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Würzburg/Schweinfurt
Wenn hochwertige Lebensmittel in der Tonne landen: Warum das Containern verboten ist – zumindest jetzt noch
Sich Lebensmittel aus Abfallcontainern von Supermärkten zu nehmen, ist verboten. Bald könnte sich das jedoch ändern. Was hinter dem Vorhaben steckt.
Sich weggeworfene Lebensmittel aus Mülltonnen von Supermärkten zu nehmen, ist verboten.
Foto: SymbolChristiane Raatz, dpa | Sich weggeworfene Lebensmittel aus Mülltonnen von Supermärkten zu nehmen, ist verboten.
Marius Flegler
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:25 Uhr

Wenn Supermärkte ihre Lebensmittel aufgrund abgelaufener Mindesthaltbarkeitsdaten wegwerfen, sind sie oft noch genießbar. Wer sich aber an den Resten aus Mülltonnen bedient, macht sich strafbar: Das sogenannte Containern oder Mülltauchen ist in Deutschland verboten. Doch bald könnte sich das ändern – zumindest, wenn es nach einem Vorschlag von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) gehen soll. Wie der Sachstand ist und was zwei unterfränkische Politiker von der Idee halten.

Was ist Containern?

"Unter Containern wird das Entnehmen weggeworfener, noch genießbarer Lebensmittel zum Eigenverbrauch aus Abfallcontainern von Supermärkten verstanden", heißt es in einem Papier der wissenschaftlichen Dienste des Bundestages zu den strafrechtlichen Aspekten des Containerns. Weiter heißt es, dass das Containern in der juristischen Literatur auch als Form des gesellschaftlichen Protestes gegen Lebensmittelverschwendung betrachtet werde. Oftmals containern auch Menschen, die über ein niedriges Einkommen verfügen, wie etwa Studentinnen und Studenten.  

Weshalb ist das Containern verboten?

Der ehemalige Hamburger Justizsenator Till Steffen (Grüne) stellte bei der Justizministerkonferenz schon 2019 den Antrag, Containern bundesweit zu legalisieren. Von der Mehrheit der unionsregierten Länder wurde die Initiative aber abgelehnt. Die Gründe: Containern sei menschenunwürdig und aus hygienischer Sicht problematisch. Sollten verdorbene Lebensmittel zu Krankheit führen, sei die Frage der Haftung ungeklärt. 

Gemäß Strafgesetzbuch handelt es sich beim Containern außerdem um Diebstahl sowie oft um Hausfriedensbruch, da sich die Abfallcontainer zumeist auf privaten Grundstücken befinden. Sind die Container abgeschlossen und werden aufgebrochen, kann es sich außerdem um den Tatbestand der Sachbeschädigung handeln.

Dürften Supermarktbetreiber die Lebensmittel einfach verschenken?

Aus rechtlicher Sicht ist es durchaus möglich, die Lebensmittel zu verschenken. Das Problem liegt maßgeblich in der Haftung: Bis das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht ist, haften die Hersteller der einzelnen Produkte. Anschließend ist derjenige verantwortlich, der sie in Umlauf bringt. Für viele Einzelhändler ist daher das Risiko zu groß.

Ab wann darf legal containert werden? 

Konkret handelt es sich bei dem Vorschlag nicht um eine Gesetzesänderung auf Bundesebene. Vielmehr soll nach dem Hamburger Vorbild lediglich die Strafverfolgung beim Containern ausgesetzt werden. Für diese Idee werben die Bundesminister Özdemir und Buschmann in einem Schreiben an die Justizminister der Bundesländer. Wann, in welchen Bundesländern, und ob dieser Vorschlag überhaupt umgesetzt wird, bleibt offen.

Wie sich die unterfränkische Politik zu dem Vorschlag äußert

"Der Vorschlag der Bundesminister Buschmann und Özdemir ist populistisch und ändert am eigentlichen Problem wenig bis nichts", sagt der Bundestagsabgeordnete, Alexander Hoffmann (CSU), aus Retzbach (Lkr. Main-Spessart). Denn im Handel fielen in Deutschland lediglich sieben Prozent der Lebensmittelabfälle an.

