Irgendwie sieht es aus wie eine Mischung aus Männerballett und chinesischem Schattenboxen, wenn Christian Grimm und Gerhard Leber im Zeitlupentempo die Klingen kreuzen. Schlag, Schlag, quer - ihre langsamen Bewegungen folgen einer genauen Choreografie. Ria Beinhölzl wacht darüber, dass die beiden Ritter alles richtig machen. Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist sie Stunt-Trainerin bei den Giebelstadter Florian-Geyer-Festspielen. "Lebendes Inventar", wie sie selbst sagt, und nach Regisseur Renier Baaken eine der Schlüsselfiguren im Wandel des Stücks vom angestaubten Historienspiel zum Action-Spektakel.
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Es sind nur noch wenige Tage bis zur Premiere. Von den Zuschauerrängen aus beobachtet Ria das Treiben auf der Bühne. Sie kann sich gelassen zurücklehnen. Ihre Burschen haben's drauf. Laut schlagen die Waffen aufeinander. Aus den bedächtigen Kampfübungen sind wilde Raufereien geworden. Christian Grimm als Florian Geyer, Stefan Ebert als sein brutaler Widersacher Wilhelm von Grumbach, Gerhard Leber in der Rolle des Draufgängers Georg von Waldburg und all die übrigen Darsteller in vorderster Reihe, die schon seit Jahren ihre Rollen besetzen - sie wissen, wie man ein Schwert führt, damit es spektakulär wirkt und niemand zu Schaden kommt.
Vor den ersten Proben hat die Stunt-Trainerin jede einzelne Kampfszene analysiert, sich einen passenden Ablauf überlegt und welche Waffen zum Einsatz kommen sollen. Soll sie lustig wirken, todernst oder gnadenlos? "Diesmal ist es meistens gnadenlos, dann machen wir's halt gnadenlos", sagt sie. Im letzten Stück des Geyer-Vierteilers, der heuer in Giebelstadt zum ersten Mal aufgeführt wird, bricht der Bauernaufstand von 1525 blutig unter der Macht der Herrschenden zusammen. "Wir verlieren fast unser ganzes Personal", hatte Autor und Regisseur Renier Baaken zu Beginn der Proben verraten.
Langsam und quasi zum Mitschreiben haben sich die Kämpfer mit der Choreografie vertraut gemacht. Wie jedes Jahr hat sich Ria Beinhölzl ein paar besondere Gags einfallen lassen, wie den Peitschenhieb, mit dem Florian Geyer die Waffe entrissen wird, kurz bevor er sich endgültig seinen Verfolgern geschlagen geben muss. "Timing und Abstand müssen genau stimmen, damit so etwas klappt", sagt Beinhölzl.
Kampfszenen höchstens 60 Sekunden
Dazu gab es vor jeder zweiten Probe eigens ein Stunt-Training. "Dadurch, dass die Leute die Basics wissen, brauche ich nicht mehr jede Bewegung einzuüben", so die Trainerin. Was sich bei den ersten Proben noch über Minuten hingezogen hat, dauert später im Stück höchstens 60 Sekunden. "Länger kannst du einen Kampf nicht machen, weil dann auch dem Nichtraucher die Puste ausgeht."
1996 lernte Ria Beinhölzl Renier Baaken kennen und kam mit den Geyer-Festspielen in Kontakt. Erst nur fürs Stunt-Training verantwortlich, fiel ihr vor 15 Jahren selbst eine Rolle zu. Die Figur der Bertha von Bruneck hatte Baaken eigens ins Stück hineingeschrieben - eine der vielen Veränderungen, mit denen der Regisseur Jahr für Jahr die Spannung auf die neue Inszenierung hochhielt. Seit drei Jahren läuft nun der Vierteiler, zu dem Baaken den Stoff ausgebaut hat.
Nach ausgiebiger Recherche in den Geschichtsbüchern beleuchtet das Stück nun auch das politische und religiöse Umfeld des Bauernkriegs, hat Personen wie Thomas Müntzer eingeführt, den Reformator und geistigen Wegbereiter des Aufstands, oder historische Geschehnisse wie den Ruf des Würzburger Stadtrats nach der Erhebung zur Freien Reichsstadt. Dass am Ende keine fade Geschichtsstunde daraus wird, daran haben Feuerwerker Matthias Keller und Stunt-Trainerin Ria Beinhölzl entscheidenden Anteil.
Beinhölzl selbst war bei den Kaltenberger Ritterspielen über eine tschechische Schaukampftruppe erstmals mit mittelalterlichen Kämpfen in Kontakt gekommen und sogleich fasziniert. "Dann wurde das zum Selbstläufer und hat mich nicht mehr losgelassen", erzählt sie. Inzwischen hat sie ihr Hobby zum Beruf gemacht und arbeitet als freiberufliche Unterhaltungskünstlerin. Den Geyer-Festspielen ist sie treu geblieben, auch wenn sie inzwischen wieder in ihrer Geburtsstadt Lauf bei Nürnberg lebt und für jede Probe eine weite Anreise in Kauf nehmen muss. "Die Truppe ist schon was Besonderes", sagt sie. Eine verschworene Gemeinschaft, "Zicken oder Diven hätten bei uns keine Chance."
Bauernaufstand endet in Hass und Vernichtung
Im letzten Teil der Geyer-Tetralogie mit dem Titel "Mitten ins Herz" kommt es zum finalen Showdown zwischen den aufständischen Bauern unter ihrem Anführer Florian Geyer und dem Söldnerheer des Würzburger Fürstbischofs Konrad von Thüngen. Von seinen Getreuen im Stich gelassen, verliert Geyer den Mut, seinen Kampf für Reformen aufrecht zu erhalten und ergibt sich dem blinden Hass. Das Schicksal der Bauern ist besiegelt, ihr Traum von Recht und Freiheit wird ohne Mitleid zerschlagen. Knapp 100 Darsteller und ein halbes Dutzend Pferde sind im Einsatz, um das grausame Ende des Bauernkriegs vor der Ruine des Geyer-Schlosses in Szene zu setzen.
Die sechs Vorstellungen sind jeweils freitags und samstags vom 12. bis 27. Juli, Beginn 20.30 Uhr. Karten im Vorverkauf bei Schreibwaren Krenkel in Giebelstadt, über die Ticket-Hotline der Main-Post, Tel. (09 31) 6001 6000, oder im Internet unter www.ritter-geyer.de.