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Würzburg
Soll die AfD jetzt verboten werden? Staatsrechtler der Uni Würzburg erklärt die Hürden – und ruft zum Handeln auf
Über ein Parteiverbot der AfD gehen die Meinungen auseinander. Wie Jura-Professor Kyrill-Alexander Schwarz von der Uni Würzburg ein solches Verfahren bewertet. Und was er fordert.
Der Würzburger Staatsrechtler Prof. Kyrill-Alexander Schwarz erklärt im Interview die hohen juristischen Hürden eines Parteiverbots - und warum er im Fall der AfD dennoch für die Einleitung eines Verfahrens ist. 
Foto: Daniel Peter | Der Würzburger Staatsrechtler Prof. Kyrill-Alexander Schwarz erklärt im Interview die hohen juristischen Hürden eines Parteiverbots - und warum er im Fall der AfD dennoch für die Einleitung eines Verfahrens ist. 
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 19:12 Uhr

Nach den Enthüllungen um ein Geheimtreffen rechtsextremer Aktivisten mit AfD-Vertretern und Vertreibungsplänen ist die Debatte um ein Parteiverbot aufgeflammt. Kyrill-Alexander Schwarz, Professor für Öffentliches Recht an der Uni Würzburg, erklärt die Voraussetzungen für ein solches Verfahren – und warum er es für geboten hält.

Herr Schwarz, warum ist es eigentlich so schwierig, eine in Teilen extremistische Partei zu verbieten?

Prof. Kyrill-Alexander Schwarz: Parteiverbote oder andere Maßnahmen des Staatsschutzes dürfen nicht auf eine Gesinnungsprüfung hinauslaufen. Das heißt: Die Anforderungen müssen hoch sein, um die staatliche Neutralität im politischen Wettbewerb zu wahren. Es müssen schon schwerwiegende Angriffe auf den Staat vorliegen, um ein Parteiverbot zu rechtfertigen.

Welcher Art müssten diese "Angriffe" sein?

Schwarz: Damit man zu einem Parteiverbot greifen kann, müssen sie tatsächlich eine Gefahr für den Staat darstellen. Diese Gefahr muss nicht konkret sein – aber doch mehr als eine rein abstrakte Bedrohung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Wie flächendeckend müsste eine Partei extremistisch durchsetzt sein, damit ein Verbotsantrag Erfolg haben könnte?

Schwarz: Es geht um das Gefährdungs- und Bedrohungspotenzial. Ein Einzelner, der innerhalb der Partei eine verfassungswidrige Meinung äußert, ist keine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Es kommt auf den Gesamtauftritt der Partei an. Und hier gibt es in der AfD mittlerweile eine Vielzahl von Äußerungen, die nicht mehr unter den demokratischen Diskurs fallen. 

3000 bis 4000 Menschen demonstrierten am 20. Januar auf dem Würzburger Marktplatz für die Demokratie und gegen Rechtsextremismus. Auch die Forderung nach einem AfD-Verbot wurde laut.
Foto: Silvia Gralla | 3000 bis 4000 Menschen demonstrierten am 20. Januar auf dem Würzburger Marktplatz für die Demokratie und gegen Rechtsextremismus. Auch die Forderung nach einem AfD-Verbot wurde laut.
Das Verbotsverfahren gegen die NPD ist im Grunde gescheitert, weil sie zu unbedeutend ist. Bei der AfD ist das doch anders, oder?

Schwarz: Allerdings. Wenn man zum Ergebnis kommt, dass die Partei eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist, spielt die Frage der sogenannten Potenzialität – also ob sie diese Ziele überhaupt erreichen kann – im Fall der AfD gewiss keine Rolle. Das ist unstreitig erfüllt. Bei der AfD stellt sich eher die Frage: Ist sie schon zu groß, um sie noch verbieten zu können? Das ist aber eine politische, keine juristische Frage.

"Bei der AfD stellt sich die Frage: Ist sie schon zu groß, um sie noch verbieten zu können?"
Prof. Kyrill-Alexander Schwarz, Verfassungsrechtler an der Uni Würzburg
Inwiefern könnte sie "zu groß" sein?

Schwarz: Demokratietheoretisch kann man sich damit schwer tun, ein Drittel der Wahlbevölkerung – nach aktuellen Umfragen in Thüringen – durch ein Parteiverbot von der politischen Willensbildung auszuschließen. Der Eingriff in das demokratische System durch ein Verbot ist umso größer, je stärker die Partei ist.

Ist dies das Hauptargument gegen ein Verbot?

