Die Stadt erarbeitet gerade ein neues Einzelhandels- und Zentrenkonzept, um festzulegen, wo künftig Einzelhandel erlaubt und gefördert wird. Als Grundlage dafür hat das Büro für Stadtforschung "Junger+Kurse" aus Dortmund jetzt den Ist-Stand untersucht. Da Stadtrat und Verwaltung Auswirkungen der Corona-Krise auf den Einzelhandel befürchten, soll die Analyse im Herbst aktualisiert werden. Wir haben die wichtigsten Ergebnisse zusammen gefasst.
Wie verteilt sich der Einzelhandel in Würzburg?
Auf rund 400 000 Quadratmetern und in fast 1000 Geschäften kann man in Würzburg einkaufen. Ähnlich große Städte haben durchschnittlich rund ein Drittel weniger Verkaufsfläche pro Einwohner.
Allerdings gehören Dreiviertel dieser Fläche 84 großen Geschäften. Die größten sind XXXLutz Neubert, Ikea, Gebrüder Götz-Das Modehaus, Wöhrl, Real und die Baumärkte. Die restlichen 100 000 Quadratmeter teilen sich die gut 900 übrigen Geschäfte.
Im Vergleich zu anderen Städten gibt es in Würzburg mehr großflächigen Einzelhandel und weniger kleine Geschäfte.
Ist der Leerstand in Würzburg hoch?
55 leerstehende Geschäfte haben die Gutachter Ende 2019 in der Stadt gezählt, 26 davon in der Innenstadt. Damit liegt der Leerstand bei fünf Prozent der rund 1000 Geschäfte und damit deutlich unter den zehn Prozent, die als normal im Rahmen der üblichen Fluktuation gelten. "Sie haben kein grundsätzliches Leerstandsproblem," sagt Stefan Kruse von "Junker+Kruse".
In der Altstadt befindet sich ein Viertel aller Verkaufsflächen und mit 553 etwa die Hälfte aller Geschäfte. Damit hat Würzburg ein lebendigeres Einzelhandelszentrum als es andere vergleichbar große Städte haben. Gutachter Kruse erwähnt "einen hohen Anteil" kleinerer, von ihren Inhabern geführter Geschäfte, in denen Kleider, Schmuck, Spielwaren oder medizinische Produkte verkauft werden.
Auch in Grombühl (80), Heidingsfeld (60) und Lengfeld (54) gibt es noch relativ viele Läden. Die wenigsten Betriebe sind mit sechs in der Lindleinsmühle und acht im Steinbachtal.
Wie ist die Versorgung in den Stadtteilen?
Sehr gut versorgt sind mit ihren Stadtteilzentren Heidingsfeld (25 Betriebe, 2300 Quadratmeter Einzelhandelsfläche), Grombühl (26 Betriebe, 2000 Quadratmeter) und die Zellerau (20 Betriebe, 5000 Quadratmeter). Auch Sanderau, Hubland, Frauenland und Heuchelhof haben solche Strukturen. In Rottenbauer, Lengfeld, Versbach und Lindleinsmühle fehlen sie.
Wie gut ist die Nahversorgung?
Ein Drittel aller Geschäfte in Würzburg sind Lebensmittelgeschäfte. Insgesamt werden auf 64 000 Quadratmetern Lebensmittel verkauft.
Prinzipiell gibt es in allen Stadtteilen – außer im Steinbachtal – Nahversorgung. Besonders groß ist die Fläche pro Einwohner in Grombühl. Allerdings ist knapp die Hälfte dieses Angebotes nur mit dem Auto zu erreichen. Die andere Hälfte ist auf meist kleinere Lebensmittelmärkte und -discounter sowie Bäckereien oder andere Handwerksbetriebe in der Innenstadt und den Stadtteilen verteilt.
Ist der Einzelhandel gewachsen oder geschrumpft?
2009 empfahl ein von der Stadt beauftragter Gutachter vor allem Wachstum. Würzburg bräuchte dringend mehr Einkaufsfläche, um attraktiv zu bleiben. Die Empfehlung damals: Die 390 000 Quadratmeter müssten um 40 000 wachsen – am besten durch ein Einkaufszentrum.
