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Giebelstadt
Wenn die Fäuste fliegen: Wie sich Schauspieler auf die Kampfszenen bei den Florian-Geyer-Festspielen vorbereiten
Jeder Schlag, jeder Tritt im Schaukampf folgt einer präzisen Choreografie. Jonas Härtel und Julian Götz üben deshalb akribisch. Doch es gibt auch einige Tricks.
Zum ersten Mal Stuntman bei den Florian-Geyer-Festspielen in Giebelstadt: Julian Götz (links) und Jonas Härtel inszenieren in 'Der Herr des Zorns' eine Prügelei. Dafür braucht es viel Vorbereitung.
Foto: Thomas Obermeier | Zum ersten Mal Stuntman bei den Florian-Geyer-Festspielen in Giebelstadt: Julian Götz (links) und Jonas Härtel inszenieren in "Der Herr des Zorns" eine Prügelei. Dafür braucht es viel Vorbereitung.
Anna-Lena Behnke
 |  aktualisiert: 20.06.2024 02:51 Uhr

Ein Schlag ins Gesicht und Jonas Härtel geht zu Boden. Gleich darauf kassiert er einen Tritt in die Seite. Die Wucht schleudert seinen Körper durch den Sand. Noch ein Tritt und er bleibt bewegungslos liegen. "Du musst die Treffer größer spielen", ruft Ria Beinhölzl aus einigen Metern Entfernung und unterbricht den Kampf mit einer Handbewegung. "Dasselbe nochmal – mit ein bisschen mehr Drama." Härtel springt auf, klopft sich flüchtig den Sand von der Kleidung und geht wieder in Position. Sein Kontrahent Julian Götz tut es ihm gleich – und stürmt dann auf ein Zeichen erneut auf ihn zu. 

Was brutal aussieht, ist in Wirklichkeit eine bis ins Detail abgestimmte Choreografie, bei der sich niemand verletzen soll. Jeder Schlag ist abgestimmt, jedes Straucheln folgt einem Plan. "Wie ein Ballett", sagt Beinhölzl und grinst. Die 59-Jährige ist Stuntchoreografin und hat jahrzehntelange Erfahrung im Schaukampf. Seit 1996 übt sie gemeinsam mit den Schauspielerinnen und Schauspielern die Actionszenen für die Florian-Geyer-Festspiele in Giebelstadt ein.

Faustkämpfe gelten als besonders anspruchsvoll

Härtel und Götz sind in diesem Jahr zum ersten Mal Teil einer dieser Kampfszenen. Sie verkörpern zwei junge Bauern in "Der Herr des Zorns", dem zweiten Teil einer Trilogie, die in wenigen Wochen aufgeführt wird. Wie in den vergangenen Jahren werden die Festspiele voraussichtlich wieder hunderte Zuschauerinnen und Zuschauer nach Giebelstadt führen. 

Auch wenn sich niemand verletzen soll, sollen die Schaukämpfe bei den Florian-Geyer-Festspielen möglichst echt wirken. Dafür üben Julian Götz (links) und Jonas Härtel gemeinsam mit Stuntchoreografin Ria Beinhölzl, möglichst realistisch auf scheinbare Treffer zu reagieren.
Foto: Thomas Obermeier | Auch wenn sich niemand verletzen soll, sollen die Schaukämpfe bei den Florian-Geyer-Festspielen möglichst echt wirken.

"Ich finde es cool, hier dabei zu sein, weil es wenig Vergleichbares mit so viel Action auf der Bühne gibt", sagt Julian Götz. Auch der historische Hintergrund des Stücks, das sich um den Bauernaufstand in der Region im Jahr 1525 und den fränkischen Ritter und Bauernführer Florian Geyer dreht, mache für ihn einen besonderen Reiz aus, so der 17-Jährige.

Für die Jugendlichen aus Bad Mergentheim ist es nicht der erste gemeinsame Schaukampf. "Wir hatten letztes Jahr beim Uffenheimer Rittermarkt einen Schwertkampf", sagt Jonas Härtel. Eine Prügelei allerdings ist neu für die beiden. Für Laien mag die auf den ersten Blick simpler erscheinen als ein Schwertkampf etwa. In der Schaukampfszene gelte sie allerdings als "Königsdisziplin", erklärt Ria Beinhölzl. Der Grund: "Bei einem Schwertkampf kann ich richtig draufhauen. Das geht hier nicht. Echt aussehen soll es aber trotzdem."

Jeder Schlag ist abgestimmt: Ria Beinhölzl ist seit Jahrzehnten Stuntchoreografin und gibt den Nachwuchsschauspielern Tipps für ihren Schaukampf.
Foto: Thomas Obermeier | Jeder Schlag ist abgestimmt: Ria Beinhölzl ist seit Jahrzehnten Stuntchoreografin und gibt den Nachwuchsschauspielern Tipps für ihren Schaukampf.

Deshalb fordere ein Faustkampf mehr Schauspiel sowie Tricks, die dem Publikum einen realistischen Kampf vorgaukeln, sagt sie. Was aus der Perspektive des Publikums später etwa wie ein Treffer am Kopf aussieht, ist eigentlich ein Schlag, der – für die Zuschauerinnen und Zuschauer unsichtbar – knapp am Kopf vorbei ausgeführt wird oder die Schulter trifft. "Trotzdem muss ich mich so bewegen und so reagieren, als wäre ich am Kopf getroffen worden", sagt Jonas Härtel. Eine Herausforderung, die viel Übung erfordert.

