Mensch, Andreas, warum ausgerechnet in Nürnberg? Da gab's doch schon mal einen Österreicher, für den gleich nebenan am Reichsparteitagsgelände die NS-Massen die Arme hoch gerissen haben. Und jetzt der Gabalier. "Hebt's alle den rechten Arm." Keine zehn Minuten sind gespielt, und der Steirer haut so ein unbedarftes Sätzchen raus.
Die 45 000 Fans im Nürnberger Max-Morlock-Stadion sollen natürlich nur eifrig zum "Hulapalu" winken. Und ihnen ist es auch völlig wurscht, ob die Aufforderung missverstanden werden könnte. Wie dem Andreas aus Graz.
Vielleicht hat genau diese politische Unbekümmertheit Andreas Gabalier zu dem gemacht hat, was er heute ist: ein Entertainer für die Masse, ein randalpiner Robbie Williams. Er plappert daher, als gäbe es keine Political Correctness. Er ist Österreicher und die Österreicher sehen sich weniger als Sklaven der Sprachpolizei als die Deutschen.
"Biker" spielt er in Nürnberg nicht, gleichwohl ihm auch wurscht gewesen sein dürfte, dass man sich in Deutschland schon am Text gestoßen hat: "Italiener, Deutsche und Japaner, grüßen tun wir uns." Er wird Moto Guzzi, BMW und Kawasaki meinen - die drei Nationen waren aber auch Allianz im Zweiten Weltkrieg. Ein Grönemeyer tät's anders formulieren.
Gabalier und seine überholten Rollenbilder
Andreas Gabalier sagt schon mal, dass man es nicht leicht habe, "wenn man als Manderl noch auf ein Weiberl" stehe, spricht von "Genderwahnsinn", hält Frauen für Küchen-kompatibler, textet vom "eisernen Kreuz, das am höchsten Gipfel steht" und posiert auf einem Cover derart verrenkt, dass sein Körper einem Hakenkreuz gleicht. Sagt aber auch: "Wenn alle so tolerant wären wie ich, gäbe es auf der Welt weniger Probleme." Ihm in die Schuhe zu schieben, er bediene subtil ein Rechtsaußen-Klientel, dürfte ein zu scharfes Schwert sein.
Der 34-Jährige besingt die Schönheit seiner Heimat wie deren Werte. Das ist konservativ. In den Rollenbildern überholt. Aber nicht verwerflich.
Sein Publikum teilt zu großen Teilen diese Werte, oder beschäftigt sich nicht kritisch damit. Und das ist gut so. Nur so kann ein Abend so bezaubernd werden wie dieser in Nürnberg, wo es während des Vorprogramms rechtzeitig zu regnen aufhört. Es ist angerichtet für den Einmarsch des Gladiators: Mächtige Muckis wuchtet Gabalier zur Bühne. Er genießt das Bad in der Menge, genießt den Applaus, ist einer, der für die Bühne geboren ist.
Vollgas von der ersten Sekunde an
Gleich mal ein Medley seiner größten Hits zu Beginn. Auch wenn jeder weiß, dass "I sing a Liad für di" ganz bestimmt nochmal kommt, wird der Tanzboden-Kracher von der ersten Sekunde abgefeiert. Der "Volks-Rock'n'Roller" gibt Vollgas, kann, unterstützt von einer starken Kapelle, Stadionrock ("Verdammt lang her") genauso wie Gstanzel ("Dahoam").
Er nimmt die Menschen mit auf eine Reise durch seine "Kleine heile steile Welt", 45 000 Menschen fühlen sich in Franken knapp drei Stunden lang wie Steirer oder Kärntner. Und wenn's zünftig wird, dann tätschelt in Reihe zwei der Lederhosen-Lauser seiner Dirndl-Dame den Poppes. Und der Nachbar, offenkundig Franke, klärt auf: "Wenn Männer kei Männer mehr sin, dann lafft was falsch."
Gabalier dichtet "I mag die Musi und den Kaiserschmarrn" - nun, wer mag das nicht. Wohlgefallen, Genuss und Harmonie machen die Volks-Rock'n'Roller-Familie aus. Gabalier doziert, dass "in einem christlichen Land ein Kreuz an der Wand" zu hängen habe und besingt in "A Meinung ham" die Meinungsfreiheit jeglicher politischer Farbgebung.
Gabalier gibt Nachhilfe im alpinen Sprachgebrauch
Andreas Gabalier wandelt so naiv auf dem schmalen Grat der Kontroverse, dass das eigentlich kein Kalkül sein kann. Da steht ein Alpenländler und lehrt die Deutschen den unverkrampften Umgang mit ihrer Sprache - und dass ein Juchizer in der alpinen Sprache ein Jubelschrei ist. "Wo die Madln im Dirndl und die Buam in der Lederhos'n stecken, ist die Welt noch in Ordnung" - Jesses, er meint das mit den "Bergbauernbuam" ernst.
Aber: Wer das ursprünglich für Vater und Schwester geschriebene und diesmal dem Gitarren-Stimmer, dessen Vater am Samstag gestorben ist, gewidmete "Amoi seg' ma uns wieder" in Nürnberg final so unendlich gefühlvoll singt, der sollte schwerlich Böses im Sinn haben.