Das Vorhaben strahlt ein gewisses Selbstbewusstsein aus: Ochsenfurt möchte in der altehrwürdigen Spitalanlage ein Museum mit überregionaler Bedeutung einrichten. Kein Stadt- oder Heimatmuseum wie viele, sondern ein Spezialmuseum, das sich dem Thema Main und Mensch widmet. Im Sommer hatte die Sanierung des Anwesens begonnen. Dass der Ort passend und der schwerpunktmäßig kulturhistorische Blick auf den Main ein Alleinstellungsmerkmal wäre, hatten die Volkskundler Dagmar Stonus und Jochen Ramming vom beauftragten Büro "Frankonzept" schon vor anderthalb Jahren in einer Machbarkeitsstudie festgehalten.
Die Stadt muss nicht bei Null anfangen
Nun stellt sich die Frage, mit welchen Ausstellungsstücken das neue Museum befüllt werden könnte - oder mit anderen Worten: Wie kann Ochsenfurt eine ansprechende Sammlung aufbauen? Zu einem ergebnisoffenen Gedanken- und Erfahrungsaustausch hierüber trafen sich verschiedene Spezialisten aus dem Museumsbereich bei einem Colloquium im Ochsenfurter Bürgerkeller. Beruhigendes konnte dabei Dagmar Stonus verkünden: Die Stadt muss nicht bei Null anfangen. Denn erstens verfügen sowohl Ochsenfurter Bürger als auch Unternehmen über interessante Objekte, und zweitens gibt es bereits zwei Museen, die bei der Planung mit einbezogen werden sollen.
Im derzeit noch im Schlössle untergebrachten Heimatmuseum finden sich viele Exponate zum Leben am Main. Den modernen Anforderungen entspreche das Museum aber nicht mehr, sagte Dagmar Stonus. Deshalb soll es in das neue Museum integriert werden. Das dem Spital schräg gegenüber liegende Trachtenmuseum hingegen sei bereits ein profiliertes Spezialmuseum, das auf großes Interesse stoße und ebenfalls mit dem neuen Museum kooperieren könne. Ein digitales Inventar oder ein akzeptables Depot suche man aber in Ochsenfurt noch vergebens.
Dafür biete das Stadtarchiv eine Vielzahl von Quellen zu den Themen Brücke, Fischereiwesen und Schifffahrt, außerdem seien archäologische Artefakte sowie zwei umfangreiche historische Fotosammlungen vorhanden. Auch in Richtung Rathaus werfen die Volkskundler sehnsüchtige Blicke. Dort gibt es neben verschiedenen anderen Bildern und Panoramen ein rund vier mal drei Meter großes Ölgemälde mit einer Stadtansicht von Norden, entstanden um 1623. Das ist aber fester Bestandteil des Ratssaals, "leider", wie Dagmar Stonus feststellte. Die Präsentation einer digitalen Fassung des Gemäldes im Museum ist aber gut denkbar.
Daneben haben die beiden Ochsenfurter Brauereien verschiedene historische Stücke aufgehoben, unter anderem welche zur Bierkühlung mit Eis aus dem Main. Ein Privatmann verfüge über einen Film aus den 1930er Jahren, der die letzte Fahrt der "Meekuh" dokumentiert, sagte Dagmar Stonus. Auch ist historisches Bildmaterial über das Schifferwesen vorhanden, und einen lokalen Ansichtskartensammler mit einem äußerst umfangreichen Fundus gibt es ebenfalls.
Nicht jedes Spinnrad kann ausgestellt werden
Dass darüber hinaus in so manchem privaten Keller oder Dachboden noch historische Schätze schlummern dürften, ist den Fachleuten durchaus bewusst. Aus Erfahrung wissen sie aber, dass das Fluch und Segen zugleich sein kann. Wenn ein Heimatmuseum das 20. Spinnrad angeliefert bekommt, dann ist das vom Spender nett gemeint. Wie aber vermeidet man, dass sich der Eigentümer missachtet fühlt, wenn er mitgeteilt bekommt, dass ausgerechnet sein Spinnrad nicht auch noch ausgestellt werden kann? Dieses Dilemma kennen die meisten Museumsleute.
Wichtige Objekte müsse ein Museum suchen, nicht einfach nur entgegen nehmen, sagte Hans Lochmann vom Museumsverband Niedersachsen und Bremen, der eigens für das Colloquium aus dem hohen Norden angereist war. Denn die meisten Leuten wüssten einfach nicht, was ein Museum haben will. Stephanie Falkenstein, Leiterin des Kitzinger Stadtmuseums, ist sehr wohl an Dingen interessiert, die die Bevölkerung bei sich zu Hause hat. Vorausgesetzt, zu dem Gegenstand gibt es auch eine Geschichte. "Stadtgeschichte ist die Geschichte der Einzelnen", sagte sie. "Die Objekte wiederholen sich, aber die Geschichten sind einzigartig."
Als beinahe unerlässlicher Baustein beim Aufbau einer Sammlung gilt daneben die Zusammenarbeit mit anderen Museen. Mit diesem Thema muss sich auch Erich Schneider auseinandersetzen, der das neue Museum für Franken auf der Festung Marienberg in Würzburg leitet. Er steht vor der Frage, ob sich ganz Franken mit den vorhandenen Beständen abbilden lässt. "Alle reden über Franken, aber keiner weiß genau, was man sich darunter vorstellen soll", sagte Schneider in Ochsenfurt.
Akteure sollen sich vernetzen
Er weiß, dass zahlreiche Museen in der Region Ausstellungen mit speziellen Franken-Themen planen. "Die Szene ist in Bewegung geraten und will ihr Profil schärfen." Das Museum für Franken möchte bei seiner Neukonzeption den Horizont über die Biedermeierzeit hinaus bis in die Gegenwart erweitern, eine Zukunftswerkstatt einrichten, Wechselausstellungen organisieren und den Fokus stärker auf die Pädagogik richten. Die wichtigsten Akteure seien dabei freilich die Exponate, sagte Schneider. Wo Lücken sind, werden deshalb andere Museen angesprochen. Man sei, fasste Schneider zusammen, bei einer solchen Neukonzeption zur Zusammenarbeit nahezu verdammt.
Konkrete Handlungsanweisungen gab das Colloquium nicht, was aber auch nicht die Intention der Veranstaltung war. Für Bürgermeister Peter Juks ist vor allem wichtig, dass Ochsenfurt sich mit anderen Akteuren der Branche vernetzt, um in der aktuell laufenden Feinkonzeption weiterzukommen. Das Ziel: Im Sommer 2022 das neue Museum eröffnen zu können.