Nackte Haut, Tattoos und wummernde Bässe. Ältere Damen reiben sich verwundert die Augen unter der frisch gelegten Dauerwelle. Der Großteil der 3000 Zuschauer in der Würzburger s.Oliver Arena freilich ist nicht das erste Mal bei Silbereisen und weiß: Wenn der Flori zum „Besten der Feste“ ruft, dann ist das eine etwas andere Schlager-Show. Und die Heidi aus Reihe zehn beruhigt er ganz persönlich, tauscht Rose gegen Kuss und versichert ihr: „Es gibt noch romantische Männer.“
Neben Dauergast DJ Ötzi begleiten Silbereisen Michelle, Vanessa Mai und Ross Anthony. Und schmucke Jungs: die Breakdancer der Schweinfurter Dancefloor Destruction Crew (DDC) und die Schlager-Boygroup Feuerherz – da werden Frauen unruhig, Männer neidisch. Das hat sich der Flori mal gut ausgemalt. Keiner bedient so sauber kalkuliert die ganze Palette. Das ist kurzweilige, perfekte Unterhaltung im Stile fast vergessener Fernseh-Samstagabendshows.
„Schlager ist geil, und macht jede Party steil“, stellt Flori klar. Dazu Feuerfontänen. Und bei „Moskau“ fliegt das Sakko in die Ecke – einen tätowierten Schlagermoderator in Unterhemd hat's nicht alle Tage. Weniger wild: die vier Boygroup-Buben. Tanzschritte und Scheitel sitzen besser als die Töne. Plötzlich wildes Gestampfe. Und ein Mädel, das bauchfrei trägt, weil die Plackerei im Fitness-Studio schließlich wer sehen soll: Vanessa Mai. „Ich sterbe für dich“ – na, na. Dann könnte die „neue Helene Fischer“ (Herr Silbereisen, diese Anmoderation hat Ihren Segen gefunden?) ja nicht mehr in der DSDS-Jury sitzen. Ob sie sich dort mit „Wolke 7“ durchgewunken hätte? Sagen wir mal Re-Call.
DJ Ötzi mit Augenzwinkern
Während die eine vom Sterben trällert, beteuert DJ Ötzi: „Ich bin geboren, um dich zu lieben.“ Okay. Weitaus unterhaltsamer sind seine tapsigen Schritte zu „Ich fühl' mich sexy, wenn ich tanz'“. Der Tiroler weiß, wie's geht: mit Augenzwinkern. Wo die weiße Mütze auftaucht, stehen Säle kopf. „Anton“, „Hey Baby“, „Sweet Caroline“ – da dampft die Hütte. Zum „Stern“ kommen die Kollegen mit auf die Show-Treppe.
Kontrast nach der Pause: Ross Anthony wollte ja mal Superstar werden, heute mimt er den liebenswert-hippeligen Schlagerclown. Michelle indes ist ein Schlagerstar. Auch wenn ihr ultraknappes, schwarzes Fetzchen atemberaubender ist als ihr Stimmchen – die 44-Jährige strahlt aus, dass sie Schlager lebt. „Wer Liebe lebt“, „Paris“, „Du Idiot“ – das sind schon Hausnummern des Genres.
Derweil philosophiert der Flori im Schottenrock über mögliche Klatschpresse-Schlagzeilen („klaut er Helene jetzt die Röcke aus dem Schrank?“), erntet Gelächter und ist um die Erkenntnis reicher: Auch das moderne Schlager-Publikum ist ein dankbares. Anlass für den Auftritt im Kilt ist eine beeindruckende DDC-Tanzeinlage – die Schweinfurter waren nicht umsonst zweimal Breakdance-Weltmeister. Natürlich muss so ein Abend zünftig zu Ende gehen: „Oh wie ist das schön“, „So ein Tag, so wunderschön wie heute“, dazu riesige Bälle zum umeinanderstupsen – sind wir nicht alle ein bisschen Schlager?