Große Geschäfte sind seit dieser Zeit durch Ikea (35 000 Quadratmeter seit 2009) und größere Lebensmittelzentren wie zum Beispiel Edeka in der Nürnberger oder Randersackerer Straße entstanden. Auch in der Innenstadt sind zum Beispiel mit Zara und s.oliver größere Geschäfte dazu gekommen. Gleichzeitig haben in dieser Zeit aber kleine Geschäfte in der Innenstadt und in den Stadtteilen geschlossen. Insgesamt ist die Fläche an Einzelhandel um etwa 10 000 Quadratmeter auf gut 400 000 Quadratmeter gewachsen. Die Notwendigkeit eines Einkaufszentrums wird aber nicht mehr diskutiert.
Wie steht Würzburg als Oberzentrum da?
Die sogenannte Zentralitätszahl gibt an, wie viel Geld von außerhalb in den Einzelhandel einer Stadt fließt. Dazu werden die Umsätze jedes einzelnen Geschäftes anhand von Vergleichszahlen geschätzt. Dieser theoretische Umsatz von 1,3 Milliarden Euro wird durch die geschätzte Kaufkraft der Würzburger (860 Millionen Euro) dividiert. Mit einer Zentralitätszahl von 1,5 steht Würzburg laut Gutachter Kruse sehr gut da: "Das ist ein sehr guter Wert."
Die Kaufkraft der rund 157 000 Einwohner aus 17 umliegenden Städten und Gemeinden des Würzburger Einzugsgebietes beträgt rund eine Milliarde Euro. Diese Zahl berechnet sich nach einer regional differenzierten statistischen Pro-Kopf-Größe.
Der Würzburger Einzelhandel schöpft davon zwischen 30 und 50 Prozent ab, also 300 bis 500 Millionen Euro. Dazu kommt der Tourismus. Etwa eine Million Übernachtungsgäste und rund 14 Millionen Tagestouristen lassen geschätzt bis zu 190 Millionen Euro pro Jahr in den Geschäften.
Gutachter Kruse betont, dass Würzburg seine regionale Strahlkraft nicht einigen großen Einzelhändlern am Stadtrand verdankt, sondern der lebendigen Innenstadt: "Dass in Würzburg auf den Bau eines Einkaufszentrums verzichtet wurde, war für den Einzelhandel in der Innenstadt sicher eine sehr gute Entscheidung."
Wo gibt es Probleme?
Problematisch für die Innenstadt ist die Konkurrenz durch die relativ vielen Sonderstandorte am Rande der Stadt. Es gibt zehn solcher städtebaulich nicht integrierten Standorte, wo Fachmärkte aber – wie zum Beispiel mit Gebrüder Götz in der Zellerau – auch große Bekleidungsgeschäfte entstanden sind.
Auch die Zentren in den Stadtteilen könnten verschwinden, wenn noch weitere Discounter oder großflächige Märkte auf der grünen Wiese gebaut werden. Laut Kruse gefährden diese die "Magnetmärkte" und damit viele kleinere Geschäfte der Stadtteilzentren. Denn viele der Lebensmittelmärkte und -discounter, die es noch in Wohngebieten gibt, sind nach heutigem Maßstab zu klein. Kruse: "Da muss man aufpassen, denn die vorhandene Struktur leistet in den Wohngebieten einen wichtigen Beitrag zur Grundversorgung." Schon heute ist die Hälfte des Lebensmittelangebots nur mit dem Auto zu erreichen.
Wie wird sich die Corona-Krise auswirken?
Stadtrat und Verwaltung fürchten, dass die Corona-Krise zu mehr Leerständen führen könnte. Laut Gutachter Kruse wird die Corona-Krise zwar zu Veränderungen führen, die Strukturen langfristig aber nicht beeinflussen. "Der zentrale Versorgungsbereich Würzburg ist die Innenstadt, das wird sich durch die Corona-Krise nicht verändern. Da mache ich mir keine große Sorgen."