"Der Vorschlag ist populistisch und ändert am eigentlichen Problem wenig bis nichts."
Alexander Hoffmann (CSU), Bundestagsabgeordneter aus Main-Spessart

Mit 60 Prozent entfiele der weitaus größte Anteil auf die Privathaushalte, sagt Hoffmann. Statt das Containern zu erlauben, müsse das Ziel deshalb sein, dass die noch verwendbaren Lebensmittel gar nicht erst im Abfall landen.

Hoffmann spricht sich deshalb für eine Lösung ähnlich wie in Frankreich oder Tschechien aus. Dort sind Discounter ab einer gewissen Größe gesetzlich dazu verpflichtet, die betreffenden Lebensmittel an die örtlichen Tafeln abzugeben.

Des Weiteren sei die Hygiene ein bedeutender Faktor für Hoffmann, denn der Verzehr von rohen und bereits längere Zeit ungekühlten Lebensmitteln könne gefährlich für die Gesundheit sein. Auch bezüglich der Straftatbestände des Hausfriedensbruchs und der Sachbeschädigung im Rahmen des Containerns äußert er sich klar: "Hierfür kann es in einem Rechtsstaat keinen Freibrief geben." 

Grüne unterstützen den Vorschlag ihres Bundesparteikollegen 

Die Hammelburger (Lkr. Bad Kissingen) Bundestagsabgeordnete, Manuela Rottmann (Grüne), begrüßt den Vorschlag der Bundesminister. Im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung könne es einer von vielen Bausteinen sein, das Containern nicht weiter strafrechtlich zu verfolgen. Aus Sicht von Rottmann handele es sich dabei um eine praktikable Lösung, "ohne, dass das materielle Recht berührt würde". 

"Es widerspricht dem Rechtsempfinden vieler Menschen, wenn jemand dafür bestraft wird, dass er Lebensmittel vor der Vernichtung rettet."
Manuela Rottmann (Grüne), Bundestagsabgeordnete aus Bad Kissingen

Weiter sagt sie: "Es widerspricht dem Rechtsempfinden vieler Menschen, wenn jemand dafür bestraft wird, dass er Lebensmittel vor der Vernichtung rettet, die der Lebensmittelhandel selbst entsorgen wollte. Denn dabei wird niemand geschädigt." Bei Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch müsse die Staatsanwaltschaft allerdings auch weiterhin ermitteln, sagt Rottmann.  

Wie das Bayerische Justizministerium den Vorschlag behandelt

Auf Anfrage der Redaktion heißt es vonseiten des Bayerischen Justizministeriums, dass für die Strafverfolgungsbehörden bereits jetzt die Möglichkeit bestehe, "einzelfallgerechte Lösungen" anzuwenden: Je nach Fall komme die Einstellung des Strafverfahrens in Betracht. Diese Handhabung des geltenden Rechts sei gängige Praxis. 

Ob bald auch in Bayern legal containert werden darf? Das Bayerische Justizministerium werde das Anliegen der Bundesminister nun "sorgfältig prüfen". Allerdings äußert auch der Bayerische Justizminister, Georg Eisenreich (CSU), Bedenken über die Gesundheitsgefahren beim Containern. Er plädiert für alternative Abgabeformen der Lebensmittel, ohne Nachteile für die Händler, etwa an die örtlichen Tafeln

 
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  • B. S.
    Was nützt es, wenn man es erlaubt, die Lebensmittel aus dem Container zu nehmen, wenn die Supermärkte es mit einer Kette oder sonstige verschließen. So wird es auch kommen!
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    Die werden dann wohl vorher alles durch eine Art Schredder laufen lassen.

    "Vorteil": Alles unbrauchbar und der Containerraum wird besser ausgenutzt.
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  • J. N.
    "Containern" ist nicht neu.
    Schon in den 70ern sind wir durch die Amisiedlung gezogen und haben die Müllcontainer durchgekramt. Was wir da alles gefunden haben!
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  • B. F.
    Fakt ist, dass es ein entsetzlicher Zustand ist, dass Menschen überhaupt, dort Lebensmittel holen! Die Tafel hat längst nicht mehr die Kapazitäten, die sie bräuchten.....und Menschen sollten selbst entscheiden dürfen, was sie noch essen oder nicht!
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    Verbot hin oder her - der eigentliche Skandal ist doch, dass in einem reichen Land - von "Allesverwertern aus Prinzip" einmal abgesehen - Menschen ihr Essen im Abfall suchen wollen.
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  • A. G.
    Wie so oft bei Özdemir nicht durchdacht und purer Populismus.