Schwarz: Ja. Das Parteiverbot – das sagt auch das Bundesverfassungsgericht – ist der schwerwiegendste Eingriff, der im demokratischen System denkbar ist. Man schließt einfach einen Teil aus. Deswegen müssen die Anforderungen so hoch sein. Ein Verbot kann nur das letzte Mittel sein, wenn andere Maßnahmen nicht mehr greifen.

Was spricht ansonsten gegen ein AfD-Verbot?

Schwarz: Möglicherweise nährt man den Opfermythos einer Partei als angeblich Verfolgte von Staat und Medien. Denkbar ist auch eine Radikalisierung der Anhänger nach dem Motto "Jetzt erst recht". Dies alles ist in der Abwägung zu berücksichtigen. Gleichwohl sollte man keine Angst davor haben, eine entsprechende Entscheidung zu treffen.

Der demokratische Rechtsstaat muss sich doch gegen zerstörerische Kräfte wehren können, oder?

Schwarz: Das ist eine Erfahrung aus dem Scheitern der Weimarer Republik. Nicht nur die Frage fehlender Demokraten, sondern auch die Frage, wie sehr sich ein Staat wehren kann. Gerade gegen die Gefahr eines legalen Staatsstreichs – also einer Aushöhlung der Demokratie von innen – muss der Staat vorgehen können. Und dafür gibt ihm das Grundgesetz verschiedene Instrumente.

Eines ist das Parteiverbot. Was spricht aus Ihrer Sicht für ein Verfahren im Falle der AfD?

Schwarz: Wenn man sich die Mühe macht und mit hinreichend Informationen belegt, wie rassistisch und menschenverachtend die AfD in Teilen operiert, dann gibt es meines Erachtens genug Material, das einen Verbotsantrag rechtfertigt.

"Es gibt genug Material, das einen Verbotsantrag rechtfertigt."
Prof. Kyrill-Alexander Schwarz zur aktuellen Debatte um die AfD
Sie persönlich befürworten also einen Verbotsantrag? 

Schwarz: Ja. Ich möchte nicht zusehen, wie dieser Staat seine Substanz von innen heraus verliert durch Personen, die sehr offen zum Ausdruck bringen, dass sie ihn nicht nur ablehnen, sondern auch bekämpfen.

Könnte ein Verbotsverfahren die AfD "zähmen", weil sie sich stärker von ihren Extremisten distanzieren müsste?

Schwarz: Das hat man in Teilen beim NPD-Verbotsverfahren beobachtet. Aber in Wahrheit hat eine echte Distanzierung nie stattgefunden. Ich will nicht ausschließen, dass sich auch eine Partei wie die AfD unter dem Eindruck eines drohenden Verbotes etwas weniger extremistisch verhält. Aber da müsste schon mehr kommen als Lippenbekenntnisse oder Scheingefechte.

In Bayern hat sich die AfD im Fall Halemba nicht distanziert, sondern solidarisiert...

Schwarz: Eine solche Solidaritätserklärung – selbst wenn für den Betreffenden noch die Unschuldsvermutung gilt – ist gerade ein Zeichen fehlender Distanzierung. Meine Einschätzung wäre: Wer sich nicht distanziert und stattdessen schweigt, der billigt – und das ist eine Unterstützungshandlung.

Wie steht es mit dem Verbot einzelner Landesverbände, die als gesichert rechtsextremistisch gelten?

Schwarz: Die Möglichkeit bei den Landesverbänden bestünde – aber es gelten dafür die gleichen Anforderungen wie für die Gesamtpartei. Einfach und schnell geht das nicht.

Könnte man der AfD die staatliche Finanzierung entziehen so wie jetzt der in "Heimat" umbenannten NPD?

Schwarz: Das klingt wünschenswert. Man möchte ja nicht, dass Parteien, die den Staat bekämpfen, von diesem auch noch finanzielle Mittel bekommen. Die Voraussetzungen dafür laufen allerdings im Gleichklang mit dem Parteiverbotsverfahren, die Hürden sind hoch, und es ist keine schnelle Entscheidung zu erwarten.

Diskutiert wird derzeit auch eine "Grundrechtsverwirkung" für den rechtsextremen Thüringer AfD-Chef Björn Höcke. Ein probates Mittel?

Schwarz: Auch dies ist kein einfaches Verfahren. Und: Solange ich eine Partei nicht verbiete, kann ich wohl kaum ein Parteimitglied, das sich rechtskonform verhält, über die Grundrechtsverwirkung kaltstellen. Der Grundgesetzartikel zielt hier eher auf exponierte Einzelpersonen als auf Parteivertreter. Zum Beispiel einen Wissenschaftler, der ständig den Holocaust leugnet.

