Die Kirschessig-Fliege misst nur drei, höchstens fünf Millimeter. Und doch ärgert sie Rhöner Holunderproduzenten wie Tobias Mültner gewaltig. Gibt sie sich doch sehr fortpflanzungswillig und gefräßig. So bescherte der Schädling, der vor allem rote Früchte befällt, den Rhöner Anbauern Ernteeinbußen von bis zu 30 Prozent. Beim Hauptabnehmer Bionade in Ostheim bleiben sie dennoch gelassen.
Tobias Mültner steht der Rhöner Biogemeinschaft Nordheim vor. Darin vereint sind fünf Landwirte, die auf elf Hektar Holunder anbauen. Er betreibt in Nordheim einen eigenen Bio-Bauernhof mit Holunderfeldern Richtung Heufurt und Ostheim.
2014 sei „ein perfektes Jahr für die Kirschessig-Fliege“ gewesen, klagt Mültner. Ein milder Winter, ein feuchter Sommer – das liebt der Schädling. Und diese Jahreszeiten nutzt er genüsslich, um sich zu vermehren.
Die Kirschessig-Fliege befällt Stein- und Beerenobst, bevorzugt Süßkirschen. Sie stürzt sich auf Pfirsiche, Nektarinen, Pflaume und Marillen, Heidel-, Stachel- und Brombeeren sowie Him- und Erdbeere. Auch roter Wein ist oft betroffen, Apfel, Birne und natürlich Holunder.
Der Schädling bohrt sich durch die weiche Schale der Früchte, legt seine Eier ab, aus denen sich dann Maden entwickeln. Die Bakterien, die diese in die Frucht einbringen, bilden Essig. Das Obst verdirbt.
Der Holunder reift vergleichsweise spät im Jahr heran, frühestens Ende August, eher im September. Ein gefundenes Fressen für die Essigfliege, die sich in der Zeit voll entfaltet. Zweimal pro Jahr wird Holunder geerntet. Laut Mültner schlug der Schädling beim ersten Durchgang noch nicht so stark zu; die zweite Ernte fiel komplett aus. Das Resultat in der Region: 15 bis 30 Prozent Einbußen. Langfristig gefährdet das die Wirtschaftlichkeit des Anbaus.
Mittel, um den Massenbefall einzudämmen, besitzt ein Anbauer nach Mültners Angaben kaum. Mit Wein versetzte Lockfallen blieben weitgehend wirkungslos; Netze, die über die Felder gespannt werden, kosten zu viel. Außerdem: Reißt nur ein Loch ins Netz, breitet sich der Schädling darunter aus. Mültner hofft auf ein Bakterium, das die Fraßaktivität des Schädlings hemmt und die Fliege lähmt.
Heinrich Hofmann von der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim bei Würzburg beschäftigt die Kirschessig-Fliege sehr – auch wenn es ihm mehr um die Schäden beim Wein geht. Ihm zufolge fiel die Fliege in Deutschland erstmals vor drei Jahren unangenehm auf. In Amerika breitete sich der aus Südostasien stammende Schädling schon einige Jahre früher aus. Seien vor drei Jahren hierzulande nur einzelne Tiere nachgewiesen worden, habe 2013 bereits schwacher Befall vorgelegen. 2014 war der Befall beträchtlich.
„Es gibt noch viele offene Fragen“, sagt Hofmann. Zum Beispiel die, wo die Fliege überwintert. Landwirtschaftsminister Helmut Brunner hat 600 000 Euro bewilligt, um den Obstschädling genau zu erforschen – um ihn wirksam zu bekämpfen.
Daran dürfte auch Bionade in Ostheim großes Interesse haben. Der Getränkehersteller bezieht nach eigenen Angaben 100 Prozent seines Bio-Holunders aus der Rhön. Versorgungsprobleme gebe es trotz der Ernteeinbußen nicht.
Bionade gibt den Anbauern verstärkt Informationen und Lösungsansätze zum Thema weiter. Man stehe in Kontakt mit Forschungseinrichtungen und Instituten. Im März fand in Ostheim eine größere Infoveranstaltung mit Fachleuten statt.
Heinrich Hofmann rechnet damit, dass die Fliege auch dieses Jahr auftritt. Er weiß nur nicht, wie stark. „Der Winter war nicht allzu hart. Eine relativ große Population dürfte durchgekommen sein.“ Bei vielen Niederschlägen und hoher Luftfeuchtigkeit könnten die Beeinträchtigungen zunehmen. Eine Einschätzung, die zum eigenen Leidwesen auch Tobias Mültner teilt.