    Wozu führt es denn?

    Wenn der Betreiber eines Lebensmittelmarktes etwas in den Müll wirft, hat das Gründe. Verwertbares kann man ja kostenfrei abgeben oder gar holen lassen.

    Es gibt halt auch NICHT verwertbares. Weil die Kühlkette unterbrochen war, wegen Rückrufaktionen (Glassplitter, enthaltene Schadstoffe...), usw.
    Wer sowas im Privaten Bereich lieber nicht auftischt, dass der Familie nichts zustößt, gilt als verantwortungsvoll.

    Ein Händler der Mitmenschen schützt, muss nun fürchten, dass jemand ahnungsloses den Container plündert und er/dessen Kind krank wird.

    Will jemand stets mit der Angst leben?
    Nein.
    Also wird man (wenn Özdemir das durch bekommt) Konsequenzen ziehen, und den Container einbruchsicher vergittern. Zu viel steht auf dem Spiel.

    Und wem ist dann geholfen?

    Wenn Özdemir wirklich was erreichen wollte, würde er die 60% (!) Wegwürfe im privaten Bereich angehen.

    Aktion: Koch was draus, bevor es abläuft!
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  • A. G.
    Sie liegen falsch.

    Der Vorschlag von Özdemir ist, einfach das Stehlen aus Containern straffrei zu machen.

    Der ändert kaum was, weil bereits das allermeiste, was mal im Handel an verwertbaren Lebensmitteln im Müll landete, heute an Tafeln oder ähnliche Verwertungseinrichtungen gespendet wird. Nur ein kleiner Teil (7% aller "Wegwürfe") landet noch beim Handel im Müll und da gibt´s zumeist gute Gründe (z.B. Schutz der Gesundheit).

    In anderen Ländern gibt es eine Pflicht, noch verwertbares zu spenden.
    Das kann man machen (wenngleich die meisten das längst freiwillig machen und eine Pflicht nicht viel mehr bringt als Dokumentations- und Kontrollaufwand für alle Beteiligten),IST ABER WAS GANZ ANDERES, als plumpes Straffrei stellen.

    Schauen Sie sich mal an, wie die "Retter" solche Container häufig zurücklassen: Haufenweise Lebensmittelreste, Verpackungen usw liegen auf dem Boden herum und Tiere machen sich darüber her.

    Derweil finden 60% Wegwürfe im privaten statt !
    Tendenz steigend !
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  • A. G.
    Ist die Antwort an mdeeg
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  • P. K.
    Sinnvoll wäre es wenn diese, noch brauchbaren, Lebensmittel gar nicht im Container landen würden sondern auf einer öffentlich zugänglichen Fläche abgelegt werden dürften. Dazu ein Hinweisschild "Verzehr auf eigene Gefahr" in mehreren Sprachen z.B. "消費風險自負" oder "Потребление на свой страх и риск"
    So viel Selbstverantwortung bei der Selbstbedienung kann man dem Volk doch wohl zumuten.
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  • A. G.
    Die öffentlich zugängliche Einrichtung für noch verzehrfähige Lebensmittel, welche u.a. vom Handel gespendet werden, gibt es und die nennt sich Tafel.

    Da ist Personal, das die Ware ausgibt. So wird verhindert, dass sich jemand alles schnappt was da ist.
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  • M. D.
    Soll die CSU nur "prüfen" - sie wird auch diesbezüglich von der Realität überholt werden.

    Und: entweder sind die Vorschläge "populistisch" und ändern "nichts am Problem", weil der "größte Teil" ohnehin an die Privathaushalte fällt - ODER man spricht sich für sinnvolle Lösungen wie in Frankreich oder Tschechien aus. Beides geht nicht.

    Beide Argumente widersprechen sich, vielleicht merkt man das auch noch bei der CSU, der "Populismus" wesensfremd ist, wie wirklich jeder weiß....
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