 
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  • Klaus Fiederling
    Im Prinzip ist bei über 70% der Wähler doch wohl klar: Die AfD gehört weg. Was ist, wenn einmal die AFD im Bundestag über 30 % der Wähler hat, aber keiner mit ihr eine Regierung bilden will?
    Sie können ganze Gesetzesvorhaben scheitern lassen, sie können auch den Staat stürzen.
    Es gibt halt leider bei uns immer noch zu viele, vor allem junge Anhänger, die nicht erkennen wollen, was die AfD im Schilde hat: aus einem demokratisch-gewählten Staat wieder eine
    rechtsradikale Regierung zu bilden, die alles demokratische ausbremst und abschafft. Wir
    erleben zur Zeit ein starkes Erwachen, das an frühere Zeiten erinnert. Dann wird es wohl wieder heißen: "Ja - wir haben diese Partei doch nicht gewählt, oder unterstütz!" Jetzt ist
    die Zeit zum handeln, jetzt muß getan werden, um nicht später einmal einer vertanen Zeit nachzutrauern, wenn es zu späht ist und wir dann nicht mehr in einem freien Land leben.
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  • Hans-Martin Hoffmann
    Das Dumme ist

    je länger das Parteiverbot dauert, umso mehr Gelegenheit haben die Parteigänger/innen, die nächste noch nicht verbotene Partei zu unterwandern/ übernehmen.

    Meine Hauptsorge ist somit, das Verbotsverfahren nimmt (vergeblich) Kräfte in Anspruch, die anderswo (deutlich) nötiger gebraucht würden, und am Ende läuft es wie beim Hasen und dem Igel. Was wäre damit gewonnen? Den "Neonazis" (und den "Protestwähler/innen") mal die Handlungsfähigkeit des Staates aufgezeigt? Wäre es nicht gescheiter, festzustellen, was den Extremisten diesen Zulauf verschafft und dagegen anzugehen? Alles andere ist in meinen Augen eher Ausdruck der Hilflosigkeit der Regierenden (die sich vielleicht besser à la Bertolt Brecht ein neues Volk wählen sollten, statt anscheinend pressante Anliegen des alten hartnäckig aussitzen zu wollen).
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  • Georg Wohlfart-Mitznegg
    Das denkbar schlechteste Argument gegen ein Verbot der AfD ist, das so ein Verbotsverfahren lange dauert.
    Gerade deshalb wirds Zeit, ein Verbot jetzt auf den Weg zu bringen.
    Wenn diese Vereinigung erstmal Verfassungsrichter in Bayern stellt, oder die Ministerpräsidentin in Thüringen, dann wird es nicht einfacher, diese Ungeister zurück In die Mottenkiste der braunen Vergangenheit Deutschlands zu verbannen.
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  • Petra Georg
    Ja, so hätte man es wohl am liebsten. Alles verbieten, was nicht rot-grün-links ist, dann entledigt man sich (vermeintlich) der Konkurenz. Mitte oder gar rechts sind natürlich alles Nazis. DDR 2.0 läßt grüßen.
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  • Martin Deeg
    In Bayern haben Sie ja immer noch den Aiwanger und die CSU, wenn Sie auf sowas stehen.
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  • Helmut Vierneusel
    Hallo Frau Georg

    Sie haben den Artikel aber schon gelesen. Denn hier gibt Herr Prof. Schwarz schon alleine die rechtlichen hohen Hürden des Verfassunggesetzes an, daß eben das von Ihnen geschilderte Szenario nicht stattfinden kann. Da geht es nicht wie Sie fabulieren um Konkurrenz, sondern um eine Verhinderung dessen was wir in Dunklen Zeiten schon einmal hatten. Es ist auch unbestritten ob der Äußerungen dieser Partei welchen Weg diese betreten wollen. Eine reine Ausrichtung an das Kapital, Streichung der Subventionen für die Landwirtschaft, Einstufung wer ein richtiger Deutscher ist und zu allerletzt auch einen sogenannten DEXIT. Von daher ist das schon eine Überlegung wert wie man solchen Antidemokraten entgegenwirken kann respektive sogar muß.
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  • Helga Scherendorn
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  • Martin Deeg
    …“Demokratietheoretisch kann man sich damit schwer tun, ein Drittel der Wahlbevölkerung – nach aktuellen Umfragen in Thüringen – durch ein Parteiverbot von der politischen Willensbildung auszuschließen.“…

    Dieses „Hauptargument“ gegen ein Verbot ist gar keines: diese Wähler werden nicht von der Wahl ausgeschlossen, sie können nur keine Nazis mehr wählen.
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