Sie steht auf Bergbauernbuam. Singt Melissa Naschenweng seit fünf Jahren und widmet ihre aktuelle Tour den kernigen Burschen von der Alm. Dass sie sich am gleichnamigen Song von Andreas Gabalier orientiert, wundert nicht: Die Kärntnerin ist mit dessen Bruder Toni liiert und versucht sich als weibliche Blaupause des steirischen Sangeskollegen.
Mit Erfolg. In Österreich füllt sie riesige, in Deutschland mittelgroße Hallen. In die Würzburger tectake-Arena kommen zwar nur gut 1200 Fans, die sind aber glücklich. Sie kriegen, was sie erwarten.
Tausendsassa und Frohnatur
Neben solider Rock-Band und ihrer Reibeisenstimme sind das ihr versiert gutes Harmonika-Spiel und eine mitreißende Bühnenpräsenz. Melissa Naschenweng - Tausendsassa und Frohnatur. Zumindest spielt sie diese Rolle ausgezeichnet. Sie witzelt, erzählt und tanzt. Hat ihr Publikum im Griff. Zwei Stunden lang. Naturgemäß singt eine Sängerin aber auch. Und da liegt das Edelweiß begraben. Nicht wie sie singt, was sie singt: Zweideutiges Verbal-Gefummel ("die Frauenwelt frohlockt, wenn er sein Werkzeug auspoackt") eines Frauenbilds wie es sich ein Mann vor 50 Jahren ausgedacht haben könnte.
Mit alpinem Schunkel-Rock werden halt keine Literaturpreise gewonnen. Die Buchstabensuppe, die am Freitagabend von der Bühne schwappt, formt sich freilich zu arg simpler Schlager-Poesie. "Der Michl mit der Sichl" sei, so die 34-Jährige, einer, auf den alle Mad'ln stehen: "Sei' Lederhos'n sitzt, seine Reifen hab'n Luft. Und ein jedes Dirnd'l schwitzt, wenn es seinen Namen ruft." Gesicherte Information, ob dieser Michl einer der ominösen Bergbauernbuam ist, liegen nicht vor. Die Bridge dieses Hits zwischen Refrain und Strophe legt es jedoch nahe: "Wenn er sein' Gamsbart grad richt' mit am schneidigen G'sicht, werd i schwach."
Liebes-Geständnis aus den vorderen Reihen
Da in Franken vergleichsweise wenige Gamsbärte von schneidigen Gesichtern gerade gerückt werden, müssen sich die Frauen - und mithin Männer - mit inbrünstigem Mitgesang begnügen. Und mit Schauen. Zu Schauen gibt's nämlich was: Melissa Naschenweng zeigt ihre fesche Figur und zieht sich gern um. Ob Jeansgürtel-Oberteil, bunte Bluse, grünes oder schwarzes Top, die wenig Raum für Fantasien lassende Parade an Hotpants, das knallrote Dirndl, die pinke Krachlederne - Naschenwengs Kleidung ist textilarm oder glitzert. Oder beides.
"Ich liebe dich" - ein Romantiker auf den teuren Plätzen direkt am nach vorn ragenden Steg kann nicht anders, plärrt seine Gefühle heraus. Und erntet von der Angeschmachteten nebst Lächeln ein "zurück". Volksnah zeigt sich Naschenweng eh. Nach der Pause "marschiert" sie von hinten durch die Reihen. Herzt Fans, posiert für Selfies. Auf der Zielgeraden des Abends gibt's kein Halten: "Lausbuam Blues", "Traktorführerschein" und "Ich steh auf Bergbauernbuam" - Abräumer an Abräumer.
Ein Lied für die verstorbenen Großeltern
Beinahe verschämt mogeln sich ganz wenige ruhige und prompt gehaltvollere Töne dazwischen. "Das Größte" ist den verstorbenen Großeltern gewidmet, "Kompliment" ist eine Hommage an alle Kämpfer da draußen. Plötzlich wirkt Naschenweng so viel bodenständiger als der Austro-Boulevard sie skizziert. "Ich bin eine Wirtshaustochter und stolz darauf", sagt sie. Und: "Wir sollten alle Menschen so sein lassen, wie sie sind."
Melissa Naschenweng kann sich möglicherweise doch noch an ihre Wurzeln auf der Almhütte erinnern. Und daran, wie sie sich vor zehn Jahren in Casting-Formaten um Juroren-Gunst mühte. In einer gab es fürs Weiterkommen "Herzerl". Für sie nur eines von DJ Ötzi. Kollegin Stefanie Werger wollte lediglich "einen Nougatknödel ohne Nougat" wahrgenommen haben. Und ein "Zuckermauserl". Was Naschenweng mächtig gefuchst hat, lächelt sie heute lässig weg. Jetzt ist sie der Star.