Stunts, Reitszenen und Pyrotechnik sollen für Entertainment sorgen

Auch an diesem Abend wiederholen die Nachwuchsschauspieler jede Sequenz mehrfach. "Denkt daran: Es sind Treffer", sagt Stunttrainerin Beinhölzl. Das müsse man ihnen auch anmerken. Spucken, stöhnen, sich den Bauch halten – all das sei wichtig, um die Brutalität des Kampfes zu veranschaulichen, sagt sie und demonstriert mit gespielt schmerzverzerrtem Gesicht, was sie bei den Jugendlichen sehen will.

Auch das richtige Timing spiele bei Kämpfen eine entscheidende Rolle, erklärt sie. "Bei einer Schlägerei kann niemand ein paar Minuten auf den anderen warten. Alle Aktionen müssen ineinander greifen."

Auch Schwertkämpfe sind ein Teil des historischen Schauspiels, das in der Zeit des Bauernkriegs angesiedelt ist.  Im vergangenen Jahr war 'Franken in Flammen', der erste Teil einer Trilogie, zu sehen, diesmal folgt der zweite Teil.
Foto: Gerhard Meißner (Archivfoto) | Auch Schwertkämpfe sind ein Teil des historischen Schauspiels, das in der Zeit des Bauernkriegs angesiedelt ist.  Im vergangenen Jahr war "Franken in Flammen", der erste Teil einer Trilogie, zu sehen, diesmal ...

Zudem müsse die Szene zeitgleich mit der Musik enden, fügt Regisseur Renier Baaken, seit Jahrzehnten künstlerischer Leiter der Festspiele, hinzu. Auch er wirft während des Trainings regelmäßig einen Blick auf die Performance der Nachwuchsschauspieler. Schwertkämpfe, Pyrotechnik und Co. sind für ihn ein entscheidender Bestandteil des Stücks. "Das ist wichtig fürs Entertainment. Wenn Zuschauer heute auf eine Freilichtbühne gehen, dann muss was los sein", sagt Baaken. 

Trotz vieler Sicherheitsmaßnahmen sind Verletzungen nicht ausgeschlossen

Für das Finale des Kampfs holt Beinhölzl einen Hocker aus der Requisite. "Der sieht so echt aus, dass sich schon Leute draufgesetzt haben", sagt sie und lacht. Denn nur wer den Hocker anfasst, merkt, dass der nicht aus Holz, sondern aus weichem, gummiartigem Material besteht. Damit soll Julian Götz seinem Kontrahenten eins überziehen.

Für die Stuntszenen kommen viele Tricks zum Einsatz. Der Hocker, mit dem Julian Götz seinen Kontrahenten verprügelt, scheint zwar aus Holz zu sein, besteht aber aus einem gummiartigen Material.
Foto: Thomas Obermeier | Für die Stuntszenen kommen viele Tricks zum Einsatz. Der Hocker, mit dem Julian Götz seinen Kontrahenten verprügelt, scheint zwar aus Holz zu sein, besteht aber aus einem gummiartigen Material.

"Ich habe ein bisschen Angst, ihn im Gesicht zu treffen", sagt Götz. Aus der Perspektive des Publikums soll es später genau so aussehen. Tatsächlich landet der Gummihocker allerdings auf der Brust von Jonas Härtel. Damit das klappt, üben die Jugendlichen die Abläufe im Detail ein. Komplett ausgeschlossen sind Verletzungen allerdings nicht. "Wir spielen einen Kampf vor. Da ist klar, dass auch mal etwas passieren kann", sagt Härtel.

Stuntchoreografin Ria Beinhölzl bestätigt das: "Platzwunden oder blaue Flecken hat man schon mal." Schlimmeres sei in all den Jahren allerdings nie passiert. Um größtmögliche Sicherheit zu gewährleisten, ziehen die Schauspielerinnen und Schauspieler ihr zufolge bei Schwertkämpfen in der Regel Kampfhandschuhe an. Jonas Härtel wird bei den Aufführungen unter seiner Kleidung außerdem Protektoren tragen.

Für den 16-Jährigen ist es das erste Mal auf der Festspiel-Bühne. Das sei schon etwas Besonderes für ihn, sagt Härtel. "Ich habe nicht mit mehr gerechnet als einer Rolle als Statist." Julian Götz hingegen ist kein Neuling in Giebelstadt. Seit 2016 habe er immer wieder mit kleinen Rollen auf der Bühne gestanden, sagt er. "Letztes Jahr habe ich meine ersten Sätze gehabt." Dank erster gemeinsamer Kampferfahrungen hätten sie diesmal das Angebot bekommen, auch hier einen Kampf zu inszenieren.

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"Die Jungs müssen nicht bei Null anfangen", sagt Ria Beinhölzl, die auch in diesem Jahr in die Rolle der "Bruneckerin" schlüpft. Ihrer Erfahrung nach gelte es, jüngeren Menschen im Schaukampf – neben der richtigen Technik – vor allem Selbstvertrauen zu geben. "Da herrscht natürlich noch mehr Unsicherheit, ob sie das alles richtig machen", sagt Beinhölzl. Gleichzeitig spüre sie die große Begeisterung der Jungs. "Da macht es besonders viel Spaß, mit ihnen zu arbeiten."

Aufführungen von "Der Herr des Zorns" finden statt am 12., 13., 19., 20., 26. und 27. Juli, jeweils um 20.30 Uhr. Einlass um 20 Uhr. Karten im Vorverkauf gibt es auf www.florian-geyer-spiele.de und bei Schreibwaren Krenkel in Giebelstadt.

 
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