Lange glühte noch eine Fünkchen Hoffnung, dass die Röttinger Frankenfestspiele vielleicht doch würden stattfinden können, wenn auch in verkürzter oder zeitlich versetzter Form. Spätestens seit dieser Woche ist dieser Funke endgültig erloschen. Die Florian-Geyer-Festspiele in Giebelstadt wird es heuer ebenfalls nicht geben. Und das, obwohl sich die Festspielgemeinschaft und Regisseur Renier Baaken zur 1200-Jahr-Feier der Gemeinde ein ganz besonderes Schmankerl ausgedacht hatten.
"Der Sommer wird heiß", steht auf der Internetseite der Röttinger Frankenfestsiele zu lesen. Das mag wohl stimmen. Aber am Musical "Sugar - manche mögen's heiß", auf das die Werbebotschaft anspielt, wird es nicht liegen. Die Festspiele fallen aus. Auch wenn die Entscheidung noch nicht offiziell getroffen wurde, wird wohl aus Sicht der Verantwortlichen kein Weg daran vorbeiführen.
Neben dem Musical nach dem gleichnamigen Film vom Billy Wilder standen die Offenbach-Operette "Orpheus in der Unterwelt", berühmt für ihren Can-Can, und das Schauspiel "Ziemlich beste Freunde" auf dem Spielplan der Frankenfestspiele. Am 4. Mai hätten die Proben beginnen sollen.
Ausstiegsklausel in den Verträgen
Eine Entscheidung muss also schnell fallen, weil mit Probenbeginn die Verträge mit den Schauspielern wirksam werden. "Bis dahin ist das Kostenrisiko für die Stadt noch überschaubar", sagt Bürgermeister Martin Umscheid. In den Verträgen mit den Schauspielern sei nämlich ausdrücklich geregelt, dass bei einer Absage wegen Seuchen oder Naturkatastrophen kein Entschädigungsanspruch für entgangene Gagen entsteht. "Unsere Anwältin hat den Vertrag vor Jahren so ausgearbeitet, ich hätte nie gedacht, dass man das irgendwann mal braucht", sagt Umscheid.
Doch mit eiligen Entscheidung ist das zurzeit so eine Sache in Röttingen. Umscheids Amtszeit endet am 30. April. Am 1. Mai treten der neue Bürgermeister Hermann Fernando Gabel und der neu gewählte Stadtrat ihr Amt an. Eine Sitzung des alten Stadtrats wird es bis dahin nicht mehr geben, und Umscheid hält es für die Aufgabe des neuen Gremiums, über die Frankenfestspiele zu entscheiden. "Das ist eine Zukunftsentscheidung, die der alte Rat nicht mehr treffen sollte", sagt das scheidende Stadtoberhaupt.
Hermann Gabel hat sich deshalb in den vergangenen Tagen bereits informell mit den Mitgliedern des künftigen Stadtrats beraten. Gemeinsam mit Martin Umscheid und dem bisherigen zweiten Bürgermeister Josef Gessner will er nun das weitere Vorgehen abstimmen. "Ich schlage vor, die Festspiele im Rahmen einer dringliche Anordnung abzusagen", sagt Gabel und sieht dies als Aufgabe seines Vorgängers an. "Eine frühzeitige, klare Entscheidung wäre das Beste."
Sorgen um wirtschaftliche Folgen
Dabei sorgen ihn vor allem die wirtschaftlichen Auswirkungen auf das Tauberstädtchen. Die Festspiele locken jedes Jahr Tausende von Gästen in den Ort, die die Gasthäuser und Pensionen füllen und den Röttinger Winzern ein ordentliches Geschäft bescheren. Das wird heuer alles ausfallen. Und auch das Weinfest an Pfingsten und das Gauvolksfest Ende August, das die Stadt veranstaltet, werden dem Coronavirus zum Opfer fallen.
Doch wie geht es überhaupt weiter mit den Festspielen? In den zurückliegenden Jahren hat sich die Stadt das achtwöchige Kulturspektakel alljährlich rund 100 000 Euro kosten lassen. Um die Zuschauerzahl anzukurbeln, hatte sich Intendant Lars Wernecke nach seinem ersten Jahr in Röttingen einige Neuerungen einfallen lassen, zum Beispiel besonders rabattierte Kombi-Tickets und Vergünstigungen für Familien. Der Vorverkauf läuft bereits seit dem vergangenen Herbst.
Martin Umscheid kann sich vorstellen, den gesamten Spielplan einfach ins nächste Jahr zu verschieben. Alles, was bereits in Ausstattung und Bühnenbild investiert wurde, sei dann nicht vergebens. Die verkauften Tickets - auf Wunsch - dann gleich ins nächste Jahr zu übertragen, hält Hermann Gabel für keine gute Lösung. "Am einfachsten wäre es, den Ticketverkauf rückabzuwickeln und den Preis zu erstatten, alles andere wäre zu kompliziert'", meint er.
Vor einer ähnlichen Frage steht auch die Florian-Geyer-Festspielgemeinschaft in Giebelstadt. Mit "Zobels Zoff" sollte dort heuer aus Anlass der 1200-Jahre-Feier Giebelstadts eine historisierende Kömodie auf die Bühne gebracht werden, die Renier Baaken eigens für den Anlass geschrieben hat. Seit Monaten wird im Feuerwehrhaus geprobt. Seit Ende März sind die Proben ausgefallen. Im April sollte es eigentlich auf die Freilichtbühne vor der Geyer-Ruine gehen. Rüdiger Scheer, der Vorsitzende der Festspielgemeinschaft, will eine Absage nicht verkünden, bevor er nicht mit seinen Darstellern gesprochen hat. "Aber wie die Entscheidung ausfällt, kann man sich an fünf Fingern abzählen", sagt er.