeführte Läden. Strukturschwächere Regionen würde die Krise heftiger treffen als Würzburg. Dieser Meinung sei auch der Würzburger Ökonomieprofessor und ehemalige Wirtschaftsweise Peter Bofinger, so Weier. Und so ist er im Endeffekt doch vorsichtig optimistisch, dass der Würzburger Handel mit seinen fast 1000 Geschäften gut durch die Krise kommt.